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Elias Schneitter
Der Sündenbock
Notizen

Vor wenigen Tagen habe ich die Rechnung von meinem Internet- und TV-Anbieter bekommen. Ich war etwas überrascht. Zehn Euro oder ca 20 % mehr als noch im Vormonat. Im ersten Monat dachte ich an einen Fehler und rief an.

Eine freundliche Stimme mit einigermaßen verständlichen Deutschkenntnissen klärte mich dann über die rapide Erhöhung auf: Es handelt sich dabei, meinte sie mit gebrochener Stimme, um die von der Regierung vorgeschriebene Indexierung von 8,5 %, die sie einheben müssten.

Diese Erklärung erheiterte mich und ich wollte nicht mich mit dem armen Telefonfräulein auf ein Gespräch einlassen, sondern ich sagte bloß:  Ich hoffe aber schon, dass die Erhöhung bei Magenta bleibt und nicht dem Staat überwiesen werden muss.

Sie reagierte darauf nicht.

Häufig wird in den Beisln und Cafés, in denen ich verkehre, über Politik diskutiert. Meist läuft das dann darauf hinaus, dass die Politik und die Politiker die Schuld für alles und jedes tragen, mit einem Wort: die politische Elite ist eine Horde selbstsüchtiger Nichtsnutze, die nur auf ihre eigene Tasche schauen.

Um ehrlich zu sein: Mir gehen diese politischen Diskussionen immer mehr auf die Nerven, aber manchmal stelle ich dann doch die Frage: Uns in Österreich geht’s ja sehr gut. Tragen an dieser Situation etwa auch die Politiker die Schuld?

Mit dieser blöden Bemerkung treffe ich meist auf wenig Zustimmung.

In der ganz großen Politik sitzen die wahren Großmeister des Die Anderen sind  schuld!

Da wäre einmal der Soziopath Donald Trump, dem sogar der Wahlsieg von den korrupten Demokraten gestohlen wurde. Auf der anderen Seite haben wir den wahnsinnigen Friedensengel aus Moskau, der vor afrikanischen Staatsoberhäuptern neuerlich behauptet hat, dass der Westen, die NATO und die USA den Ukrainekrieg zu verantworten haben und dann auch noch anfügte: Russland wurde vom Westen angegriffen und das Völkerrecht erlaubt ausdrücklich, dass wir uns verteidigen.

Schuld sind immer die Anderen. Eh klar. Wir alle haben noch den legendären Satz aus dem Jahre 1939 im Ohr: Seit 5.35 Uhr wird zurückgeschossen.


Note: Erheiternd finde ich, wie jetzt die Medien, allen voran die Krone und die Gratiszeitungen, dem neuen SPÖ-Chef irgendwelche vermeintlichen Verfehlungen bis zurück in seine Kindergartenzeiten vorwerfen. Das finde ich lustig und gleichzeitig wünsche ich mir dann immer nach dem Motto Aug um Auge, Zahn um Zahn, dass man auch einmal die Verfehlungen der Moral-Journalisten auflisten würde. Das wär sicher interessant.



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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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