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Elias Schneitter
Glatzköpfe oder Blumenwiesen
Short Story

Der Held dieser Geschichte hatte nicht nur eine Macke in der Birne, sondern sollte auch wegen dieser mit dem Leben bezahlen. Mit dieser Feststellung, lieber Leser, wissen Sie auch schon den Ausgang der Story, sodass sie eigentlich gar nicht mehr weiterlesen müssten.

Dennoch, unser Held hatte also diese ausgeprägte Macke, eigentlich schon eine Neurose. Wenn man bedenkt, dass viele Menschen nichts haben, dann ist eine Macke zumindest schon etwas. Außerdem war er bereits in einem Alter, in dem es beinahe unausweichlich ist, eine Macke zu haben.

Seine Macke stand mit seiner Wohnsituation in Zusammenhang, denn er lebte in einer Wohnsiedlung mit Einfamilienhäusern mit unterschiedlich großen Vorgärten. Diese Gärten wurden nicht dafür genützt, um Gemüse, Salatköpfe, Gurken und Radieschen anzupflanzen, da diese ohnehin von den braunen Nacktschnecken aus Russland ratzeputz über Nacht aufgefressen worden wären, nein die Vorgärten waren allesamt Rasenanlagen und gegen Rasenanlagen gibt es leider immer noch keine braunen russischen Nacktschnecken, die diese ratzeputz auffressen würden.

Diese Rasenanlangen wurden vielmehr von allen Wohnungsbesitzern mit einer Akkuratesse gepflegt wie man sonst nur sein geliebtes Automobil pflegt, und um das Grün so säuberlich pflegen zu können, war ein höllischer Maschinenpark notwendig, mit dem man ohne weiteres auch die Gartenanlagen von Schloss Ambras hätte bearbeiten können.

Dieser Höllenlärm und dieser donnernde Maschinenpark, der da unentwegt zum Einsatz kam, trieben unseren armen Helden regelmäßig an den Rand des Wahnsinns. Kaum warf einer seinen Rasenmäher an, stieg sein Blutdruck in Dimensionen, die einen Schlaganfall unausweichlich zur Folge haben mussten. Aber viele Jahre sollte er überleben, in denen er den Kampf gegen diese Rasenpflege mit Zeitungsartikeln, dicken Büchern und Leserbriefen zubrachte und auch schon Anstalten traf, eine Terrorgruppe Kampf dem Rasenmäherwahnsinn zu bilden und für diese auch im Darknet warb, worauf er sofort Besuch von zwei Herren in dunklen Anzügen vom Staatsschutz erhielt.

Unser armseliger Held versuchte die beiden Geheimpolizisten auch noch davon zu überzeugen, dass Rasenanlagen ein Verbrechen seien, wider die Natur, dass Rasenmäher Guillotinen für Bienen, Insekten, Blumen wären und dass die zu Glatzköpfen gescherten Rasenanlagen vom Gesetzgeber sofort verboten gehörten und nur noch Blumenwiesen oder Gemüsegärten erlaubt sein sollten. Aber bei den Staatsschützern redete er natürlich gegen Bleiwände. Die beiden finsteren Herren vom Wiener Rennweg verabschiedeten sich mit einem Lächeln und auf der Straße meinte einer zum anderen, ganz in der Tradition des Wiener Schmähs, „A Deppeter“ und sie sparten sich sogar die Arbeit, einen Akt anzulegen.

Nun, wenn man sich das alles über unseren Helden anhört, nimmt es, wie bereits am Beginn der Geschichte angekündigt, nicht Wunder, dass er eines Tages beim unvermuteten Anblick eines frisch gemähten Rasens und beim gleichzeitig intensiven Duft des geschnittenen Grases in Ohnmacht fiel und verstarb. Jede Hilfe kam zu spät, und wenn man es realistisch betrachtet, verdankt der alte Recke den Rasenmähern und dem Höllenlärm sogar einen schönen Tod. 

Ein später Dank für all seine Bemühungen!

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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