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Elias Schneitter
Kultur-Kahlschlag in Hall
Notizen

Der Gemeinderat der Stadt Hall hat in einer Nacht- und Nebelaktion alle Kulturvereine (und nicht nur diese) damit überrascht, dass sie die bisherigen Förderungen um 50 Prozent kürzen wird. Begründet wird diese Sparmaßnahme mit Inflation, Lohnerhöhungen und Mindereinnahmen wegen der schlechten Konjunktur.

Im Jahr 2003 wurde das Literaturfestival sprachsalz, übrigens auf Anregung der Stadt Hall, ins Leben gerufen. Seit dem Beginn bin ich auch als Mitorganisator bei diesem einzigen internationalen Literaturfestival Österreichs dabei. In den zwei Jahrzehnten seines Bestehens hat sich sprachsalz zu einem der renommiertesten Literaturveranstaltungen im deutschsprachigen Raum entwickelt.

Mehr als 300 Autorinnen und Autoren (u.a. drei Nobelpreisträger und Pulitzerpreisträger etc.) aus allen Kontinenten konnten nach Hall eingeladen werden.

Heuer, bei der Eröffnung der 21. Ausgabe von sprachsalz, hat der neue Bürgermeister noch große Worte über die Wichtigkeit und Bedeutung der Kultur in der Stadt von sich gegeben. Aber wir wissen ja: die Worte der Volksvertreter sollte man stets mit Vorsicht genießen. Zwei Monate später dann die große Überraschung: die Hälfte des Budgets weg.

In unserem Fall geht es um € 12.000,– weniger, was für uns bedeutet, dass aufgrund des engen Budgets eine Weiterführung nicht mehr möglich ist.

Das Organisationsteam (6 Personen) hat all die Jahre ehrenamtlich für sprachsalz gearbeitet, die eigene Infrastruktur verwendet und das gesamte know how und sämtliche Arbeiten, die sich während des ganzen Jahres hinziehen, stets ohne Honorar erledigt.

Die Förderung der Stadt Hall wurde in den letzten fünfzehn Jahren nie erhöht. Das Geld ging, und auch einiges darüber hinaus, stets für das Parkhotel drauf, das übrigens ja auch der Stadt Hall gehört.

Während der Literaturtage kamen jedes Jahr ca. 4.000 Besucherinnen und Besucher in die Stadt. Der überwiegende Teil davon reiste von außerhalb an und belebte gewiss auch Gastronomie und Geschäfte .

Aber solche Gedanken scheinen die neue Stadtführung nicht besonders zu interessieren.

Als ich von den radikalen Maßnahmen hörte, musste ich unweigerlich an die zahlreichen Wunderwuzzis, die sich inzwischen vermehrt in der Politik herumtreiben, denken. Am Anfang stehen stets große Worte, und wenn es dann zur Umsetzung geht, dann gibt’s ein böses Erwachen.

Jedenfalls gehören in der Kulturstadt Hall jene Zeiten der Vergangenheit an, in denen man mit verlässlichen Partnern zusammenarbeiten konnte.


Note 1: Seit einigen Jahren ist es Mode geworden, einzelne Begriffe als „Wort des Jahres“ zu küren. Diesem Trend will ich mich nicht verschließen. Mein Wort des Jahres ist Orbanisierung. Damit beziehe ich mich auf unsere Gesellschaft, in der es gang und gäbe geworden ist, einerseits alles zu blockieren, gegen alles zu sein und andererseits stets die Hand aufzuhalten.




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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Hannes Hofinger

    Ich verstehe da etwas nicht. Der Obmann des Haller Kulturausschusses ist doch dieser Herr Sailer? 30 Jahre ORF. Steht auf der HP. Wie kann ein Obmann des Kulturausschusses 50% Kürzung akzeptieren, ohne umgehend seinen Hut zu nehmen?? Oder verwechsle ich da einiges? Ein anderer Sailer? Ein anderes Hall? Welcher Partei gehört dieser Mensch an?
    Jedenfalls: Sprachsalz muss weiterleben. Was wäre Tirol ohne dieses Sprachsalz in der Suppe?? Lauwarmes Mattle-Wasser! Crowdfunding??
    Das kann ja nicht das Ende sein!

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