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Elias Schneitter
Sommer Blues
Notizen und Gedicht

Wenn man sich einmal all die Nachrichten der letzten Wochen, die täglich, stündlich über die Medien auf uns einprasseln, vergegenwärtigt, dann wäre es kein Wunder, wenn einen der „Sommer-Blues“ überfällt.

Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, Unwetterkatastrophen, Flutwellen, Hurricans, Klimawandel, Hunderte Tote bei Erdbeben in Haiti, schmelzende Gletscher und am Nordpol Frühlingstemperaturen, Flutwellen, Dürren, Millionen Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa, C02 Ausstoß steigt und steigt, Weltuntergang, Temperaturanstieg nicht mehr aufzuhalten, Verglühende Erde, Hungersnöte in Afrika und Asien, Millionen Kinder hungern, Islamkämpfer verschleppen Schülerinnen, Natur schlägt zurück, Vierter Lockdown im Anmarsch, Wirtschaft wird das nicht mehr überstehen, Impfgegner und Verschwörungstheoretiker fürchten Diktatur der Gesunden, Faulbrut bei den Bienen…

Der amerikanische Schriftsteller Bill Gass hat einmal gemeint, dass die Medien-News nur noch produziert werden, um die Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Eine Aussage, der man zu hundert Prozent beipflichten kann.

Hin und wieder, wenn ich mir die Abendnachrichten im ORF anschaue, dann habe ich mit der hübschen Nadja Bernhard oft schon Mitleid, dass sie unentwegt solch miese Nachrichten zu präsentieren hat. Was für ein Drecksjob? Manchmal denke ich mir, es sollte so wie den Tag der Banane oder des Waldes auch einmal einen Tag der guten Nachricht geben. Aber wahrscheinlich wären unsere verseuchten Journalisten dazu gar nicht mehr in der Lage.

Jedenfalls ist es kein Wunder, wenn einem bei der Flut von Katastrophenmeldungen der blanke Fatalismus überfällt und einem Nepomuk Nestroy in den Sinn kommt, der meinte, die Welt steht nicht mehr lang. (Nun, die Welt wird’s schon noch schaffen, aber wir Menschen nicht mehr)

Note 1: Wenn ich mir die Bilder der Taliban mit Turban und langem Bart anschaue, dann erinnern sie mich an die Figuren in unseren Weihnachtskrippen, nur tragen unsere Hirten keine Kalaschnikows. Sehr wohltuend.


Nachrichtensperre

Kaum beginnt eine Nachrichtensendung,
dann drehe ich das Radio ab,
oder ich wechsle das Programm im Fernsehen,
weil mir diese schlechten Nachrichten aus aller Welt
die Nerven rauben.

Ich will es nicht mehr hören,
wenn Terroristen Unschuldige in die Luft jagen,
Aufständische in Syrien niedergemetzelt werden,
ein Atomkraftwerk in die Binsen geht,
ein Erdbeben Hunderttausend Tote fordert,
Oppositionelle in China verschwinden.

All diese Schreckensnachrichten vertrage ich nicht mehr
und ich schalte ab, wechsle den Sender.
Es tut mir leid,
es hängt mir zum Hals heraus.

Hätte ich die Möglichkeiten,
dann würde ich allen Journalisten,
diesen Todesengeln von News and Facts
vorschreiben,
dass sie für jede schlechte Nachricht
eine positive zu verfassen haben,
das würde ich ihnen auftragen.

Jedenfalls für mein Wohnzimmer!
Ich habe eine Nachrichtensperre verhängt.
Ich will nichts mehr hören und sehen
von den Grausamkeiten überall in der Welt.
Ich schalte ab.
Mir reicht es.
Ich bin vergiftet genug.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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