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Alois Schöpf
Reinhard Schwabenitzky
Versuch eines Nachrufs


Weshalb nur ein „Versuch“? Ganz einfach! Wenn man mit Reinhard Schwabenitzky und seiner Frau Elfi Eschke einen Abend verbrachte, bei dem nach gutem Essen und beflügelt von ein paar Gläsern Wein über die Vergangenheit geredet wurde, entwickelte sich daraus rasch die anekdotische Geschichte des Österreichischen Films von den so freien und so verrückten Ausläufern der 68-er Jahre bis herauf in eine Gegenwart, in der unter dem Diktat ängstlicher Bürokraten das Filmemachen längst zur Produktion immer gleich öder Krimis verkommen ist.

Damals, in den frühen 1970-er Jahren, betrat man noch das kleine Zimmerchen des legendären Redakteurs der Sendereihe „Impulse“ Hans Preiner, der den Vertretern einer neuen Generation von Absolventen der 1952 gegründeten Wiener Filmakademie eine gewisse Summe zusicherte und sie dafür verpflichtete, in einem halben Jahr mit einem sogenannten Autorenfilm wiederzukommen. So entstanden in vollkommener Freiheit die ersten Werke von Regisseuren wie Fritz Lehner, Käthe Kratz, Kitty Kino, Franz Nowotny oder Lukas Stepanik. Darunter auch die allererste Folge der nachgerade legendären Serie „Ein echter Wiener geht nicht unter“ von Reinhard Schwabenitzky.

Wenn dabei in Wikipedia im Einführungstext über die Serie nicht ein einziges Mal der Name Schwabenitzky genannt, hingegen sehr wohl Ernst Hinterberger als Autor und ihr Erfinder bezeichnet wird, so ist dies bereits eine erste skandalöse Geschichtsklitterung, der ein durch Schwabenitzky zum Volksschauspieler avancierter und greisenhaft verblendeter Karl Merkatz die Krone aufsetzte, wenn er in verschiedenen Interviews immer wieder behauptete, die Mundl-Serie sei einzig und allein sein Verdienst.

Dieser Ungeheuerlichkeit muss ich als ein Zeitzeuge widersprechen. Immerhin hatte ich die Ehre, einige Folgen des „Echten Wiener“ als Redakteur zu betreuen und für den Tiroler Kurt Weinzirl die Rolle zu schreiben, bis ich aus dem ORF ausschied, weil ich Schriftsteller und nicht Kunstbeamter werden wollte.

Eines der großen Talente von Reinhard Schwabenitzky war es nämlich, für seine Rollen jeweils die richtige, ja die geradezu ideale Besetzung zu finden. Dass er den bis dahin relativ unbekannten und in Nebenrollen durch die Provinzen tingelnden Karl Merkatz zum „Mundl“ machte und ihn mit Ingrid Burkhard, Erika Deutinger, Klaus Rott, Alexander Wächter, Jaromir Borek, Kurt Weinzirl, Julia Gschnitzer und vielen anderen in das Milieu einer Wiener Arbeiterfamilie einbettete, war sein erster Geniestreich. Dem folgte, wie auch immer man als Autor dazu stehen mag, sein zweiter: die dramaturgisch unbrauchbaren Bücher von Ernst Hinterberger wurden radikal umgeschrieben, was spätestens nach der ersten Staffel der Erfolgsserie „Kaisermühlen Blues“ zum endgültigen Zerwürfnis zwischen Autor und Regisseur führte.

Im Hinblick auf „Ein echter Wiener geht nicht unter“ kann ich nur bestätigen, dass ich, obgleich stark in die Produktion eingebunden und mit Schwabenitzky eng befreundet, einen Autor Ernst Hinterberger nie zu Gesicht bekam, sondern lediglich immer nur ein relativ unbrauchbares Manuskript, das von Schwabenitzky erst mit einer Handlung versehen werden musste, aus der sich dann die in vielen Bereichen am Drehort improvisierten, fulminant komischen Szenen entwickelten.

