Bettina Maria König
Die Liebe - wiedergefunden!
Fortsetzungsroman

Was bisher geschah:
Die Landpomeranze Alma sucht, assistiert von ihrer BFF Bea, nach der großen Liebe. Die findet sie weder bei Viktor noch beim charmanten Hallodri Ben. Und schon gar nicht bei ihren Verehrern Pepe, Franz, Luca und Serge. Denn sie will eigentlich nur einen: den Architekturstudenten Julian. Der ist sich aber nicht sicher, ob er überhaupt eine Beziehung mit ihr eingehen möchte. Alma flieht nach Wien und heiratet den wohlhabenden Langweiler Franco, der sie zwar anhimmelt, aber niemals angreift. Das Buchprojekt, auf das sich Alma nun stürzt, hat leider keinen Erfolg. Und ihre Ehe auch nicht, denn sie erwischt den scheinbar asexuellen Franco im Bett mit seiner Sekretärin. Es folgt die nächste Flucht zurück nach Innsbruck, wo sie nun endlich zumindest mit ihrem Buch punkten kann.

Ich weiß nicht, ob Sie wissen, werte Leserschaft, wie es sich anfühlt, ein eigenes Buch nicht nur geschrieben, sondern auch veröffentlicht zu haben. Vielleicht eher nicht, nehme ich an. Ich kann Ihnen versichern: Es ist ein wunderbares Gefühl! Und es bewegt sich irgendwo zwischen Ungläubigkeit und Triumph. Spätem Triumph, in meinem Fall. Jetzt nicht, was das Alter betraf. Dafür war es – verglichen mit meinem heutigen Alter – wohl doch noch etwas zu zart. Es war sozusagen ein Performance-bezogen später Triumph.

In den Wochen nach der Veröffentlichung lebte ich in einer Art Trance. Alles kam mir so unwirklich vor, und ich nahm die Gratulationen meiner Freunde wie hinter einem großen Wattebausch wahr: Bea, die etwas von „gar nicht so übel, meine Süße“ in ihren nicht vorhandenen Bart murmelte; Serge, der mich enthusiastisch zu einem Besäufnis einlud, bei dem er mich immer wieder bei den Schultern packte, schüttelte und „du kleinesä Genie du!“ rief; meine Mutter, die vor Stolz platzte, obwohl ich nicht mehr verheiratet war…

Ich wäre auch schon damit zufrieden gewesen, das Buch ab und zu in die Hand zu nehmen, mit den Fingern über den Einband zu streichen und meinen Namen am Einband zu lesen. Oder damit, in irgendein beliebiges Buchgeschäft zu gehen und nach dem Roman zu fragen. Nur, um dann zu sehen, wie die Verkäuferin es herantrug und mir in die Hand drückte. Vielleicht sogar noch mit der Bemerkung: „Ja, das ist ganz nett! Ich habe es auch gelesen und kann es ihnen nur empfehlen!“. Mein Buch! Gefüllt mit meinen erlebten oder auch weniger erlebten, aber jedenfalls immer absolut mitgefühlten Geschichten!

Niemals in meinen kühnsten Träumen hätte ich damit gerechnet, dass dieses Buch auch noch Erfolg haben könnte. Als mich meine Lektorin anrief, um mir zu sagen, dass die Verkaufszahlen für einen Erstling erfolgversprechend seien und man mit einer Lesetour deshalb noch eins draufsetzen wolle, um die Entwicklung weiter zu befeuern, war ich vollkommen außer mir. In der eiligst einberufenen abendlichen „Filou“-Sitzung mit Bea malten wir uns wie in alten Zeiten aus, wie ich als mondäne Bestsellerautorin durch die Welt gondeln und meine Autoreneinkünfte in Aufenthalte in Fünf-Sterne-Hotels und Einkäufe in edlen Boutiquen und Juwelierläden investieren würde. Tja, wie naiv ich doch war.

Dass man von einer Buchveröffentlichung wohl kaum reich wird, war mir an jenem Prosecco-getränkten Abend noch nicht klar. Was aber klar war: Egal, wie das hier ausgehen würde – für mich hatte sich jetzt schon ein Lebenstraum erfüllt, ich war durch und durch glücklich und auch Bea schien sich von ganzem Herzen mit mir zu freuen. Vielleicht freute sie aber auch nur die Aussicht darauf, von den Autoreneinkünften mitzuprofitieren.

