Helmuth Schönauer
Sende-Margarine
Stichpunkt

Sogenannten Hellhörigen ist es schon aufgefallen: Ö1 ist durch die Sendungsmacher ausgedünnt worden, indem man die Verdoppelung der Sende-Wörter eingeführt hat.

Das primitive Gendern durch Verdoppelung der Wörter (Schüler-Schülerinnen, Pensionisten-Pensionistinnen, Bundesminister-Bundesministerin) hat zu einer Verkürzung der Texte geführt.

In einem gegenderten Text lässt sich eben nur mehr Zweidrittel von dem darstellen, was man früher ungegendert hat sagen können.

Ein bisschen erinnert dieser Sende-Usus auf Ö1 an die vom Konsumentenschutz geprügelten Firmen, die in einer gleichgroßen Verpackung von früher ein Drittel weniger einpacken.

Am Augenscheinlichsten ist das bei Margarine, wo in der aktuellen Streich-Schachtel ein schöner Batzen weniger drin ist. Wer etwa mit Margarine paniert, wundert sich, dass ein Drittel des Schnitzels verkohlt, weil zu wenig Margarine in der Pfanne ist.

Zum Glück hat die Alpenmetzgerei beim M-Preis das ausgewogen, indem sie das Minutensteak ebenfalls verkleinert hat. Man kann also mit der reduzierten Menge von Margarine das reduzierte Minutensteak bei vollem Preis voll durchbraten.

Zurück zu Ö 1, das wie die Margarine schrumpft, indem man einfach die Wörter verdoppelt.

Einem ersten Relaunch-Entwurf zufolge soll das vor allem bei Wörtern aus der Gegenwartsliteratur erfolgen.

Zumindest erweckt die aufgeregt herumkursierende Protestliste diesen Eindruck, die von jener Handvoll Autorinnen-Autoren unterzeichnet ist, die im ORF gesendet werden und jetzt um ihre Wort-Pfründe fürchten.

Und auch die Zuhörenden sind deshalb aufgerufen, gegen diese Verkürzung der Semantik auf Ö1 zu unterschreiben.

Freilich ist die Zahl der Besorgten überschaubar, denn ein mit dünnen Worten operierender Sender reißt die wenigsten vom Hocker oder gar hin zu einem Schreibtisch, um eine Resolution zu unterschreiben.

Die meisten sagen ohnehin, dass es ihnen egal ist, was im Zwangssender gesendet wird, denn für den GIS-User kostet es immer gleichviel, ob man Musik oder Wort hört.

Vielleicht gibt es einen Kompromiss, indem man einfach sagt, wer gendern will, wird gekürzt, wer alte Fügungen will, wie die Gedichte aus „Du holde Kunst“, kriegt nach wie vor das volle Programm. Inflation hin oder her!

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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