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Elias Schneitter
Beim Würstelstand
Notizen

Immer wieder lege ich einen Stopp bei einem Wiener Würstelstand in der Nähe des Sportclub-Platzes, nahe dem Hernalser Friedhof ein. Dort gibt es neben exzellenten Burenhäutln und günstigen Getränken auch stets illustre Gäste, die sich am einzigen Tisch neben dem Stand aufhalten.

Kürzlich war ich wieder dort, weil ich Lust auf eine Haasse und a Zipferl hatte. Ich nahm am Tisch Platz, wo ich freundlich begrüßt wurde und wo es bereits lustig zuging.

Die Runde war gerade beim Paternoster-Saufen, das heißt, einer bestellte Schnaps für alle, worauf sich der nächste auch bemüßigt fühlte eine weitere Runde zu spendieren. Und so weiter.

Die Diskussion wurde immer lauter, weil man auf das Thema Ausländer kam. Der Auslöser dazu war ein Datum. Es ging um das Geburtsdatum eines Gastes. Er sagte, er wäre am 9. Mai 1965 geboren, an dem Tag als Leopold Figl starb.

Jener Figl, der mit dem Österreich ist frei vom Balkon…

Ja, genau der Figl.
Inzwischen san ma aber nimma frei, sondern ein besetztes Land, vu die Türken, Afghanen, Iraner und olle ondern.
Jo, mia lossn jo ollas eini ins Lond…
Na, ned mia, die Scheiß Politiker. I hauet die Höfte auf der Schtö ausse. Ois Sozialschmarotzer…
De soidn schaugn, dass se bei eane daham wos darichten und ned bei uns ollas hinmochn.

Dann kam natürlich das Gespräch auf den Kickl und dass der der einzige sei, der mit dem Gesindel aufräumen würde.

Neben mir saß ein Waldviertler. Er outete sich auch als Kickl-Wähler, nicht wegen der Ausländer, sondern weil ihn die Roten und die Schwarzen nur enttäuscht hätten.

Er war seit kurzem Pensionist, hatte vierzig Jahre beim Gleisbau der Wiener Linien gearbeitet. Als er 1983 dort angefangen hatte, ist die rote Gewerkschaft zu ihm gekommen, wegen dem Maiaufmarsch, und weil er nicht dabei sein wollte, wurden ihm jede Menge Schwierigkeiten prophezeit.

Da hob i die Schnauze voll ghobt von der Bruat.

Aber die Schwarzen im Waldviertel waren für ihn genau die gleiche Bagage. Was dieses Bauerngesindel sich gegenseitig zugeschoben hat, passte auf keine Kuhhaut. Da war kein Platz für einen Arbeiter.

Waun i das nägstemal ausse fohr zu den Holzschädeln, dann bring i ihnen olle an Hamburger ins Gemeindeamt mit schene Grias vun Nehammeer.

Nachdem sich das Gespräch über Kickl erschöpft hatte, kam das Thema auf den Teichtmeister.

Mein Waldviertler wollte ihn gleich an die Wand stellen. Er würde alle Kinderschänder an die Wand stellen. Was hätte es für einen Sinn den Teichtmeister noch fünfzig Jahre durchzufüttern und zu therapieren, der gehört weg. Was ist mit den armen Kindern? Kriegen die eine Therapie?

Das Thema mit dem Teichmeister erhitzte die Gemüter. Einer versuchte den Schauspieler zu verteidigen: Strafe ja, aber nicht die Kugel! 

Da steigerten sich die beiden Kontrahenten so sehr hinein, dass sie sich gegenseitig an der Gurgel packten und die Würstelstandbesitzerin dazwischen fahren musste. Die beiden beruhigten sich.

Der Waldviertler zog mich wieder ins Vertrauen. Er meinte, er wollte keine Rauferei, weil er keine Scherereien mit der Polizei haben wollte. Normalerweise würfe er den Knaben mit einem Schwung in den Friedhof hinein. Und dann gestand er mir, dass er aber eigentlich gegen die Todesstrafe sei.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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