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Alois Schöpf
Wofür man in Tirol ausgezeichnet wird.
Die Verleihung des Tiroler Adler-Ordens
an Waltraud Klasnic und Christoph Schönborn
ist peinlich und reaktionär.
Notizen

Am Montag dieser Woche wurden in Innsbruck 14 Persönlichkeiten mit Auszeichnungen des Landes gewürdigt. Unter ihnen waren auch Wiens Erzbischof Christoph Schönborn und die wegen finanzieller Fragwürdigkeiten im Zusammenhang mit Schloss Herberstein zurückgetretene steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic.

Der Landeshauptmann von Tirol Anton Mattle bezeichnete dabei die beiden Geehrten als „Vorbilder für unsere Gesellschaft“. Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher wiederum attestierte den Ausgezeichneten „Gestaltungswillen“ und meinte: „Andreas Hofer und die Geehrten zeigen, wie weit man es mit diesem Willen bringen kann“.

Wie weit es Andreas Hofer gebracht hat, nämlich zu einer voraussehbaren militärischen und politischen Niederlage und in Folge zu einem Jahrzehnte währenden Stillstand des gesamten Landes, sollte zwar bekannt sein, wird jedoch von all jenen, die gern an Heldenlegenden glauben, darunter offenbar auch die beiden Landeshauptleute, ebenso verdrängt wie die in Wirklichkeit von Unmenschlichkeit und Totalitarismus geprägte Gesellschaftspolitik des Wiener Kardinals und seiner ideologischen Begleitdame Klasnic.

Was den Kardinal betrifft, dessen angebliches Verdienst für Tirol darin besteht, dass er für eine rasche Nachbesetzung des Bischofsamtes gesorgt hat, so liegen die Dinge seit Jahrzehnten klar auf dem Tisch: Er ist ein Vertreter jener rigiden und ideologisch verblasenen Sexualmoral, die trotz noch so beschönigenden Geschwätzes nichts von ihrer Grausamkeit eingebüßt hat, weiterhin die Möglichkeit von Abtreibungen an Tirols öffentlichen Spitälern verhindert, über Jahre die leichte Erreichbarkeit der sogenannten „Pille danach“ hintangehalten und damit flagrant zu ungewollten Schwangerschaften beigetragen hat. Ganz abgesehen von der Ablehnung der In-vitro-Befruchtung, der Pränatal-Diagnostik, der Homosexualität und der Ehe für Homosexuelle: die Liste dieses garantiert zu pathologischem Verhalten und einem verpfuschten Leben führenden Sündenregisters ist im katholischen Österreich in gleicher Weise allgemein bekannt wie sie nur noch von 5 Prozent der Gläubigen ernst genommen wird.

Den Vertreter einer solchen menschenverachtenden Ideologie bezeichnet Herr Mattle also als Vorbild für die Gesellschaft und behängt ihn mit einer der höchsten Auszeichnungen des Landes. Man fragt sich, was hier mehr wiegt: Mangelnde Bildung oder billiger Opportunismus?

Noch dramatischer liegt der Fall bei Waltraud Klasnic, die mit Kolleginnen aus dem Bereich des Opus Dei als Sprachrohr einer Kirche fungiert, deren männliches Personal sich aufgrund unzähliger Missbrauchsfälle und des dadurch bedingten Autoritätsverlusts kaum noch in die politische Debatte einzumischen wagt, weshalb gläubige Damen zwecks Errettung einer Welt von Vorvorgestern an die Front geschickt werden.

Konkret handelt es sich im Fall Klasnic um einen fundamentalistischen Kampf gegen eine der wichtigsten gesellschaftspolitischen Weichenstellungen der letzten Jahrzehnte, vergleichbar der Straffreistellung der Abtreibung durch die Regierung Kreisky, oder vergleichbar der Justizreform eines Christian Broda, die, um nur zwei Beispiele zu nennen, dazu führte, dass Hotelbesitzer nicht mehr wegen Kuppelei angezeigt werden konnten, wenn sie ein unverheiratetes Paar bei sich übernachten ließen. Oder dass Personen, die bei einem ehelichen Seitensprung ertappt wurden, nicht mehr ins Gefängnis wandern mussten, Straftaten, die tatsächlich bis in die 1970-er-Jahre als solche eingestuft wurden, was auf den Einfluss der katholischen Kirche vor allem aus der Zeit des österreichischen Klerikal-Faschismus zurückzuführen ist.

Eine letzte Welle klerikal-faschistischer Wiederbetätigung erfuhr das Land noch einmal im Jahre 2010 durch den Plan von Frau Klasnic und des Caritasdirektors Michael Landau, ein Verbot des selbstbestimmten Sterbens in den Verfassungsrang zu heben, also die Wahrnehmung eines Menschenrechts, das der Österreichische Verfassungsgerichtshof im Dezember 2021 in Übereinstimmung mit dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof bestätigte, präventiv durch eine Zweidrittelmehrheit im Parlament unmöglich zu machen.

