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Elias Schneitter
Slawophil versus Dekadenz
Notizen

Der russische Schriftsteller Michael Fjodor Dostojewski gehört für mich zu den Allergrößten seiner Zunft. Seine Romane, die dargestellten Schicksale, sein herzzerreißendes Mitgefühl für seine Figuren, seine gesamte Dichtung, wie im Fieberrausch verfasst, haben mich stets zutiefst ergriffen.

Ebenso spannend wie seine Romane ist auch seine politische Entwicklung: Seine Anfänge als „linksgerichteter“ Autor bis hin zu einem ultrakonservativen Nationalisten in seinen letzten Lebensjahren.

Als solcher beschwor er das Slawophile als die wahre russische Seele im Gegensatz zum dekadenten Westeuropa. Das russische Volk müsse sich erheben und sich seiner eigenen Größe bewusst werden. Darin sah Dostojewski die Zukunft Russlands.

Kürzlich las ich einen ausführlichen Beitrag über einige russische Oligarchen, die mit Duldung ihres politischen Führers Milliarden, die eigentlich dem russischen Volk zustehen würden, in den Westen transferieren und dort das Leben in vollen Zügen genießen, während sie in den russischen Medien über die Dekadenz des Westens herziehen.

Der russische Autokrat Putin ist für mich ein typischer Fall eines Soziopathen, also eines Menschen mit vielen Gesichtern. Ursprünglich ein Milchgesicht aus den finsteren St. Petersburger Hinterhöfen, dann mit dem Feinschliff des KGB ausgestattet, ist es ihm gelungen, durch Machtstreben, durch sein Charisma, durch seine Schlitzohrigkeit, auch seinen Charme, den er auf bestimmte Menschen auszuüben in der Lage ist, die unumschränkte Herrschaft zu erlangen.

Noch gut erinnere ich mich an eine Begegnung mit einer österreichischen Lyrikerin, jung, klug, hoch talentiert, die mir einmal eröffnete, dass Putin für sie die erste Adresse für eine Liebesnacht wäre, sofern sie die Wahl hätte. Das war noch zu Zeiten, als er Herr mit nacktem Oberkörper auf hohem Ross durch die Gegend galoppierte.

Inzwischen ist er ein alter, kranker, einsamer Tyrann. Er lebt im Bunker, eine Stieftochter ist untergetaucht, vier seiner halbwüchsigen Kinder leben in Schweizer Internaten.

Der kaltblütige Tyrann will in seinem grenzenlosen Narzissmus und seiner Verzweiflung nur noch so viele Menschen wie möglich mit sich in das Verderben reissen.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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