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Egyd Gstättner
Der arme Krampus
Short Story

Berührende Szenen spielten sich unlängst am Landesgericht Klagenfurt ab. Mit Tränen in den Augen zeigte ein Oberkärntner Krampus der Richterin Bilder aus besseren Tagen, Bilder von seinen Sammlerstücken, Bilder von Raritäten, wertvollen Einzelstücken, Bilder von seinen eindrucksvollen Krampusmasken, die er über Jahre hinweg von seinem hart Ersparten erworben hatte. 

Neunundzwanzig Exemplare waren es gewesen, jetzt waren es nur noch drei! Dahin! Dahin! Immer wieder musste er ohnmächtig zusehen, wie seine Masken im Internet um 3500 Euro verkauft werden, heulte der Krampus nun hemmungslos.

Wie kam es denn dazu, fragte die Richterin. Was war geschehen? Fünf Jahre lang hatte er mit seiner fünfundzwanzigjährigen Lebensgefährtin Maggie – und mit deren zehnjährigen Tochter zusammengelebt, erzählte der Krampus, der von Beruf Zimmermann wie der Vater von Jesus war, der Richterin. 

Dann wurde ich wegen ein bisserl Gewalt weggewiesen. Was soll ich sagen, Eurer Ehrenin, so ein kleines Gewalterl ist ja milieuimmanent, gewissermaßen eine Berufskrankheit! Maggie ist ja auch keine Heilige! Haben Sie einmal nachgerechnet, wann die Mutter geworden ist? Ja gut, ich sage ja nichts. Jedenfalls: Ich ging. Eine Krampusmaske habe ich mitgenommen. Die übrigen achtundzwanzig musste ich im gemeinsamen Schlafzimmer zurücklassen: Ich konnte sie wegen des Annäherungsverbotes ja nicht abholen!

Dann hörte ich Gerüchte, dass Maggie mich vermisse, und ich war guter Dinge, bald wieder bei ihr zurück zu sein. Sie hatte mir versprochen, gut auf die Masken aufzupassen. Doch dann sah ich mitten in der Stadt zufällig einen Mann mit einer meiner Krampusmasken unterm Arm. Teufel noch einmal! Ich forschte nach, und bald bestätigte sich mein schrecklicher Verdacht: Bis auf drei waren alle achtundzwanzig Krampusmasken verkauft worden. Ein Wahnsinn! Wer sie wann wem verkauft hatte, konnte ich nicht mehr recherchieren. Ich bin fertig!

Dass ich mich nach meinem Ex gesehnt hätte, ist ein Gerücht, gab die wegen Veruntreuung angeklagte und bereits zweifach vorbestrafte Maggie vor der Richterin an. Aber ich fürchtete mich, ich hatte panische Angst allein im Schlafzimmer mit achtundzwanzig Krampusmasken! Es war die Hölle! Wissen Sie, mein Ex hatte bei mir Schulden, daher habe ich zwei Masken für 2000 Euro verkauft. Die restlichen gab ich einem Bekannten zur Aufbewahrung, damit ich wieder schlafen konnte. Mein Ex hatte sie ja nie abgeholt. 

Die Richterin verrollte die Augen. Sie haben Exekutionen laufen. Sie haben bis auf ein halbes Jahr nie gearbeitet. Sie beziehen Notstand. Wie wollen Sie Ihrem Partner da Geld geborgt haben? 

Och, das geht schon, wiegelte die Angeklagte ab, nicht ohne sich bei ihren Aussagen freilich in Widersprüche zu verstricken. Außerdem lastete auf ihr noch ein anderer Vorwurf, nämlich einen Zeugen angerufen zu haben, um ihn zu einer Falschaussage zu bewegen. 

Zur Einvernahme dieses Zeugen wurde die Verhandlung auf 21. Dezember vertagt. Fröhliche Weihnachten! Zurück bleibt ein armer Teufel, der weiß, wie immer das Urteil gegen seine Ex auch ausfallen wird, er würde kein Geld und keine seiner achtundzwanzig wertvollen Krampusmasken jemals wiedersehen. Er war ein gebrochener Zimmermann, das Böse würde obsiegen!

Eine Tragikomödie! – dachte der Redakteur vom Gericht in die Redaktion zurückgekommen, nachdem er seinen Artikel in den PC geklopft hatte. 

Ein bisschen Ablenkung brachte ihm seine Arbeit immerhin: So musste er wenigstens nicht rund um die Uhr an seine Frau denken, eine zweiundfünfzigjährige Ärztin aus Unterkärnten, deren Praxis seit einem halben Jahr geschlossen war. Sechs Chemotherapien hatte sie jetzt hinter sich! Nach Weihnachten möchte sie die Praxis wieder aufsperren, es hilft ja nichts. Aber für wie lange?


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Egyd Gstättner

Egyd Gstättner (* 25. Mai 1962 in Klagenfurt) ist ein österreichischer Publizist und Schriftsteller. Egyd Gstättner studierte an der Universität Klagenfurt Philosophie, Psychologie, Pädagogik und Germanistik. Schon während des Studiums begann er mit Veröffentlichungen in Zeitschriften wie manuskripte, protokolle, Literatur und Kritik oder Wiener Journal. Seit seiner Sponsion 1989 lebt er als freier Schriftsteller in Klagenfurt, wo er zahlreiche Essays u. a. für die Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, Die Presse, Falter, Kurier und Die Furche verfasste. Besonders bekannt wurde er im Süden Österreichs mit seinen Satiren in der Kleinen Zeitung. Darüber hinaus schrieb und gestaltete er Features für die Österreichischen Radioprogramme Ö1 und Radio Kärnten sowie für den Bayerischen Rundfunk.1993 wurde er zum Dr. phil. promoviert. 1990 erschien die erste eigenständige Buchpublikation („Herder, Frauendienst“ in der „Salzburger AV Edition“). Bis 2018 wurden insgesamt 34 Bücher Gstättners bei Zsolnay, Amalthea, in der Edition Atelier und seit 2008 im Picus Verlag Wien publiziert. Seit 2016 hat er einen zweiten Wohnsitz in Wien. Gstättner ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter.

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