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Alois Schöpf
Düstere Zeiten
Apropos

Während ich das schreibe, ist noch goldener Herbst, der trotz Messrekorden und Klimaerwärmung schlichtweg wunderbar war. Wenn Sie den Artikel lesen, hat sich wahrscheinlich schon der Winter gemeldet und die düsteren Zeiten bis zur Wintersonnenwende beginnen.

Leider bringt in letzter Zeit nicht nur der Ablauf der Jahreszeiten viel Düsternis. Als ich unlängst in einer Zeitschrift die Fotografie einer Frau sah, der die Jugend nur so aus den Augen lachte, befiel mich plötzlich das nostalgische Verlangen, mit dem, was ich durch mein Alter alles weiß und erfahren habe, noch einmal jung zu sein.

Leider endete die Träumerei ziemlich rasch. Ich musste mich nämlich fragen: Willst du das wirklich? Willst du wirklich noch eine Zukunft von sechzig und mehr Jahren vor dir haben? Was für eine Zukunft?

Eine Zukunft der Erderwärmung, der Massenmigration, des Kampfes um Ressourcen? Eine Zukunft mit Kriegen gegen verrückte Diktatoren? Mit bürgerkriegsähnlicher Gewalt zwischen sich gegenseitig immer radikaler hassenden Gesinnungsblasen?

Aus heutiger Sicht ist unser aller Zukunft nicht berauschend. Und der einzige realistische Trost besteht darin, dass wir nicht so sehr Opfer katastrophaler Entwicklungen sein werden, sondern Opfer einer Zeit sind, in der man am Markt der Aufmerksamkeit nur noch überlebt, wenn man am fantasievollsten die Ängste schürt. Dass es vielleicht also doch nicht so schlimm kommt!

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 05.11.2022



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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Dagmar Eder

    Guten Morgen, Herr Schöpf !
    Vielen älteren Menschen geht’s ebenso , und mir auch !
    Ich versuche, bis zum Finale sinnvoll zu leben .
    Schönes Wochenende!

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