Das Land Tirol zeichnet somit mit dem höchsten Orden des Landes Persönlichkeiten aus, die durch ihren Gestaltungswillen zu verhindern versuchten, dass Menschen, die unerträglich leiden, diesem Leiden aus einer autonomen Entscheidung heraus ein Ende setzen können. Auf die konkrete Lebenswirklichkeit heruntergebrochen bedeutet dies, dass Herr Schönborn und Frau Klasnic sich in brüderlicher bzw. schwesterlicher Absprache mit dem mächtigen Caritas-Präsidenten Landau und damit mittelbar auch mit dem Leiter der österreichischen Hospizbewegung darüber verständigten, dass, abgeleitet von den Niederlanden mit ihren 14 Millionen Einwohnern und einer seit Jahrzehnten eingeübten Praxis des selbstbestimmten Sterbens, das dort im Jahr von 6.500 Personen in Anspruch genommen wird, in Österreich zwischen tausend und dreitausend Personen pro Jahr die Möglichkeit verwehrt werden sollte, die Art und den Zeitpunkt ihres Lebensendes selbst zu bestimmen.

Dass den Genannten dies durch das neue Sterbeverfügungsgesetz nicht gelungen ist, zeigt auf, dass die österreichische Bevölkerung und wesentliche Teile der politischen Elite doch nicht so reaktionär sind wie die Bewunderer Andreas Hofers aus dem scheinheiligen Land Tirol. Gleichzeitig ist es den kirchlichen Kreisen, die durch Schönborn und Klasnic repräsentiert werden, sehr wohl gelungen, Politiker, Ärzte, Ärztekammern, Notare, Apotheker, Patientenanwaltschaften und die Leitungen von Spitälern, Altersheimen und Hospizen davon abzuhalten, die Verwirklichung eines liberalen Gesetzes zu fördern. Vielmehr werden im Vollzug des Gesetzes für Sterbewillige derartige Hürden und Schikanen aufgebaut, dass die Möglichkeit, eine Sterbeverfügung zu errichten und selbstbestimmt zu sterben, zwar in der Theorie möglich ist, jedoch nur dann praktisch umgesetzt werden kann, wenn die Kampfbereitschaft und die intellektuelle Kapazität eines nicht durch eine schwere Krankheit Beeinträchtigten zur Verfügung stehen.

Alleingelassene und arme Leidende haben sich also weiterhin der abseitigen christlichen Beseelungstheorie unterzuordnen, wonach Gott der Eigentümer des Lebens und der Mensch lediglich sein Verwalter sei, woraus folgt, dass autonomes Sterben als Eingriff in das Eigentumsrecht eines anderen, Gottes, einzustufen ist.

Auch dieser ethischen Absurdität und Inhumanität hat das Land Tirol, vertreten durch seine höchsten, offenbar ahnungslosen Politiker aus beiden Landesteilen einen Ehrenkranz umgehängt. Peinlich!

Aus aktuellem Anlass wurde die Analyse des Kulturprogramms der neuen Tiroler Landesregierung, wie in der Wochenvorschau angekündigt, um eine Woche verschoben.

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Otto Riedling

    Waltraud Klasnic ist nicht zurückgetreten, sondern die ÖVP verlor bei der LTW 2005 die Mehrheit – der LH-Sessel ging damit an Franz Voves (SPÖ)

  2. Walter Pinggera

    Ich bin ja auch kein Anhänger dieser „Auszeichnungen!“, aber die Anmerkungen über Andreas Hofer sind zum Teil unrichtig, er wurde ja entgegen den Vereinbarungen von den Habsburgern schmählich im Stich gelassen. Insgesamt ist die Ausdrucksweise in dem Blog mehr als fragwürdig. Woher kommt dieser Hass?

  3. Karlheinz Veit

    Kompliment !
    Besser kann man diese Scheinheiligkeit nicht beschreiben , wie es Ihnen, Herr Schöpf gelang! Was wäre passiert, wenn man diese Auszeichnung einmal ausfallen ließe…. ? Aber nein, für die Pharisäer-Zeremonie muss auch noch extra der LH aus Südtirol übern Brenner kommen, damit er seine Phrase: vom „Gestaltungswillen der Ausgezeichneten“ (…) los werden kann…..!
    Und wehe statt den „Promis“ aus Wien und Graz wären einmal ganz einfache Leute aus dem Pflegewesen ausgezeichnet worden – für Tirols Pharisäerpolitiker schier unvorstellbar….!

  4. Annemarie Wimmer

    … die Scheinheiligkeit, speziell der kath. Kirche, auch in der heutigen Zeit ist unbeschreiblich und sie hat auch so viele HandlungsgehilfInnen. Die Ärzteschaft verliert durch selbstbestimmtes Sterben einen ziemlich großen „Kundenkreis“ …. wie es den schwerkranken, oft nur alten und lebensmüden Menschen geht, interessiert sie nicht sonderlich!

  5. Lara Lustig

    Dieser Artikel ist herausragend formuliert. Sehr angenehme Leseerfahrung. Tiefe Darstellung und Beleuchtung der gesellschaftlichen Vorgänge.
    Danke

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