So eine Lesetour ist etwas ziemlich Anstrengendes, überhaupt, wenn man schon langsam auf die 25 zugeht – zartes Alter hin oder her. Der Verlag ließ mich durch das ganze Land tingeln, und ich hätte niemals geahnt, dass Österreich über so viele Buchhandlungen, Lesezirkel und Bibliotheken verfügt. Natürlich war meine Begeisterung zunächst hoch, von mir (oder doch eher von meiner Lektorin) ausgewählte Textstellen schön plakativ vor Publikum vorzutragen. In den ersten Wochen experimentierte ich auch eifrig mit Betonung und Tonlage und mit meinem Gesichtsausdruck, was manchmal unfreiwillig komisch gewirkt haben muss. Und ich freute mich über die vielen neugierigen und wohlwollenden Gesichter, die sich nach der Lesung um mich drängten, um ein Exemplar meines Romans zu erstehen und mich um eine persönliche Widmung zu bitten. Ich muss aber gestehen, dass mein Enthusiasmus mit der Zeit doch etwas nachließ und einer gewissen Routine wich. Irgendwann fingen die Locations an, sich zu ähneln, und auch die Menschen, die mich um ein Autogramm baten, sahen nach einigen Wochen alle gleich aus.

Alle, bis auf einen. Es war in Wien, in einer Buchhandlung in der Innenstadt, und ich signierte gerade wieder wie am Fließband. Band um Band wurde mir in die Hand gedrückt mit Namensangabe, und ich schrieb und schrieb. Und wieder mein aufgeschlagener Roman vor mir.
„Für Julian, bitte!“, sagte eine mir wohl bekannte Stimme. Eine Stimme, die ich unter Tausenden erkannt hätte. Leise, weich, samtig. Ich blickte auf und sah geradewegs in Julians dunkle Augen mit dem unverkennbar schrägen Schnitt und den langen Wimpern.
Ich zuckte unwillkürlich zusammen und versuchte gleichzeitig, das zu verbergen, als ich das amüsierte Lächeln sah, dass Julians Lippen umspielte. Er war wirklich ein Meister der Überraschungsmomente…

Schon hatte ich mich wieder im Griff und signierte mit betont lässigem Strich sein Buch. Als ich es ihm wieder reichte, stand da: „Für meinen Freund Julian. Noch nie einen Mann getroffen, der so schwer loszuwerden war.“. Er las und brach in herzhaftes Lachen aus.
„Da kannst du rechthaben“, meinte er und sah mich durchdringend an.
Hinter ihm wurde ein Murren laut. „Gehn’S weider!“, forderte er halblaut.
Julian drehte sich kurz um, dann zog er – mit Blick auf die Schlange hinter sich – eine Visitenkarte aus der Jackentasche und reichte sie mir.
„Ich würde sonstwas geben, um dich wiederzusehen“, sagte er und sah mich unverwandt an. „Sogar diesen Roman hier!“ – er zeigte auf das signierte Buch in seiner Hand – „und das heißt was!“.
Ich musste lachen.
„Ruf mich unbedingt an, ja!?“, hauchte er mir ins Ohr, als er sich vorbeugte, um mir einen Kuss auf die Wange zu geben. Mir wurde kurz schwindlig, aber Julian war schon wieder verschwunden.
Ob ich an diesem Abend noch alle Widmungen korrekt wiedergab, die mir von den Besuchern so zugerufen wurden, bin ich mir nicht sicher. Wie immer hatte es Julian geschafft, mich gründlich zu verwirren.

Später im Hotelzimmer studierte ich seine Visitenkarte. Sie gehörte zu einem Architekturbüro, das seinen Namen trug. Tatsächlich hatte mir Bea einmal erzählt, sie habe gelesen, dass Julian in der Szene mit einem Projekt einigermaßen Furore gemacht habe und nun sozusagen als „junger Wilder“ der Architektur in Österreich gelte. Das war aber lange her, in meinem vorigen Leben mit Franco, als ich wohlweislich alles verdrängte, was mit Julian zu tun hatte. Nun aber fiel es mir wieder ein, und ich hatte plötzlich total unsinnigerweise einen Anflug von Stolz auf meine alte, große Liebe.
„Ich wusste es immer schon, dass er etwas Besonderes ist“, schoss es mir durch den Kopf. Und auf einen Schlag waren wieder diese blöden Flatterviecher in meinem Bauch. Keine Ahnung, wo sie sich die ganze Zeit versteckt hatten; während meiner Ehe hatten sie wohl Winterschlaf gehalten.

