Alois Schöpf
Protest!
Der Zensur-Fall Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer schreibt im schoepfblog nicht deshalb so viel, weil mit ihm seit Jahrzehnten eine trotz noch so vieler Meinungsverschiedenheiten beständige Freundschaft besteht, sondern weil er einer der originellsten, witzigsten und belesensten Autoren Österreichs überhaupt ist.

Wobei durchaus zugestanden werden kann, dass seine Prosatexte, die in Werken wie etwa „Der Mitterweg ist ausweglos“ ihre höchste Brillanz erreichen, nicht unbedingt dem Geschmack jener höheren Töchter und wenigen noch verbliebenen höheren Söhnen entsprechen, die, durch ein Germanistikstudium ihrer Urteilskraft beraubt, der fallweise proktologischen, spermatologischen und sputumologischen Weltsicht des Autors verständnislos gegenüberstehen und ihn bestenfalls in der Rolle als Gutachter, Kulturbeiräte oder Rezensenten dazu benützen, ihr kritisches Potenzial spazieren zu führen, das bei den meist todlangweiligen literarischen Bestsellern der Saison marktkonform und verlagsfreundlich natürlich zu schweigen hat.

Schönauer nahm es als Erwachsenenbildner auch zeitlebens auf sich, den von ihm betreuten Büchereimitarbeitern vor allem am Lande nicht nur in Kisten die neuesten Bücher vor die Tür zu stellen, sondern ihnen auch die gelieferten Werke zu beschreiben und durch Vorschläge, mit welcher Erwartungshaltung sie zu lesen seien, näher zu bringen. Für diesen Job war er ein Leben lang Tausende von Kilometern mit seinem literarisch vollgepackten Dienstwagen unterwegs. Parallel dazu analysierte und besprach er, mit noch zaghaftem Beginn im Jahre 1982, bis heute als noch immer geistig hellwacher und lesender Buch-Pensionist über 6000 Werke, eine Leistung, mit der er – vergleichbar einem Anthropologen und Feldforscher – das Rhizom des vor allem österreichischen Geisteslebens der vergangenen vier Jahrzehnte von seiner Basis her dokumentierte. Eine in dieser Art europaweit unvergleichliche Leistung!

Unabdingbar für dieses Mammutwerk ist auch der Mut des Verlegers Winfried Gindl, der die Buch-Gebrauchsanweisungen Schönauers in seinem Sisyphus-Verlag in einer inzwischen auf 9 Bände angewachsenen Ausgabe herausbrachte und weiterhin herausbringt. Der 9. Band ist soeben in Druck gegangen.

Bücher Helmuth Schönauer

Wenn es ein im Übrigen auch gesetzlich festgeschriebener Grundsatz von Kulturförderung ist, wichtige Projekte zu unterstützen, die ohne diese Unterstützung nicht zustande kämen, dann ist Schönauers Werk aufgrund seiner zeit- und geistesgeschichtlichen Bedeutung geradezu ein Paradebeispiel der Förderungswürdigkeit. Dass dieses Argument am Hofe und in den Ämtern der Schützen, landesüblichen Empfänge und durchwegs halbgebildeten, katholischen Regierungseliten keine Berücksichtigung fand, ist ein Skandal der Sonderklasse, der im Übrigen von den Bürokraten der Landeskulturabteilung damit begründet wird, dass ein kleines Büchlein Schönauers mit Rezensionen zu den Werken von Tiroler Autoren ja bereits gefördert worden sei, weshalb sich eine Förderung der neun Bände seiner bei Sisyphus erschienenen Gesamtausgabe erübrige. Ein zynisches Argument, das lediglich die Ausübung jener sublimen und zugleich gnadenlosen Zensur vertuschen soll, die in einem Land, in dem jeder Scheiß subventioniert wird, wenn er nur brav und ÖVP-kompatibel genug ausfällt, dadurch realisiert wird, dass das Nichtgeförderte am verstopften Markt der Aufmerksamkeit allein durch die schiere Menge des Geförderten zum Nischendasein des Unsichtbaren verurteilt ist.

Dies wird bei einem Schriftsteller wie Schönauer allerdings sowohl im Hinblick auf sein literarisches als auch im Hinblick auf sein Werk als professioneller Leser nicht funktionieren, denn dafür ist er schon längst als Autor zu bedeutend und als Rezensent in der Szene zu bekannt. Was durch die ausgebliebene, auf jeden Band der Gesamtausgabe vom Verlag erneut eingereichte und sodann erneut abgelehnte Förderung jedoch bewirkt wurde und zugleich die Bedingungen der Förderwürdigkeit noch einmal unterstreicht, ist die Tatsache, dass in Folge Tausende von Seiten nicht professionell lektoriert werden konnten, da solches von keiner Lektorin auch bei Bereitschaft zu radikalster Selbstausbeutung honorarfrei verlangt werden kann.

Für ein professionelles Lektorat einiger Bände fehlte also schlicht und einfach das Geld, ein Makel, der durch das Land Tirol verantwortet werden muss: als ewiger, schwarz auf weiß gedruckter Beweis für eine inkompetente, zynische, bürokratische, arrogante, visionslose und dumme Kulturpolitik. Gratulation!

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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