Alois Schöpf
Zum Schämen
Wenn Dichter Marketing machen.
Essay
Es ist schon erstaunlich mit welcher Unverfrorenheit sich die größten Gesellschaftskritiker, wenn es um ihr eigenes kleines Geschäft geht, genau jener Methoden befleißigen, deretwegen sie den Kapitalismus so hassen: Am Markt der Aufmerksamkeit mit hanebüchenen Behauptungen und fallweise blankem Rassismus die mangels substanzieller Werke stotternde Alterskarriere noch einmal in Schwung zu bringen.
Dieser Tage erschien der neue Roman des Schriftstellers Kurt Palm „Der Hai im System“, wahrscheinlich ebenso banal und langweilig wie sein letzter Roman „Strandbad Revolution“, worauf der wohl nicht ganz freiwillige Verlagswechsel vom renommierten Deutike Verlag zum Leycam Verlag hinweist. Da Palm als Kolumnist beim „Standard“ tätig war, hätte eine negative Rezension ein schlechtes Licht auf eine Redaktion geworfen, die sich gemeinhin als die Elite des heimischen Journalismus betrachtet, weshalb man vor dem Problem stand, einerseits den Autor aus kollegialen Gründen nicht ignorieren zu können, andererseits nichts Abfälliges über ihn verlauten zu lassen. In solchen Fällen bietet man ein Interview an, um den Autor selbst etwas über sein Buch sagen zu lassen. Palm hat es denn auch ausführlich getan, indem er unter manch anderem Unsinn den Satz abgesondert hat, alle Milliardäre seien Verbrecher.
Nun ist ein solches Statement im zeitgeistig linksgrünen Spießermilieu nichts Ungewöhnliches. In einer Zeitung, die sich für ein Qualitätsblatt hält, schon eher. Dass nämlich ein solches Stammtischgeschwätz aus dem Mund eines Autors, der einmal ein braver Kommunist war und offenbar noch immer von dieser seiner blutroten Vergangenheit nicht losgekommen ist, einfach durchgewunken bzw. sogar als Schlagzeile verwendet wird, ist lupenreiner Rassismus bzw. Klassenkampf, was selbst für den naivsten Leser deutlich wird, wenn er das Wort „Milliardär“ durch Worte wie „Jude“, „Neger“, „Schwule“, „Migranten“ oder „Afghanen“ ersetzt.
Offenbar ist Herr Palm im gereiften Alter immer noch nicht im demokratischen Rechtsstaat Österreich angekommen, wo es keine Kollektiv-, sondern nur eine Individualschuld gibt, woraus folgt, dass selbst dann, wenn wirklich alle Milliardäre Verbrecher wären, dieser Umstand jedem einzelnen von ihnen nachgewiesen werden müsste. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass Leute, die uns etwa in kürzester Zeit eine Impfung gegen Corona verschafft oder durch ein Potenzmittel für ältere Herren deren Lebensglück verlängert oder durch die Entwicklung des PC die Kommunikation auf der Welt revolutioniert oder auch Autoren wie Herrn Palm durch ein funktionierendes Versandsystem von seiner garantiert zu katholischen Buchhandlung in seiner Heimatstadt Vöcklabruck unabhängig gemacht haben, mit Recht und nicht mit Verbrechen sehr viel Geld verdient haben.
Damit ist es Zeit, zum nächsten Versuch überzugehen, bei ausbleibenden Umsätzen und Distinktionsgewinnen durch einen besonders abstrusen Versuch eine karrieremäßige Schubumkehr zu bewirken. Dabei haben die Damen und Herren von der Kulturberichterstattung, die es nie und nimmer zugeben werden, sich in Künstlern, ihrem Charakter und der Qualität ihrer Werke geirrt zu haben, wieder einmal besonders freundlich mitgespielt, indem sie konsequent die Summe verschwiegen, deretwegen Felix Mitterer seine böse Heimat Tirol verlassen möchte, nachdem er sie schon einmal wegen angeblicher Drohungen, in Wirklichkeit aus Gründen der Steuerersparnis und aufgrund gesundheitlicher Probleme seiner Gattin, wie er es in seinem Erinnerungsbuch andeutet, verlassen hat.
Wie der für die Tourismusabgabe zuständige Beamte des Amtes der Tiroler Landesregierung feststellte, muss Mitterer übrigens für die vergangenen Jahre, in denen er im Inland offenbar zu wenig Einnahmen erzielte, überhaupt keine Tourismusabgabe bezahlen. Und er würde, wie ich als selbständiger Autor aus eigener Erfahrung weiß, wenn er sie dereinst doch bezahlen müsste, dabei zwischen 60 und100 Euro pro Jahr zu berappen haben. Wenn es wesentlich mehr sein sollte, dann nur, wenn er zum Großverdiener aufgerückt ist, wodurch sein Auswanderungsargument noch weniger überzeugt. Mit Stand heute behauptet der Volksdichter jedenfalls allen Ernstes, dass er seine garstige Heimat Tirol aufgrund einer Tourismusabgabe im Ausmaß von 0 bis maximal 100 Euro zu verlassen gedenke. Wer das glaubt, wird wahrlich selig!
Zur unumgänglichen tourismuspolitischen Erinnerung: Tirols Vormachtstellung als Tourismusdestination beruht auf dem revolutionären Fremdenverkehrsgesetz vom 18.2.1910, in dem zum ersten Mal europaweit der Tourismus als eine kollektive Leistung der gesamten Gesellschaft festgeschrieben wurde und in Folge all jene, die von dem Wirtschaftszweig in irgendeiner Weise profitieren, ihren Beitrag zu leisten haben.