Reinhard Schwabenitzkys unverwechselbarer und so erfolgreicher Humor ist, abgesehen von seiner angeborenen Begabung und einer lebenslänglichen kritischen Selbstbefragung, wohl am besten damit zu erklären, dass er einerseits der Sohn des Schauspielers und Regisseurs Gerhard Schwabenitzky alias Gerhard Klingenberg war, der als späterer Burgtheaterdirektor renommierte Regisseure wie Claus Peymann, Giorgio Strehler, Peter Hall, Luca Ronconi oder Jean-Louis Barrault an das erste Theater Österreichs verpflichtete und damit für einen Modernisierungsschub sorgte. Seine Mutter hingegen war ganz im Gegensatz zu diesem hochkulturellen Milieu der Theaterleute eine Gastwirtstochter aus dem Pinzgau, was das Pinzgauer Bezirksblatt in seiner Ausgabe vom 14. Februar 2022 zu einem würdigen Nachruf veranlasste, der sich besonders der frühen Jugend Schwabenitzkys widmet:

„Reinhard Schwabenitzky wurde am 23. April 1947 in Bucheben bei Rauris als Sohn der Gastwirtstochter Else Karl (damals Schwab) und des Schauspielers Gerhard Klingenberg (damals Schwabenitzky) im Wirtshaus der Urgroßmutter geboren. Dort verbrachte er die ersten drei Lebensjahre.

Nach einem „Abstecher“ nach St. Pölten, wo sein Vater ein Engagement am Stadttheater hatte und er selbst erste Bühnenerfahrung sammeln konnte, ging es nach zwei Jahren wieder zurück in den Pinzgau – zuerst nach Mittersill zu Onkel und Tante, später dann zu seiner Großmutter nach Taxenbach.

Das entbehrungsreiche, aber glückliche Leben auf dem Bergbauernhof des Onkels prägte ihn tief: „Nichts flog einem im Gebirge zu, alles musste man sich schwer erarbeiten; eine bessere Schule für ein Leben im Showgeschäft konnte man sich nicht wünschen“, liest man in seiner Biografie.
Und: „Man lernte nichts über Geld, aber viel über die Natur, das Leben und vor allem Ausdauer“

Auch auf dem drei Kilometer langen Schulweg steil bergab (und auf dem Heimweg wieder steil bergauf) durch den „Ederwald“. Als Reinhard sechs Jahre alt war, ließen sich die Eltern scheiden – die Mutter ging mit dem Kind nach Salzburg, der Vater als Filmregisseur nach Berlin. Bei einem Besuch dort in den Babelsberger Filmstudios erwachte in Reinhard Schwabenitzky erstmals die Begeisterung für den Film.“

Basis seines Humors war also immer das einfache Leben der einfachen Menschen, ein immerwährender Hintergrund, vor dem er sich über hochfahrende Attitüden, das Distinktionsgetue, die Eitelkeiten, die Aufgeblasenheit, Arroganz und Wichtigtuerei der sogenannten Bessergestellten lustig machte.

Während der ORF mit großem Stolz und viel Geld das kommunistische Machwerk „Die Alpensaga“ eines Peter Turrini und Dieter Berner, nach dem heute kein Hahn mehr kräht, produzierte, lief die immer erfolgreicher werdende Mundl-Serie unter immer schlechteren Produktionsbedingungen stets nebenher und blieb eigentlich ungeliebt, waren doch auch die aus oft kleinbürgerlichen Verhältnissen stammenden und ihrer Karrieregeilheit verfallenen ORF-Angestellten zumindest indirekt Gegenstand des Spotts, wenn hier ein brillant vor sich hin krakeelender Prolet den Beweis lieferte, dass er weder die Hochkultur, noch die Intellektuellen, noch die sogenannten G´stopften benötigte, um durchs Leben zu kommen und darin sogar Humanität zu entwickeln.

Nachdem Reinhard Schwabenitzky, von den Produktionsbedingungen in Österreich frustriert, nach Deutschland ausgewandert war, fand er dort in Elfi Eschke, die mit einem Vater als Malermeister ebenfalls aus sogenannten einfachen Verhältnissen zur Schauspielkunst fand, eine kongeniale Partnerin, die nicht nur über Jahrzehnte hinweg sein anstrengendes Leben als Filmschaffender, sondern auch seinen Humor und seine Sicht auf die Menschen teilte.

