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Elias Schneitter
Die Fremden brachten Wohlstand.
Notizen

Angeregt durch die Kolumnen von Alois Schöpf, der zweifellos ein Kenner des Tiroler Tourismus ist, will ich, als ausgewiesener Nichtexperte, meine Wahrnehmung zum Fremdenverkehr in unserem Land loswerden.

In meiner Kindheit und Jugend, also in den Sechzigern und Anfang der Siebzigerjahre, war für uns der Tourismus der Garant für Wohlstand, der unsere Heimat zum wirtschaftlichen Blühen gebracht hatte. So erinnere ich mich, wie wir von unseren Lehrpersonen stets darauf hingewiesen wurden, den Fremden freundlich zu begegnen.
Auch weiß ich noch, als sich durch unser Dorf im Sommer kilometerlange Autoschlangen – ich bin in Zirl, seit jeher ein wichtiger Verkehrsknoten, aufgewachsen – wälzten, Erwachsene und auch Kinder den Durchreisenden am Straßenrand Übernachtungsmöglichkeiten anboten.

Mit den Jahren wurde der Fremdenverkehr durch den Tourismus ersetzt. Der Verkehr wurde immer unerträglicher und so erhielten wir anlässlich von Olympia 76 eine nördliche Umfahrungsstraße Richtung Seefelder Plateau. Es gab verschiedene Projekte, eine Tunnelvariante, eine überdachte Lösung, aber es wurde die am schnellsten umsetzbare Variante gewählt, mitten durch das schönste Wohngebiet des Ortes. Häuser mussten abgerissen werden; heute kann man darüber nur fassungslos den Kopf schütteln. Auch kam es zur Autobahnumfahrung südlich von Zirl, sodass inzwischen die Urlauber oben und unten an unserem Ort vorbeidonnern. Inzwischen gibt’s keine Erholungssuchenden mehr bei uns, denn wer will schon seine Freizeit in einer Lärmhölle zubringen?

Ähnlich wie meinem Heimatdorf erging es der gesamten Inntalfurche und seither dürfen wir den europäischen Transitverkehr durch unser Land herzlich willkommen heißen. So hat sich der Tourismus immer mehr in die Seitentäler verlagert, wo er turbomäßig ausgebaut wurde und Gegenden, die sonst ausgestorben wären, mit Leben erfüllt.

Heutzutage bietet die Tourismusbranche für einheimische Arbeitnehmer wenig Attraktivität. Tirol hat neben dem Burgenland die niedrigsten Durchschnittslöhne. Inzwischen müssen aus ärmeren Drittländern Arbeitswillige herangekarrt werden, damit die Urlauber noch zu ihren Freuden kommen. Tiroler haben kaum noch Interesse, als Köche, Kellner, Servicepersonal etc. zu arbeiten. Hinzu kommt, dass die Saisonniers, die wenige Monate beschäftigt sind, die Sozialtöpfe über Gebühr belasten.

Zudem hängt dem Tourismus und seinen „Tal- und Seilbahnkaisern“ der Makel an, dass sie auf Teufel komm raus die Umwelt zerstören und an nichts weiter denken, als an ihre eigenen Geldsäcke.

Auch jetzt in der Pandemie haben einige Großhoteliers nicht gerade den besten Eindruck hinterlassen und ich bin erstaunt, dass man von den Seilbahn-Betreibern und Hoteliers kaum Klagen über Einbußen hört. Stattdessen hört man, dass sie mit den staatlichen Unterstützungen gut über die Runden kommen sollen und wie man auch sehen kann, wird in Gastronomiebetrieben heftig renoviert und umgebaut. Jedenfalls kann man gespannt sein, ob diese Branche, wenn es wieder darum gehen wird, Steuern zu bezahlen, auch so freudig ihren Beitrag leistet, wie jetzt, wo es ums Steuern kassieren geht. Aber Nehmen ist nun mal seliger denn Geben.

Neulich hat einer der Talkaiser in einem Interview der Landeszeitung sinngemäß gemeint, die Fortentwicklung des Tourismus solle ganz ihnen überlassen werden und die Politik möge sich tunlichst heraushalten. Wenn ich das höre, dann empfinde ich das als gefährliche Drohung. Gott behüte Tirol vor diesen abgehobenen Talkaisern.

Soweit meine völlig unwissenschaftlichen vorurteilsbehafteten persönlichen Eindrücke bezüglich des Tourismus heute in Tirol.

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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