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Elias Schneitter
Das Bild des Tirolers in Wien
und umgekehrt
Notizen

Die Tiroler werden in Wien sehr wohlwollend aufgenommen. Das habe ich persönlich, der ich gut die Hälfte des Jahres in der Bundeshauptstadt verbringe, immer wieder erleben dürfen. Obwohl ich versuche, meinen Tiroler Dialekt so weit wie möglich zu unterdrücken, bedarf es zumeist nur einiger Laute und es heißt gleich, aha Tirola!, zumeist verbunden mit einem Schmunzler um die Mundwinkel.

Warum die Wiener den Tirolern so wohlgesonnen sind, weiß ich nicht genau. Aber ich vermute einmal, dass dies mit den üblichen Ingredienzien, die den Älplern zugeschrieben werden, zusammenhängt: stur, ehrlich, fleißig, etwas hinterfotzig und nicht unbedingt zu den Geistesgrößen zählend. Und die Klischees: Lederhose, Speckknödel, Almabtrieb, Gejodel, hohe Berge und dieser eigenartige Dialekt im Sinne von Geschorene (G´scherte) mit Kropf (Kchkch).

Im Gegensatz zum Bild der Tiroler in Wien ist das Bild der Wiener in Tirol von einer sehr kritischen Einstellung geprägt. Früher war Wien eben der Wasserkopf, wobei die Wiener Bürokratie an allen politischen Widrigkeiten Schuld trug, ehe inzwischen Brüssel diesen Platz eingenommen hat.

Grundsätzlich verfestigt hat sich das Bild des Wieners in Tirol spätestens seit der Kultserie mit Mundl Sackbauer Ein echter Wiener geht nicht unter. Seither ist der Wiener ein saufender Prolet. Dieses Bild hat dann besonders Elisabeth Spira mit den Alltagsgeschichten erhärtet, eine Sendereihe, in der die sogenannten kleinen Leuten regelrecht vorgeführt wurden: Im Tröpferlbad, im Waschsalon, beim Würstlstand, am FKK-Strand, beim Heurigen. Und stets saufend und Blödsinn redend. Diese Porträts waren für den Zuseher sehr unterhaltsam, man konnte sich über die vertrottelten Wiener lustig machen.

Anscheinend wird dieses Klischee vom ORF auch weiterhin aufrechterhalten. Neulich war wieder einmal die Sendung Am Schauplatz am Programm und man zeigte, wer und was sich am berüchtigten Reumannplatz herumtreibt. Da waren ausschließlich Wahnsinnige, Kriminelle, Drogensüchtige und depperte Trunkenbolde zu sehen.

Nun weiß ich aus eigener Erfahrung, dass all diese Klischees nicht der Realität entsprechen. Aber es ist halt lustig, seinen Vorurteilen zu frönen und andere als asoziale Trottel zu sehen.


Note: Erhebende Kirchenmusik zu Pfingsten.

Manchmal erlebt man auch in der sogenannten Kultur-Provinz wunderbare Sternstunden, wie es mir zuletzt am Pfingssonntag bei der Messe in meiner Heimatgemeinde Zirl ergangen ist. Unsere Pfarrkirche verfügt über eine großartige Akustik, und der einheimische Kirchenchor unter der Leitung von Walter Kirchmair lief zu seiner Höchstform auf. Am Programm stand J.S. Bach Wer nur den lieben Gott lässt walten, die Orgelsolomesse KV 259 von Wolfgang Amadeus Mozart und das Stück Da pacem Domine von Arvo Pärt. (Solostimmen: Sopran Theresa Lackner, Alt Evi Wenter, Tenor Martin Pfurner, Bass Martin Plangg)

Die Leistung des Ensembles war ein Hochgenuss für die zahlreichen Besucher der Messe, die sich am Schluss mit anhaltendem Applaus bedankten. Das Konzert ist übrigens auch auf Youtube abrufbar.

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Elias Schneitter

Elias Schneitter, geb. 1953, lebt in Wien und Tirol. Zahlreiche Publikationen. Zuletzt der Erzählband „Fußball ist auch bei Regen schön“ (Edition BAES), der Roman „Ein gutes Pferd zieht noch einmal“ (Kyrene Verlag) und der Gedichtband „Wie geht’s“ in der Stadtlichter Presse, Hamburg. Daneben Tätigkeit als Kleinverleger der edition baes (www.edition-baes.com), wo ein Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Literatur aus der US-amerikanischen Subkultur gelegt wird. Schneitter ist Mitbegründer und Kurator beim internationalen Tiroler Literaturfestival „sprachsalz“ (www.sprachsalz.com) in Hall.

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