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Alois Schöpf
Altlinke Heiligenlegenden
Wie die Großen der Vergangenheit missbraucht werden,
um die Staatskunst von heute
als bedeutend und widerständig
erscheinen zu lassen.

Manchmal dauert es, bis man etwas durchschaut. Bei mir dauerte es, bis ich Herbert Lackners bei Ueberreuter 2023 erschienenes Buch Als Schnitzler mit dem Kanzler stritt. Eine politische Kulturgeschichte Österreichs gelesen habe.

Lackner war bis zum Jahr 2015 Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Profil. Mein Buch Wenn Dichter nehmen. Über das Vorlass-Kartell. Essay, in dem ich mich mit den von korrupten Gutachtern, die im Sinne des Gesetzes keine sind, errechneten Millionenbeträgen an Steuergeldern auseinandersetzte, die an die österreichischen Hofdichter für ihre im Wert krass überschätzten Nachlässe zu Lebzeiten, sprich Vorlässe, ausgeschüttet wurden, erschien im Jahre 2014.

Im Vorfeld der Niederschrift hatten der Verlag und ich selbstverständlich die Medien von dem Projekt informiert, worauf sich erfreulicherweise auch das auf die Aufdeckung korrupter Vorgänge spezialisierte Profil in Gestalt eines gewissen Herrn Paterno bei mir meldete und Interesse zeigte. In Folge wurde ihm das druckfrische Buch zugesandt. Das war dann aber auch schon alles. Auf Nachfrage teilte Herr Paterno mir mit, dass er die Problematik Vorlass noch genauer studieren müsse.

Heute, zehn Jahre später, ist mir klar, warum dem so sein musste. Die tüchtigsten Abkassierer öffentlicher Gelder für ihren Vorlass, die in meinem Buch entsprechend gewürdigt wurden, waren nämlich zum damaligen Zeitpunkt Peter Handke und Peter Turrini, wobei ersterer sich als noch tüchtiger erwies, insofern er seine Hinterlassenschaften zwischen Marbach in Deutschland und der Nationalbibliothek in Wien aufteilte, von der er dann 700.000 Euro überwiesen bekam.

Turrini wiederum vermachte seine Zettelwirtschaft auf Vermittlung seines Freundes Landeshauptmann Erwin Pröll dem Land Niederösterreich, schön in einem Bücherregal in Aktenordnern gesammelt, was er einem meiner Freunde, der ihn besuchte, voll Stolz zeigte, ohne hinzuzufügen, dass er dafür 750.000 Euro erhalten hatte.

Apropos Pröll: Auf einem Foto im Internet legt dieser väterlich seine Hand auf des Dichters Schulter. Daneben sitzt Herbert Lackner, der ja nicht nur mit Peter Turrini eng befreundet ist, was aus seinem Buch unzweideutig hervorgeht, sondern neben Pröll auch auf weiteren Fotografien in freundschaftlicher Verbundenheit mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer, dem Schauspieler Erwin Steinhauer oder dem ehemaligen steirischen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer zu sehen ist. Ein typischer österreichischer Szene-Journalist also, dessen Verhältnis zur Macht nicht analytische Distanz ist, wie es eigentlich die journalistische Ethik vorschreiben würde, sondern Verhaberung.

Im gegenständlichen Fall ist die Freundschaft mit Turrini von besonderer Bedeutung, da der zweite Teil der politischen Kulturgeschichte Österreichs in einem Interview mit Turrini gipfelt, dem auch noch ein Foto beigefügt ist, das den an einem rustikalen Tisch sitzenden, dozierenden und sich seiner geistesgeschichtlichen Bedeutung bewussten Dichter und seinen andächtig zuhörenden und Notizen machenden Bewunderer Lackner zeigt.