Zwei Tage und drei Lesungen später war ich weichgekocht. Als ich am späten Nachmittag in mein Hotel zurückkam, konnte ich nicht anders, als den Telefonhörer zur Hand zu nehmen und Julians Nummer zu wählen. Beim dritten Läuten ging er dran und schien gar nicht überrascht über meinen Anruf, was mich ein bisschen wütend machte. Fast hätte ich wieder aufgelegt, aber die alte Faszination seiner Stimme hielt mich davon ab. Wir plauderten ein bisschen, gewollt unverfänglich, als seien wir alte Schulfreunde. Gleichzeitig aber war sonnenklar, dass jeder von uns genau wusste, dass die Anziehungskraft von früher immer noch da war, stark wie eh und je. Als wir auflegten, hatten wir uns für einen Drink verabredet, etwas später am Abend.

Ich warf den Inhalt meines Koffers auf das Bett und war verzweifelt: Nichts, aber auch gar nichts, was da lag, war auch nur annähernd geeignet für ein Treffen mit Julian. Ich warf meinen Trench über und stürzte aus dem Zimmer und in den nächsten Laden. Dort erstand ich nach einigem Hin und Her ein wunderschönes, knallrotes, sexy Kleid, in dem ich laut Verkäuferin „einfach unwiderstehlich“ aussah. Natürlich wusste ich, dass Verkäuferinnen grundsätzlich nicht zu trauen ist. Sie hätte denselben Satz auch einem Rhynozeros gesagt, wenn es sich in das Kleid gezwängt hätte. Aber irgendwie fand ich mich in dem Fummel selbst unwiderstehlich. Triumphierend kehrte ich in mein Hotelzimmer zurück und machte mich mit großer Sorgfalt zurecht. Alles sollte stimmen: Haare, Make-up, Duft. Und dazu das rote Kleid.

Als ich aus dem Taxi stieg, wartete er schon vor der Tür des Lokals. Sein Blick verzehrte mich, und das war der nächste Triumph für mich. Er führte mich zu einem reservierten Tisch in einer etwas abgelegenen Nische und bestellte Champagner. Teuren Champagner. Ich stutzte.
„Willst du mein Buch feiern oder hast du grad ein lukratives Geschäft abgeschlossen?“, fragte ich.
„Weder noch“, antwortete er.
„Auf was stoßen wir dann an?“, bohrte ich nach. Aber Julian lächelte nur geheimnisvoll und legte den Finger auf den Mund.
„Später. Wart’s ab“, meinte er nur.
Abwarten ist nun nicht gerade meine Stärke, wie der geneigte Leser und die geneigte Leserin vielleicht bereits wissen werden. Und je mehr man mich von etwas ablenken will, umso mehr stößt man mich darauf.

Nach einigen Sätzen Smalltalk, während dem ich fast platzte vor Ungeduld, kam endlich der Kellner und baute umständlich Gläser, Eiskübel und Häppchen vor uns auf. Dann öffnete er die Flasche mit einem leisen Ploppen, genauso wie es sich gehört, und goss ein. Dann zog er sich diskret zurück.

Julian und ich stießen an, und als ich das Glas zurückgestellt hatte, ergriff Julian meine Hand in der Luft.
„Alma“, setzte er an, „ich bin so glücklich, dich wiederzusehen! Und ich freue mich unsäglich, dass du mir bei der Lesung keine über den Schädel gehauen hast, sondern eingewilligt hast, mich heute zu treffen!“.
Und wieder brachte er mich zum Lachen. Ich liebe es, wenn mich Männer zum Lachen bringen. Dennoch war etwas in seiner Stimme, was mich unerklärlicherweise beunruhigte.
„Ich habe dich nie vergessen können, und ich glaube, du mich auch nicht. Nein – ich weiß es. Sonst wärst du jetzt nicht hier, sondern hättest du mich zum Teufel geschickt.“
Ich wollte natürlich sofort widersprechen, aber dieses Mal legte er mir den Finger auf den Mund.

„Ich liebe dich Alma, ich habe nie damit aufgehört. Und ich war ein Idiot! Das ist mir jetzt klar. Ich weiß, es war unverzeihlich, dass ich mich nie für dich entscheiden konnte. Aber jetzt bin ich bereit. Ich bin bereit, für immer zu dir zu stehen. Und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dich zu heiraten. Und…und ich…“ – jetzt stockte er und sah zu Boden – „ich will ein Kind von dir haben!“.

