Alois Schöpf
Pseudothema Teuerung
Apropos
Plötzlich ist die Teuerung im Wahlkampf das Thema Nummer eins und Tirols demokratische Fürsten bzw. jene, die es werden wollen, ziehen hoch zu Ross durch die Lande, um Geld unters Volk zu werfen.
Tatsächlich ist die Teuerung ein Problem, das uns allen, insbesondere den Ärmeren, unter den Nägeln brennt. Zugleich jedoch fehlen dem Land Macht, Kompetenz und Budget, um ein Problem zu lösen, das nicht einmal der Bund richtig lösen kann, weil es ein europäisches, wenn nicht ein geopolitisches und weltwirtschaftliches ist.
Unsere Wahlkämpfer machen es sich also entschieden zu einfach, wenn sie von etwas palavern, gegen das sie nichts oder fast nichts machen können, und gleichzeitig verschweigen, dass die derzeitigen Probleme viel geringer ausfallen würden, wenn nicht ein Jahrzehnt der Stagnation hinter uns läge.
Statt vorausschauend in erneuerbare Energie investiert zu haben, soll jetzt sogar die TIWAG ausgeplündert werden, sodass sie in Zukunft zu wenig Geld dafür hat. Und statt die illegale Übertragung von Gemeindeeigentum an die Agrargemeinschaften rückabzuwickeln und damit Gründe für den sozialen Wohnbau freizumachen, wird von Mietzuschüssen aus dem Budget und von planwirtschaftlichen Eingriffen in den Immobilienmarkt geträumt.
Bitte liebe Wahlkämpfer, diskutiert, wie ihr Probleme lösen wollt, bei denen Ihr, abgesehen von homöopathischen Budget-Globuli, nicht nur die Zuschauer seid!
Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 10. 09. 2022
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Sehr geschätzter Herr Schöpf, lieber Alois!
Mit deiner gekonnten Sprache bringst du die gut verständliche Botschaft deutlich zum Ausdruck. Ein rundes Ganzes, besser kann man das nicht mehr machen. Es ist wie eine gut vorbereitete Unterrichtsstunde (Vorlesung) für politische Bildung.
Ohne einmal das Wort “Lüge” (arg.: palavern) zu verwenden, zeigst du eindrucksvoll auf, wie verlogen der Tiroler Wahlkampf aktuell läuft. Mahnende Worte, wie du das in deinem Apropos tust, sind da sehr angebracht. Man beschäftigt sich mit – aus der Sicht der Landeszuständigkeit – Scheinthemen und mit Luftblasen, wozu die Tiroler Abgeordneten zum LT wahrlich nichts Substantielles auszurichten haben.
Die Plünderung der TIWAG und die Minderung der finanziellen Absicherung zur Investition in erneuerbare Energien sind wahrlich reine Landessache. Diesem Thema weicht man allerdings im Wahlkampf aus. Von leistbarem Wohnen zu reden, ohne den Tiroler Gemeinden endlich wieder ihre Gemeindegründe an die Hand zu geben, das reiht sich in die Verheimlichung von brennenden Fragen in unserem Land für die laufende Wahlauseinandersetzung ein. Wie recht du hast, lieber Alois, Letzteres ist ein Kernthema, wozu der Tiroler Landtag (den wir ja wählen) uneingeschränkt und alle Macht und Zuständigkeit hätte.
Eines darf dazu angemerkt werden: Auch die Abgeordneten müssen ihren Eid auf Einhaltung von unserer Verfassung und Rechtsordnung ablegen und dann einhalten. Der VfGH, unsere Bundesverfassung und die Geltung der Grundrechte können nicht wegverhandelt werden. Das mit der verfassungsrechtlich gebotenen Rückübertragung der Gemeindegründe an die Tiroler Gemeinden kann also nie und nimmer Gegenstand von Regierungsübereinkommen werden. Es ist endlich durchzuführen! Gerade im Wahlkampf müsste dies den WählerInnen und BürgerInnen in unserem Land noch mehr bewusst gemacht werden.
Gratulation zu deinem so aufschlussreichen Apropos.
Anmerkung zum Tiroler Landtags-Wahlkampf:
Die FPÖ plakatiert mit dem Landesparteiobmann Markus Abwerzger im Bild die Parole
„Friede, Freiheit, Wohlstand und Sicherheit“.
Das erinnert mich zunächst an „Friede, Freude, Eierkuchen“ – laut Wikipedia „eine Redewendung, die eine nur oberflächlich intakte, scheinbar friedlich sorglose Fassade innerhalb einer Gesellschaft beschreibt. Sie wird oft eingesetzt, um auszudrücken, dass man Probleme verdrängt, statt sie zu lösen.“
Dann frage ich mich, welche Tiroler Partei wohl für das Gegenteil dieser Begriffe eintreten würde?
