Erich Hörtnagl
Diskriminierung von Männern in Schweden
Notizen

Ich bin als in Schweden lebender Regisseur und Kulturschaffender in die in letzter Zeit vehement aufgeflammte Debatte über Gender-Definitionen nicht nur theoretisch auf Diskussionsebene involviert, sondern auch von deren praktischen Auswirkungen massiv betroffen.

Es geht dabei grundsätzlich um Fragen, die ich gerne als meinen Beitrag zur Diskussion stellen möchte, wobei ich mir wünschen würde, damit nicht nur ein theoretisches, trendiges Geplänkel vom Zaun zu brechen, sondern eine Diskussion zu entfachen, die dazu ermuntert, das je eigene Rollenverhalten infrage zu stellen und somit zu neuen, modernen und gewaltfreien Einsichten über eine mir wirklich wichtige Herzensangelegenheit zu kommen: das äusserst komplizierte Zusammenspiel zwischen ”human beings”.

Du wirst nicht als Frau geboren, du wirst eine – konstatiert Simone de Beauvoir.
Dasselbe sollte wohl auch für den Mann gelten: du wirst nicht als Mann geboren, du entwickelst dich dazu. Oder trifft man etwa freiwillig die Wahl, ein Mann zu sein?

Oder geht es im ”Kampf der Geschlechter” vor allem darum, wie andere einen wahrnehmen? Geht es um Definitionen?

In Genderfragen zeichnet sich derzeit eine Verschiebung der Sichtweisen ab, die
in kurzer Zeit ohne angemessene Diskussionen hegemonial und universell Gültigkeit beanspruchen. Auf verschiedenen Ebenen wie z.B. im Sport, in der Medizin und vor dem Gesetz versucht man umzudenken, andere Wahlmöglichkeiten zuzulassen, auszuloten…

Was bedeutet jedoch ”eine neue (moderne) Sichtweise” bezüglich der Geschlechtszugehörigkeit? Welche Ideologie steckt diesmal dahinter? Wie kommt sie zum Ausdruck? Welche Konsequenzen führt sie mit sich?

Ist die Ansicht, dass das Geschlecht nichts mit dem Körper zu tun hat, sondern als Identität mit Eigenleben wahrgenommen werden muss, wirklich relevant und konsensfähig? Das biologische Geschlecht (mit z.B. Menstruation) versus das jeweilige Verhalten dazu: ist das lediglich eine Identitätsfrage, das Recht inkludiert, sich selbst frei geschlechtlich zu definieren – ohne Begrenzung durch die biologische Basis?

Doch wenn Geschlecht nicht Biologie ist, sondern die Vorstellung, die man von ihm hat, wird es zu einer Ansammlung von Begriffen und Diktaten. Nicht der Körper gilt, sondern die ”Männlichkeit”, aus der sich die Definition und damit die Wahrnehmung ergeben – also Persönlichkeitsmerkmale, die Männern zugeschrieben werden, mit allen sozialen Konsequenzen daraus und erwartbarem Verhalten: sind wir dann von Klischees abhängig, die definieren, was ein Mann zu sein hat – wie in alten Zeiten? Sind wir dann erst wieder nur Klischees unserer selbst?

Wie auch immer – keine der Sichtweisen sollte sich anmaßen, die Fundamente der Menschenrechte zu missachten, welche die Gleichberechtigung der Geschlechter einfordern. Und: Unabhängig von der jeweiligen Wahrnehmung des Geschlechts und der Debatte darüber – Diskriminierung ist immer falsch!

Das unmerkliche Hinübergleiten von Mann zu „männlich“ beunruhigt mich jedenfalls. Die Biologie ist doch die Basis, nicht das Verhalten!

Und vor allem beunruhigt die daraus abgeleitete Ausgrenzung, die derzeit Männer in Schweden im Kultursektor erleben, die aufgrund ihres Mannseins vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden und denen somit die Möglichkeit verweigert wird, mit ihren künstlerischen Ambitionen ihren Lebensunterhalt zu verdienen – insbesondere, wenn es sich dabei um „ältere“ (natürlich weiße) Männer handelt. Und dies, wie man bei Zurückweisungen einschlägiger Kulturinstitutionen immer wieder zu hören bekommt, um die Quotengleichheit anzustreben.

Ein „Gleichheits-Dogma“ also, das Diskriminierung zulässt, den Mann abweist und das „Männliche“ – wenn überhaupt – nur bei Frauen genehmigt!

Erich Hörtnagl

Erich Hörtnagl geb. 1950, lebt in Schweden und Tirol, arbeitet als Theater- und Filmregisseur und europaweit als Filmproduzent, einer der Gründungsväter des Tiroler Filmfonds Cine Tirol.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Martin Huber

    Lieber Erich!
    Sei froh, dass du nicht in Hollywood bist. Dort hätten wir beide heutzutage keine Chance mehr, auch wenn wir viel jünger wären. Du, weil du eben keine Frau bist, und ich, weil ich weder ein Farbiger noch ein Behinderter oder Homosexueller bin…
    (NEUE ZÜRCHER ZEITUNG vom 22.4.21: Wenn am Sonntag die Oscars verliehen werden, dann diskutiert auch Hollywood über Diversität. Die Identitätspolitik hat den Film erfasst: Homosexuelle sollten künftig nur noch von Homosexuellen gespielt werden, und die Rolle einer Autistin steht nur einer autistischen Schauspielerin zu… )
    Martin „Pipo“ Huber
    (früher mal Schauspieler, jetzt dank der Counter-Culture haupsächlich nur noch Rentner)
    PS: wenn trotzdem jemand mich nochmal spielen lassen will:
    https://martinpipohuber.jimdofree.com/

  2. Lieber Erich,
    ich meine: Gerechtigkeit ist nicht, wenn sich die Vorzeichen umdrehen. Gerecht ist ausschließlich Gleichberechtigung. Das impliziert aber auch, dass das/der/die Bessere vorne sein muss – UNABHÄNGIG VOM GESCHLECHT! Was zurzeit (ist besonders im Kulturbereich zu bemerken) geschieht, ist eine Art Revolution – und Revolutionen übertreiben immer und haben auch eine Neigung zur Diktatur.
    Es wird eine Weile so weiter gehen – so lange bis nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen darunter leiden werden. Denn wenn das beste Projekt einer Frau immer dem besten eines Mannes vorgezogen wird, auch wenn es schlechter ist als das beste des Mannes – wird die Qualität darunter leiden d.h. Qualität wird laufend nach unten nivelliert, da es unwahrscheinlich ist, dass Frauen generell besser sind als Männer – genauso wie Männer nicht generell besser sind als Frauen.
    Schöne Grüße
    Reinhard

Schreibe einen Kommentar