Ich sah ihn mit großen Augen an. Das war das Letzte, was ich mir in diesem Moment von Julian erwartet hätte. Und noch viel weniger hatte ich mit dem gerechnet, was jetzt kam: Julian ging langsam und mit einer sehr eleganten Bewegung vor mir auf die Knie. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Genau von so einer Szene hatte ich jahrelang geträumt. Alle jungen Mädchen wünschen sich so etwas, aber normalerweise sieht man diese Art von männlichen Kniefällen nur im Kino.

Ich rieb mir ungläubig die Augen, denn nun zog der kniende Julian eine kleine Schachtel aus der Jackentasche – ich hatte ein etwas unangenehmes Déjà vu – öffnete es, und streckte mir das geöffnete Kleinod entgegen. Mittlerweile war ich ja Profi in solchen Dingen: Das war eindeutig ein Verlobungsring.

Meine Beunruhigung stieg, und irgendetwas begann sich in meinem Bauch zu regen. Die Schmetterlinge waren es aber nicht. Die waren in dem Moment verstummt, in dem Julian auf die Knie gegangen war.
„Alma“, sagte Julian feierlich, „willst du meine Frau werden?“.
Die Regung in meinem Bauch wurde stärker, und mir wurde klar, dass es Übelkeit war. Ich unterdrückte den Impuls mit Gewalt und versuchte, mich auf die Situation zu konzentrieren. Da lag die Liebe meines Lebens vor mir auf den Knien. Mit einem Verlobungsring in der Hand. Und er wollte mich heiraten und eine Familie mit mir gründen – na, das volle Programm halt! Also das, für was ich früher mein Augenlicht gegeben hätte. Früher… Und jetzt? Wollte ich das immer noch?

Das Denken fiel mir schwer und ging Julian wohl zu langsam, denn er fing an, unruhig auf seinen Knien hin und her zu rutschen.
„Alma!“, erinnerte er mich deshalb etwas ungeduldig an seine Anwesenheit, „ich habe dich etwas gefragt!“.
Ich hörte seine Worte wie aus weiter Ferne, denn vor meinem inneren Auge lief gerade ein Film ab. Julian, der dauernd abhaut. Julian, der nie erreichbar ist. Julian, der mich immer genau dann im Stich lässt, wenn ich ihn brauche. Julian, der zu egoistisch ist, um mich wirklich zu lieben. Es war wie im Kino, wenn die Heldin in verschwommenen Rückblenden ihre Vergangenheit reflektiert.

Dann war der Film plötzlich zu Ende. Und ich sah alles sonnenklar. Ich stand auf und blickte auf Julian herab. So von oben sah er nun fast ein bisschen hilflos aus. Langsam schüttelte ich den Kopf.
„Es tut mir leid, Julian“, sagte ich leise. „Ich kann das jetzt leider nicht mehr. Früher hätte ich das gewollt. Aber du kommst zu spät. Sorry…“

Dann drehte ich mich um und verließ das Lokal. Draußen blieb ich einen Moment stehen und atmete die frische Nachtluft ein. Sie roch nach Freiheit.

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Bettina Maria König

Bettina König wuchs als Tochter eines tüchtigen Apothekers im sehr fernen Außerfern auf, wo es ihr aber bald zu kalt und provinziell wurde. Sie flüchtete nach Innsbruck und mutierte via Studium zum Dr. phil., um postwendend in die Riege der „Tirol Werber“ aufgenommen zu werden. Als das Bedürfnis nach Wärme noch größer wurde, nahm sie eine Stelle als Presseverantwortliche in Bozen an – nicht ahnend, dass es dort mit der Provinzialität noch schlimmer bestellt ist als im heimatlichen Reutte. Dem Berufsbild des professionellen Schreiberlings treu bleibend, durchlief sie in Südtirol mehrere Positionen und war zwischendurch auch freiberuflich als PR-Fachkraft, Journalistin und Texterin tätig. Das Bedürfnis nach kreativem Schreiben befriedigte sie unter anderem durch die Herausgabe eines Kinderbuchs („Die Euro-Detektive“) für eine Südtiroler Bank. Derzeit zeichnet sie für die Unternehmens-Pressearbeit von IDM Südtirol verantwortlich, hat die kreative Schreiblust aber immer noch nicht gebändigt. Zwei erwachsene Kinder.

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