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Elias Schneitter
Kurztrip nach Florenz
Notizen

Umweltbewusst wählte unsere Runde  die Bahn für den Ausflug nach Florenz. Seit dreißig Jahren unternehmen wir zu viert – alles alte Arbeitskollegen – immer wieder solche Ausflüge in die nähere oder weitere Umgebung. Diesmal eben nach Firenze. Inzwischen sind wir alle in Pension und so konnten wir unseren Kurztrip für während der Woche planen.

In Bologna bestiegen wir für die kurze Strecke nach Florenz den hochmodernen Frecciarossa mit reservierten Sitzplätzen und einem großartigen Design, angeblich von Ferrari-Leuten entworfen. Einfach Klasse!

Das Wetter war für alle vier Tage ein Traum. Blauer Himmel. Angenehme Temperaturen. Ideale Reisebedingungen! Nur kamen auf diesselbe Idee wir wir noch weitere „Millionen“ anderer Touristen, die Stadt war voll und hunderte und tausende Rollkoffer klapperten über die Gehsteige der ehrwürdigen Stadt ihren Unterkünften entgegen.

Für unseren Aufenthalt hatte unser gewiefter Kollege ein straffes Programm zusammengestellt. Wir wollten ja so viel wie nur möglich sehen: die Uffizien, Basilica San Lorenzo, Palazzo Vecchio, Palazzo Pitti, Santa Croce, Santa Maria dell` Fiore mit dem Campanile, Piazzale Michelangelo, Ponte Vecchio, den David vor der Akademie, einfach alles, gerade so als ob man eine Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten wie ein ausgiebiges Menü zu sich nehmen könnte.

Natürlich hatten das nicht nur wir im Visier, sondern auch all die anderen Gäste aus der ganzen Welt, Amis, Japaner und die vier Älpler in Turnschuhen, die die Wiege der Rennaissance und die Stadt des großen Finanzwesens unter der Ägide der Medicis sehen wollten.

Aufgrund der Gegebenheiten passten wir unser straffes Programm etwas der Realität an. Die Kathedrale mit dem Campanile (Eintritt 53 €, wir wissen ja, nehmen muss man es von den Lebenden!) schenkten wir uns, weil wir uns nicht nur den Eintritt, sondern auch die zweihundert Meter lange Warteschlange sparen wollten.

Die Uffizien hingegen (Eintritt 32 €) ließen wir uns nicht entgehen, trotz Blockabfertigung und Eingangskontrollen wie auf Flughäfen. Natürlich war alles überfüllt, es herrschte Gedränge und alle Besucher waren mit Handys bewaffnet, um jede Ecke und jeden Winkel fotografieren zu können und sich dann zuhause die Schätze anzusehen. Oft hatte ich den Eindruck, dass kaum einer einen direkten Blick auf die Kunstwerke riskierte, sondern nur über den Umweg seines Handys. Milliarden Bilder als kleine Snacks für später!

Jedenfalls schafften meine Freunde und ich täglich laut Zähler auf der Armbanduhr an die zwanzigtausend Schritte. Respekt.

Um ehrlich zu sein – für mich waren die abendlichen Restaurantbesuche der angenehmste Teil der ganzen Reise. Aber bitte: psssst! Relativ früh am Abend suchten wir uns ein Restaurant, damit wir auch einen Platz ergattern konnten, um herrlichen Wein und gutes Essen serviert zu bekommen und den Schmäh vier alter Haudegen rennen zu lassen. Unbedingt das Highlight ohne Zweifel! Aber bitte noch einmal: psssst!

Nun ja, ich gestehe, ich war nie ein großer Fan von Städtereisen, wie aus den oben angeführten Gründen ersichtlich. Dennoch hatte ich noch nie ein so starkes Gefühl, zu einer Horde von Tramplern zu gehören. Firenze! Eine wunderbare Stadt, die da im wahrsten Sinne des Wortes von einer Büffelherde platt gewalzt wurde. Unglaublich!

Jedenfalls werde ich mir zu gegebener Zeit im Fernsehen und in Ruhe auf der Couch diese wunderbare Stadt mit ihren unglaublichen Kunstschätzen zu Gemüte führen und es hinkünftig auch mit anderen derartigen Kunst- und Kulturhotspots so halten.

Man muss ja nicht überall persönlich gewesen sein. Oder?



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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Helmut Schiestl

    Da hat sich wohl viel verändert seither!. Als ich in den frühen achtziger Jahren Florenz besucht hatte, war dort alles noch erschwinglich, schon viel Touristen, aber noch lange nicht so viele wie jetzt. Man ist überall reingekommen, Eintrittsgeld war überschaubar. 53 € für eine Dombesichtigung würde ich auch nicht zahlen, noch dazu mit Massen von Touristen, die ihre Selfis schießen und denen die Kunstwerke nur Kulisse für ihren Narzismus sind. Nein danke. Schade, wie sich das alles entwickelt hat!

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