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Elias Schneitter
Ich bin Parteimitglied.
Notizen

Trigger-Warnung für alle Politikgeschädigten: In dem Fall lesen Sie diese Zeilen bitte nicht, um weiteren Schaden zu vermeiden.

Nach langem Hängen und Würgen habe ich mich entschlossen, endlich meine Parteimitgliedschaft einzugestehen. Das heißt mit anderen Worten, dass alle meine bisher publizierten Artikel im Blog unter einem ganz anderen Licht gesehen werden müssen, völlig unabhängig davon, ob ich über Politik, Kultur oder Fußball geschrieben habe: Ich habe es als Parteimitglied getan.

Helmuth Schönauer hat es einmal sehr schön formuliert: Wer in ein Ofenrohr schaut, ist nachher rußig. Oder wie es auch der große Tiroler Touristiker und ehemalige ORF-Stiftungsrat formuliert hat: dass Parteimitglieder ihren Geist, ihre Meinung an der Garderobe abgeben.

Diese Feststellung finde ich inzwischen nicht nur sehr zutreffend, sondern sogar sehr freundlich formuliert.

Denn zumindest traut der Herr Touristiker uns Parteigängern noch eine Meinung zu und spricht uns diese, wie inzwischen die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung es tut, nicht überhaupt ab. Nach dem Motto: alle Politiker und alle Parteigänger sind Volltrottel. Sie schauen nur auf ihre eigene Tasche und haben nur die Futtertröge im Kopf.

Zerknirscht und völlig verbittert blicke ich heute auf meine langjährige Parteimitgliedschaft zurück und habe mich entschlossen, die nächsten vierzig Tage in Sack und Asche und bei Wasser und hartem Brot zu verbringen und hoffe, dann völlig geläutert einen neuen Lebensweg als Freigeist und mit Vernunft und großer Intellektualität gesegnet vor mir zu haben.

Zu meiner Schande muss ich auch kleinlaut gestehen, dass ich auch als Vertreter einer Partei jahrelang im Gemeinderat gewütet habe und mir dafür monatlich 180 € (minus 90 € Steuer) unter den Nagel gerissen habe und stets meine dreckige Parteipfote gehoben habe, wenn es mir von höchster und korrupter Stelle befohlen wurde, zumeist zum Leidwesen der armen unterdrückten Bevölkerung.

Das arme Wahlvolk musste uns sogar unter Zwang die Stimme geben, weil es sonst keine andere Wahl hatte. Ich hoffe, dass sich das rasch ändern wird und endlich nur noch kluge, freie und unabhängig denkende Menschen hinkünftig die Geschicke der Menschheit lenken werden und nicht mehr minderwertiges, geistloses Parteivolk.

Wie Sie an diesen Zeilen ersehen können, stecke ich in einer veritablen Lebens- und Sinnkrise. Aber ich habe mich entschlossen, endlich meine dumme Parteimitgliedschaft, diese Ungeheuerlichkeit ruhend zu stellen und auch meine korrupte Feder beiseite zu legen und in Zukunft nur noch über Gänseblümchen, Haselnussstauden und Sonnenuntergänge zu schreiben.

In diesem Sinne, ein schönes Wochenende und ciao!

(Wir hoffen natürlich alle, dass Letzteres nur eine rhetorische Drohung ist! Die Redaktion)

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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