Dies gilt naturgemäß besonders für Künstler, die als Architekten, Maler, Musiker, Texter oder Fotografen für das ästhetische Erscheinungsbild des Tiroler Tourismus, in welcher Qualität auch immer, verantwortlich zeichneten und bis heute zeichnen. Auf Basis dieses Gesetzes konnte Tirol in Sachen Tourismus eine dominierende Stellung in Österreich und europaweit einnehmen. Aus einem eher armen und unwirtlichen Land wurde unter anderem auch deshalb eine Wohlstandsregion, deren vom Tourismus initiierte Infrastruktur auch von den Einheimischen intensiv genützt wird, was sie allerdings nicht daran hindert, in immer verblasenerer Weise auf die sogenannten Fremden verzichten zu wollen. Es versteht sich, dass dieser hohe Wohlstand auch die Möglichkeit eröffnete, Dichtern wie einem Felix Mitterer 250.000 Euro für seinen sogenannten „Vorlass“ nachzuschmeißen, ganz abgesehen davon, dass der Tourismus ihm nicht nur durch seine Piefke-Saga, sondern durch Themen für seine zahlreichen Tatort-Drehbücher die Chance zu beträchtlichen Verdiensten eröffnete.
Wie auch immer man die Sinnhaftigkeit einer Tourismusabgabe zum Wohle der Tourismus-Werbung und des Tourismus als überholt oder als zeitgemäß einschätzen mag, die vollmundige Begründung, aufgrund eines Betrages von 0 bis 100 Euro, der, wie schon gesagt wurde, nie genannt wurde, um nicht das journalistische Wohlwollen dem Dichter gegenüber der Lächerlichkeit und Korruption zu überführen, das Land zu verlassen, muss daher anderswo gesucht werden.
Zum Beispiel darin, dass nach der Abwahl der Lintner-Clique in Schwaz die Mietkosten für Mitterers von der Stadt äußerst günstig zur Verfügung gestellte Wohnung auf ein marktübliches Niveau gehoben wurden. Oder darin, dass der ORF dazu veranlasst werden sollte, die sogenannte Ischgl-Saga, die der Dichter inzwischen für die niemals abgelieferte Russen-Saga geschrieben haben soll, endlich in die Gänge zu bringen und somit eine massive alte Honorarschuld dem Unternehmen gegenüber zu eliminieren. Oder darin, für den im Kino anlaufenden Film „Märzengrund“ eine dringend benötigte Werbung zu machen. Oder schlicht darin, lieber in Niederösterreich bei Herrn Pröll und der Tochter als in Tirol bei den bösen Tirolern leben zu wollen.
Es gibt sicher viele Gründe für Herrn Mitterer, zur Bewältigung seiner privaten Probleme einen öffentlichen Wirbel um seine Person zu veranstalten, damit wieder Geld ins Haus kommt. Dass er sich dafür einen derart läppischen Anlass ausgesucht hat, um nicht in Vergessenheit zu geraten, beleidigt die Intelligenz selbst seiner hartgesottensten Fans.
Literatur:
Kurt Palm, Der Hai im System, Roman, Leycam Verlag 2022
Kurt Palm, Strandbad Revolution, Roman, Deuticke Verlag 2017
Felix Mitterer, Mein Lebenslauf, Haymon Verlag 2018
Adolf Lässer, 100 Jahre Fremdenverkehr in Tirol, Universitätsverlag Wagner 1989
Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.
Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen
Ich weiß nicht, ob man es als Rassismus bezeichnen kann, wenn der Autor Kurt Palm alle Milliardäre zu Verbrechern erklärt. Man kann eine solche Sicht der Verhältnisse zwar überzogen finden, aber sie mit Rassismus gleichzusetzen, halte ich doch für zu gewagt. Für seine Hautfarbe oder eben seine Rasse – dieses Wort ist ja heute auch gar nicht mehr verwenbar im Diskurs – kann eben der Träger oder die Trägerin nichts, ebenso wenig wie er für seine Gene etwas kann. Wenn es jemand allerdings in seinem Leben zum Milliardär gebracht hat, dann muss er in diesem System schon heftig gegen andere ausgeteilt haben, andere für sich arbeiten haben lassen, andere Mitbewerber und Mitbewerberinnen erfolgreich ausgetrickst haben. Korruption und Bestechung, wie wir sie ja gerade in letzter Zeit immer wieder auch hierzulande sehen konnten und immer noch können, dürften wohl ebenfalls nicht allzu seltene Ingedienzien einer Milliardärskarriere sein. Und auch nicht immer sind tolle Erfindungen als Gipfel einer solchen zu sehen, zumindest solche, die ohne erneuten Schaden für die Umwelt oder das soziale und ökonomische Gefüge – CO2-lastige Produkte, Großkonzerne gegen kleinteilige Wirtschaft etc. – auskommen. So sehr wir uns an vielen dieser Produkte als Endverbraucher freuen mögen, erleichtern sie uns doch in vielen Bereichen unser Leben, aber sie haben eben auch ihren Preis, den wir jetzt alle in der zunehmenden Klimakrise immer deutlicher sehen und werden entrichten müssen. Und ob es nicht besser ist, wenn der Autor sein Buch auch in der vielleicht katholischen Buchhandlung seines Heimatortes angeboten sehen kann, als in einem anonymen Versandsystem mit unmenschlichen Arbeitsbedingungen, zwar schneller an seine Kunden gebracht, ist wohl auch noch nicht letztgültig ausgemacht.
Ihre Kritik gut und recht, aber man muss hergehen, und die Finanzierung des Tourismus auf moderne Beine stellen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass Privatpersonen – auf freiwilliger Basis – eine Tourismusabgabe entrichten. Weiters ist zu hinterfragen, ob wirklich jeder / jedes Unternehmer / Unternehmen großartig vom Tourismus profitiert.