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Elias Schneitter
Der Kunde ist König!

„Ich will alles und das sofort und zum niedrigsten Preis“, denn „wer zahlt, der schafft an“. Heute bestellen und morgen muss das Produkt schon zugestellt sein. Das scheint die Erwartung der überwiegenden Mehrheit der Kundschaft zu sein. Momentan läuft ja eine große Diskussion über den Online-Handel, vor allem rund um Amazon und ähnliche Anbieter.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als die ersten großen Lebensmittelketten aufgekommen sind und das Greislersterben (teilweise unter großem Wehklagen) einsetzte. Aber das änderte nichts daran, dass sich das Neue durchsetzte, denn die Struktur unseres Geschäftslebens funktioniert nach der Devise „fressen und gefressen werden“. So sperrten die kleinen Läden zu und die Lebensmittelketten nahmen deren Platz ein. Derzeit kann man feststellen, dass eine nächste Welle kommt. Online frisst Einzelhandel.

Denkt man an Amazon und seine Geschäftspraktiken, dann stellt sich für mich die Frage: Was sind die Hintergründe für diesen Erfolg? Da spielt die Globalisierung eine wichtige Rolle. Man zahlt dort seine Steuern, wo es am günstigsten ist. Dazu kommen Dienstverträge für Arbeitnehmer*innen (Gewerkschaften sind verboten), die so gestaltet sind, dass sie an Ausbeutung (pardon ob des veralteten Begriffs) grenzen, besonders wenn man auch die Situation der Zustelldienste in Betracht zieht.

Ich kann mich daher mit solchen Online-Portalen wie Amazon nicht sonderlich anfreunden. (Denke ich an meinem Kleinverlag BAES, will Amazon 53 % vom Verkaufspreis. Unter diesen Bedingungen kann ich getrost zusperren, was natürlich keinen besonderen Verlust für die Geschäftswelt darstellen würde.) Auch wundere ich mich, dass die Menschen (ich weiß, Corona) so auf diese Plattformen abfahren, wenn man bedenkt, dass sich damit die lieben Konsument*innen auch jenen Ast absägen, auf dem sie selbst sitzen. Den „großen Service“, den Online momentan bietet, werden wir zukünftig alle zu spüren bekommen. Bei den Gehältern und Löhnen, bei sterbenden Innenstädten und natürlich auch bei den Sozialleistungen. Aber das nehmen anscheinend alle gerne in Kauf, denn man denkt, „auf mich kommt es nicht an, und außerdem will ich einkaufen“, siehe oben.

Wenn ich hier Partei für den Einzelhandel ergreife, dann nicht, weil ich die Augen vor der Realität verschließe. Natürlich weiß ich, dass der Online-Handel die Zukunft bestimmen wird. Unser Wirtschaftssystem (das uns auch den Wohlstand gebracht hat) funktioniert nach dem Motto: immer mehr, immer größer, immer schneller. Das ist so.

Worum es mir geht, ist einfach nur, dass zwischen Einzelhandel und Online eine Wettbewerbsgleichheit (zumindest einigermaßen) hergestellt werden muss. Solange die Erfolge von Online-Anbietern auf Steuervorteilen und auf Kosten der Mitarbeiter*innen und Zustelldienste beruhen, tue ich, was ich als Einzelperson tun kann. Von der Politik verlange ich (und sie hat es ja schon auf ihrer Agenda), dass möglichst rasch eine einigermaßen gleiche Wettbewerbssituation geschaffen wird.

Und so lange heißt das für mich, dass ich weiterhin die analoge Variante (mit ganz wenigen Ausnahmen) bevorzuge und die Devise „leben und leben lassen“ beim Einkauf vorziehe.


Weiterführende Literatur auf Empfehlung von Prof. Dr. Andreas Altmann, Rektor MCI Innsbruck:

https://www.handelsblatt.com/politik/international/profit-durch-systemluecken-steuervermeidung-es-herrscht-streit-ums-zugriffsrecht/24480060.html?ticket=ST-17215910-WFETdWgJsVZ13rZXB1Sc-ap2
https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/international/2082539-Holpriger-Start-fuer-Amazon-in-Schweden.html
https://www.amazon-watchblog.de/marktplatz/2268-meinung-amazon-startet-schweden-alle-todgeweiht.html

Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. dr.eibel

    ich möchte das auch. annähernd gleiche wettbewerbsbedingungen. wobei ich mir vorteile für den einzelhandel wünsche. bestelle ich online, dann nicht bei amazon. bücher kann ich auch bei meinem ein paar gassen weiter geschlossenen buchhändler bestellen.

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