Gegenstand der skurrilen Audienz ist die Entstehung der sogenannten Alpensaga, eines angeblichen Epochenwerks der österreichischen Fernsehgeschichte, das sich nach Turrini/Lackner gegen erhebliche Widerstände reaktionärer Kreise aus der ÖVP-Bauernschaft durchsetzen musste. Wie es aus meiner Sicht tatsächlich war – von nennenswertem Widerstand kann jedenfalls keine Rede sein – ist einem parallel zu dieser Analyse veröffentlichten Artikel zu entnehmen, den ich 2004 für die Salzburger Dorfzeitung verfasste und in dem ich als unmittelbarer Zeitzeuge über die Entstehung der Alpensaga, die Kulturpolitik der Regierung Kreisky, aber auch über die Entstehung der Serie Ein echter Wiener geht nicht unter referiere.

Neben dem angeblichen, im Zentrum der Überlegungen stehenden Skandal Alpensaga listet Lackner als Beweis für den unendlich schweren Stand der Kunst in Österreich nach 1945 die Uni-Ferkeleien der späteren Stars Nitsch, Brus, Weibel, Export und Mühl auf, wobei letzterer seine Karriere unvorsichtiger Weise durch Sex mit Minderjährigen bekleckerte.

Ebenso ist vom Sturm im Wasserglas des Teams Bernhard/Peymann die Rede, dem zur höheren Ehre des Marketing mit dem unsäglich langweiligen Stück Heldenplatz in gleicher Weise ein Skandal gelang, wie es ihnen, zumindest nach Schilderungen des zeitweiligen Bernhard-Freundes Hennetmair bei den Salzburger Festspielen durch die Forderung gelungen war, darauf zu bestehen, dass die Notbeleuchtung ausgeschaltet wird. Erwähnt werden aber auch die Turbulenzen um die sogenannte Staatsoperette, eine harmlose Polit-Satire von Franz Novotny und Otto M. Zykan über die österreichische Zwischenkriegszeit. Und erwähnt wird zuletzt auch noch das heldenhafte Agieren des Theaterintendanten des Stadttheaters Klagenfurt Dietmar Pflegerl unter der schrecklichen Diktatur eines gewissen Jörg Haider.

Das wahrhaft Obszöne und geradezu faszinierend Verblendete des im Übrigen vor allem im 1. Teil spannend und informativ geschriebenen Lackner’schen Werkes besteht darin, den Lärcherlschaas (wienerisch für den Darmwind eines kleinen Vögleins) einer aus Beliebigkeiten zusammengeschusterten österreichischen Nachkriegskulturgeschichte in eine historische Linie zu stellen mit dem Antisemitismus, den ein Arthur Schnitzler zu erleiden hatte, dem tödlichen Attentat auf Hugo Bettauer, dem Selbstmord Stefan Zweigs, der Bücherverbrennung durch die Nazis, dem erzwungenen Exil oder der Ermordung zahlreicher Schriftsteller und ihrer Freunde und Verwandten und zuletzt dem schauerlichen Geschleime brauner Opportunistendichter, die oftmals das Ende des Dritten Reichs schadlos überlebten und konservative Kulturgrößen des Nachkriegsösterreich wurden.

Es zeugt schon von einer beeindruckenden Realitätsferne und von Hang zur Gemütlichkeit in der sozialdemokratischen Blase, ungeniert all diese Tragödien und dieses Leid dafür zu missbrauchen, um die oftmals mit mittelmäßigen Werken dennoch erfolgreichen Karrieren und die durch korrupte Netzwerke akquirierten öffentlichen Gelder eines friedlichen Künstlerlebens im Österreich der Zeit nach 1968 auf solch schamlose Art und Weise zu rechtfertigen und geradezu heilig zu sprechen.

Herbert Lackner | Als der Schnitzler mit dem Kanzler stritt

Literatur:
Herbert Lackner: Als Schnitzler mit dem Kanzler stritt. Eine politische Kulturgeschichte Österreichs. Wien. Ueberreuter 2023. 206 Seiten. EUR 26,00.
Alois Schöpf: Wenn Dichter nehmen. Über das Vorlass-Kartell. Essay. Limbus Verlag 2014. 140 Seiten. 15,00 EUR

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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