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Elias Schneitter
Ohne Solidarität geht es nicht.
Notizen

Je reicher und wohlhabender eine Gesellschaft wird, desto mehr schwinden der innere Zusammenhalt und die Solidarität. Diese Entwicklung kann man sehr gut am österreichischen Gesundheitssystem nachvollziehen.

In den Fünfzigerjahren, also in der schlechten Zeit, war es z.B. möglich ein Gesetzeswerk wie das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz zu schaffen, das der gesamten Bevölkerung neben Pensionen auch eine medizinische Versorgung auf höchstem Niveau brachte.

Inzwischen sind diese Zeiten längst vorbei. Solche Maßnahmen, wie sie damals getroffen wurden, wären heute politisch mit Sicherheit nicht mehr möglich. Den Parteien ist es damals trotz großer ideologischer Unterschiede gelungen, einen Konsens zu finden zum Wohle aller.

Dabei denke ich, dass in diesem Gesetz zum Beispiel die Beitragsparität festgelegt wurde, also dass Dienstgeber und Dienstnehmer zu gleichen Teilen in das System einzahlen. Oder: dass die beitragsfreie Mitversicherung für alle Familienangehörigen bei gleicher Beitragsleistung geschaffen wurde. Maßnahmen, die bei den heutigen Akteuren sicher nicht gelungen wären.

Inzwischen kann man zuschauen, wie Schritt für Schritt unser ehemals gutes Gesundheitssystem zerbröselt, weil alle Beteiligten nur ihre Klientel, ihren eigenen Vorteil im Blick haben. Besonders unsere Ärzteschaft – bzw. ihre Vertreter – scheinen nur auf ihren Vorteil zu schauen.

Heute müssen wir eine fortschreitende Privatisierung im Gesundheitssystem feststellen. Als Beispiel führe ich nur das Stichwort Wahlärzte an. Immer weniger Ärzte sind bereit, sich in das Vertragssystem einzugliedern. D.h. nichts anderes, als dass Menschen immer mehr gezwungen werden, Wahlärzte in Anspruch zu nehmen. Diese sind nicht an die Honorar-Ordnung gebunden. Überspitzt gesagt: sie können verlangen, was sie wollen. Das bedeutet für viele Menschen, dass sie sich eine solche Behandlung nicht mehr leisten können.

Aus meiner Sicht steuern wir schrittweise einer Zweidrittelgesellschaft entgegen.

Ein Drittel wird im Gesundheitsbereich abgehängt. Für diese gibt es nicht mehr die beste medizinische Versorgung, einfach weil sie sich diese nicht mehr leisten können. Das Vertragssystem wird mehr und mehr ausgehöhlt und schlecht geredet und gerät ins Abseits und wird zur Abfertigungsmedizin.

Die Solidarität in der Gesellschaft schwindet. In den ganz dunklen Zeiten hat es einmal geheißen, wer arm ist, muss früher sterben. Wenn die Entsolidarisierung weiter so voranschreitet, dann wird es genauso kommen. Und das sind gesellschaftliche Folgen, die den sozialen Frieden auf das Spiel setzen.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Rudolf Ostermann

    Das gehört ins Parlament und in die Medien, um endlich in Sachen allgemeine Verblödung des Volkes eine radikale Kehrtwende einzuleiten.

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