Elias Schneitter
Holt endlich Fachleute!
Notizen

Wegen der „Wahlärzte“ stand im Jahre 1955 das ASVG (Allgemeine Sozialversicherungsgesetz), das gesundheits- und sozialpolitische Jahrhundertwerk, auf der Kippe.

Es ging darum, dass von den Kassen nur die Leistungen von Vertragsärzten honoriert werden sollten. Frei praktizierende Mediziner sollten von den Patienten zur Gänze selbst bezahlt werden. Das war die Position der SPÖ. Die ÖVP setzte sich für die Wahlärzte ein und hätte die Beschlussfassung blockiert. So kam es zu dem bis heute gültigen Kompromiss.

Natürlich spielten damals die Wahlärzte im Gesundheitssystem keine große Rolle. Bis herauf in die Achtzigerjahre funktionierte das Vertragssystem relativ gut.

Durch den aufkommenden Wohlstand, den Fortschritt in der Medizin, die erhöhten Ansprüche der Patienten kam das Vertragssystem unter Druck und verlor immer mehr an Attraktivität. Und tut es weiterhin. Von Massenabfertigung ist da stets die Rede.

Das alte Hausarztmodell ist anscheinend ein Auslaufmodell. Das liegt an einer anderen work-life-balance der heutigen Mediziner, was unter anderem auch damit zusammenhängt, dass inzwischen 60 % Ärztinnen das Studium abschließen.

Österreich liegt bei der Ärztedichte in Europa an dritter Stelle. Es gibt also keinen Ärztemangel, nur sind die Ärzte nicht entsprechend eingesetzt.

Österreich war viele Jahre stolz auf sein Gesundheitssystem, das immer wieder als eines der besten der Welt bezeichnet wurde. Und das nicht zu Unrecht.

Um weiterhin diesen Spitzenplatz behaupten zu können, müssen endlich umfassende Maßnahmen und Reformen getroffen werden, die diesen Namen auch verdienen. Also Reformen, die nicht Verschlechterungen bringen, wie es zumeist der Fall ist.

Oder bloß auf Marketing hinauslaufen, wie die Patienten- und Funktionärsmilliarde. Oder blöder Polit-Sprech, wie es letzthin Hans Peter Doskozil mit seiner Zehnjahresregelung getan hat. Das alles bringt nichts.

In Österreich gibt es genügend hervorragende Fachleute und Experten, die das System auf ein zeitgemäßes Niveau bringen können. Man sollte solche Fachleute – ohne Öffentlichkeit – arbeiten lassen und nicht immer gleich jede Maßnahme in öder Manier zerreden.

Oft habe ich den Eindruck, dass in Österreich die ganze Energie dafür verwendet wird, aufzuzeigen, wie etwas nicht funktioniert. Wenn in den Fünfzigerjahren ein Jahrhundertwerk wie das ASVG möglich war, dann muss es doch heute auch möglich sein, unser Gesundheitssystem den modernen Anforderungen anzupassen und nach vorne zu bringen. Zum Wohle für uns alle!

Und das geht nur miteinander mit Kompromissen und nicht gegeneinander. Und vor allem Fachleute sollten daran arbeiten und nicht inkompetente Poltiker, die nur saloppe Sprüche loslassen wollen, um etwas Aufmerksamkeit zu erregen.

Note 1: Wenn ich mir die Berichterstattung im Fall „Teichtmeister“ anhöre und ansehe, dann kann ich nur von einer Hexenjagd gegen diese Person sprechen. Ich hoffe nur, dass all jene, die diesen Menschen verteufeln, auch mit derselben Wucht gegen eine Pornoindustrie vorgehen, die den Unterschied zwischen Kindesmissbrauch und der legitimen Darstellung sexueller Akte nicht beachtet. Auch denke ich mir: Was bleibt diesem Schauspieler noch anderes übrig, als sich umzubringen. Ob das der Sinn und Zweck einer Moral ist, die längst an Hysterie grenzt, will mir nicht einleuchten.


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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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