Krieg, Unterdrückung, Armut, Furcht und Schrecken?
Wo bleibt die Aussage, die dieses Wahlkampfplakat transportieren soll?
Sehr geehrter Herr Schöpf,
Sie haben recht, es gäbe im Land genug zu tun, wofür die heimischen Politiker zuständig sind. Beispielsweise leistbares Wohnen wäre ein solches Thema. Aber da kommen von den Schwarzmandern nur Alibimaßnahmen, egal, ob sie im türkisen Mäntelchen oder als Uralt-ÖVP oder als MATTLE auftreten.
Mit der Leerstandsabgabe wurde ein bürokratisches Ungetüm geschaffen, aber dadurch kommt keine einzige zusätzliche Wohnung auf den Markt. Auch die „verpflichtende“ Vertragsraumordnung ist nichts als ein Marketing-Gag, weil die Landesregierung einer Gemeinde schon jetzt die aufsichtsbehördliche Genehmigung für einen Flächenwidmungsplan versagen kann, wenn kein Raumordnungsvertrag gemäß § 33 TROG vorgelegt wird.
Viel Lärm um nichts!
Der Knackpunkt sind weiterhin die brachliegenden, spekulativen Baulandreserven. Und diese „heiße Kartoffel“ will die ÖVP aus Rücksicht auf die eigene Klientel partout nicht angreifen. Sie steht damit im Widerspruch zu den – im Auftrag von Tratter und Co. – vom Land Tirol ausgearbeiteten Planungsgrundlagen. Selbst die landeseigenen Experten raten dazu, Maßnahmen zur Mobilisierung der Baulandreserven von 35.000.000 m² oder 6.000 Fußballfeldern (damit könnten Wohnungen für 200.000 Menschen geschaffen werden) zu ergreifen. Nachzulesen im „Raumordnungsplan LebensRaum Tirol – Agenda 2030“, in dem u.a. vorgeschlagen wird: „Der große Knackpunkt bei der Schaffung von Wohnraum ist die Mobilisierung der Flächenreserven im bestehenden Bauland. Hier sind alle zur Verfügung stehenden Instrumente konsequent anzuwenden. Wenn sich dies als nicht ausreichend erweist, wird es nötig sein, neue, durchsetzungsfähige Instrumente zu entwickeln.“
Ein solches Instrument wäre beispielsweise, auch bei bereits gewidmetem Bauland eine Bebauungsfrist einzuziehen und als Sanktion die Zwangsversteigerung als ultima ratio vorzusehen. Damit würde Bewegung in die Sache kommen. Baugründe kämen auf den Markt. Dass dies möglich und auch rechtlich zulässig ist, zeigt sich am § 11 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, der auch von den Höchstgerichten bestätigt wurde. Aber das ist mit der ÖVP – aus den bekannten – Gründen nicht zu machen!
Mutig wäre beispielsweise auch, wenn Tratter endlich die Verordnung gemäß § 5 Abs. 2 Bodenbeschaffungsgesetz erlassen würde, wonach in Innsbruck ein Wohnungsnotstand besteht und die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen – von Eintrittsrechten bis zur Enteignung – angewendet werden dürfen, um das vorhandene, brachliegende, spekulative Bauland für gefördertes Wohnen zu mobilisieren. Die Stadt Innsbruck hat den Antrag an das Land vor zwei Monaten eingebracht (siehe dazu die TT vom 18.7.2022). Passiert ist nichts!
Wie mutlos die Aufsichtsbehörde unter Tratter agiert, hat sich vor einigen Jahren auch in Völs gezeigt. Dort waren 6 Hektar als Vorbehaltsfläche für den geförderten Wohnbau gewidmet. Aber die Gemeinde wollte daraus freies Bauland machen und aus dem Landhaus kam kein Widerspruch!
Und zuletzt sei auch noch auf die – laut VfGH – „offenkundig verfassungswidrigen“ Gemeindegutsregulierungen verwiesen; 3.500km² an Grundstücken und Wäldern wurden den Gemeinden entzogen und ins Eigentum von Agrargemeinschaften übertragen, deren Mitglieder davon noch immer profitieren, während den Gemeinden Baugründe und Einnahmen für ihre Aufgaben fehlen. Eine gänzliche Wiedergutmachung gab es bis heute nicht. Vielmehr blockiert die – angebliche – Bürgermeisterpartei ÖVP die gesetzliche Rückübertragung an die Gemeinden.
Wieder Standing Ovations für dieses Apropos, das meiner Frau und mir aus der Seele gesprochen hat.