Aus dem Ehepaar wurde geradezu eine eigene Marke, die so erfolgreichen Fernsehserien wie „Büro, Büro“ oder auch zahlreichen Kinofilmen wie „Ilona und Kurti“ oder „Eine fast perfekte Scheidung“ den Stempel aufdrückte. Besonders mit den vielen heiteren Kinofilmen gelang es übrigens den beiden, ein ganz neues Publikum in die Kinosäle zu locken.

Die Spannung zwischen Hochkultur und der selbstkritischen Liebe zu den sogenannten einfachen Leuten, wie sie im Salzburger Gasthaus seiner Mutter verkehrten und alltäglich am Stammtisch saßen, kennzeichnet eine Popularität, die sich innerhalb der Branche als geradezu rufschädigend erwies. Hinzu kam in den späteren Jahren der auch andere prominente Regisseure betreffende Altersrassismus, also die stillschweigende und nirgends klar formulierte Übereinkunft, Regisseuren, auch wenn sie noch so erfolgreich gewesen sein sollten, ab dem 65. Lebensjahr keine Aufträge mehr zu erteilen, da nach Pensionierung der älteren die nunmehr jüngeren Redakteure ihre eigenen seit Jahren um Beschäftigung bettelnden gleichaltrigen Cliquen zu bedienen hatten.

Auch am Leben und Werk von Reinhard Schwabenitzky erweist sich also die Erkenntnis als gültig, dass große Kunst, sofern sie auf das große Geld wie im Film und im Fernsehen angewiesen ist, nur dort möglich wird, wo es dazu auch adäquate, wahrhaft gebildete und potente Auftraggeber gibt. Kein Verdi ohne den Intendanten der Mailänder Scala Bartolomeo Merelli, kein Mozart ohne Joseph II., kein Wagner ohne König Ludwig von Bayern, kein Hollywood-Film ohne Marcus Loew und Louis B. Mayer und keine Österreichische Generation von Filmschaffenden ohne einen Gerd Bacher und Helmut Zilk.

Solche Persönlichkeiten sind unabdingbar, um Künstler vor Gefährdungen zu bewahren, denen auch Reinhard Schwabenitzky durch die Verlockungen des Kommerzes und die damit verbundene Chance, rasch Geld zu verdienen, aber auch durch die Verlockungen der politischen Korrektheit, um damit endlich abseits allen Humors als ernst zu nehmender Regisseur wahrgenommen zu werden, ausgesetzt war.

Da solche Auftraggeber zunehmend in einem Land fehlten, in dem nach Abflauen der 68-er Bewegung selbst Regieaufträge und Hauptrollen nach Maßgabe des richtigen Parteibuchs vergeben werden und, wie Claus Peymann es ausdrücken würde, Lebenszwerge die Schalthebel der medialen Macht erobert haben, bleiben Werk und Karriere eines der begabtesten und erfolgreichsten Regisseure des Landes in den beklagenswerten Schatten misslicher Rahmenbedingungen getaucht. Zumal es auch verabsäumt wurde, Schwabenitzky für jene zahlreichen Filme und Fernsehproduktionen, in denen ihm die Balance zwischen hochkulturellem Anspruch und lebenslustiger Normalität perfekt gelang, noch zu Lebzeiten jene Ehren zukommen zu lassen, derer Österreich angeblich voll ist.

Entsprechend im kleinsten Familienkreis und umweht von einem eiskalten Wind fand denn auch das Begräbnis am Samstag den 19. Februar in Irrsdorf im Salzburger Flachgau statt. Bleibt den Hinterbliebenen nur der Trost, dass nicht nur „Der Mundl“, sondern auch seine Filme mit Elfi Eschke in der Hauptrolle noch lange ihre alljährliche Ausstrahlung erleben werden, weil sie von einem breiten Publikum geliebt werden.

Lieber Reinhard, du mögest ruhen in Frieden, dein Tod ist nicht nur ein großer künstlerischer, sondern auch ein großer menschlicher Verlust. Ich danke dir für deine Zuneigung und deine Großzügigkeit.

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. walter plasil

    Hallo Alois, hatte kein Ahnung davon, dass du damals so nah am „Mundl“ gearbeitet hast. Meine Bewunderung dafür steigt ins nahezu Unermessliche. Das bleibt österreichische Geschichte, auch wenn es vielleicht mehr eine wienerische war. Gratulation auch zu der gefühlvollen und zugleich erhellenden Beschreibung einer Person, die man sonst nirgends gelesen hat.

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