Print Friendly, PDF & Email

Alois Schöpf
Den Bach hinunter
Poem

Anlässlich der Ernennung von
Karl Nehammer
zum neuen Österreichischen Bundeskanzler
durch Bundespräsident Van der Bellen
am 6. Oktober 2021 in Wien

Oh seltene kostbare Stunden
jauchzet frohlocket
er ist tot
der Schönling erledigt
in effigie zwar nur
wir sind doch friendly austrians
er lebe hinfort in Frieden
bei Freundin und Kind
oh große Freude
ein wenig Trauer auch
wen sollen wir nun hassen

Strahlend im Jubel
geronnener Wut
und erhobenen Hauptes
sitzt vor der Kamera
der Funktionär der Wirtschaftskammer
senkrecht gefalteten Gesichts
in triumphierender Gelassenheit
doziert bluthochdruckgefährdet
von Rechtsstaat Demokratie und Regeln
die es zu beachten gälte
weidwund vom eigenen Sturz
jedoch mit der Kraft
geschriebener Rache
wiederauferstanden
Halleluja

Und es freut sich
von Herzen
vor allen anderen
der kleine hässliche Mann
von ihm
vom Rücken des Pferdes gescheucht
und ins Meer
des nimmer versiegenden Hasses getaucht
Alberichs Zwerg
oh ungeliebter Pferdeentwurmer
seine
des Glücklichen Endes
unvergleichliche Lust

Und es erfreuen sich die greisen
Revolutionäre ihres Lebensabends
Lardo di Colonnata
hostiengleich
über die Zungen legend
in ihren Vorortvillen unter mächtigen Platanen
Linden und mottenzerfressenen Kastanien
prosten einander zu mit
chateau des lumieres
Marx hat es schon immer gewusst
Castaneda hat es schon immer gewusst
Frank Zappa ist von allen der Größte
Beatles remastered im Schuber
verjage Don Juan Matus mit mushrooms uns
den jugendlichen Recken

Lass ihn berauscht von der Macht
Unsinn chatten und verächtliches Zeug
überantwortet ihn dem hohen Gericht
schwul bi oder nicht schwul
ohne Urteil und Klage
nehmt es gemütlich ihr Ankläger
immer schon darin geübt
zu wissen was Zeiten des Umbruchs
von euch als Mittätern
erfordern
an Streckbett und Autodafé
das Urteil ist gesprochen
vom ersten Tag des Anfangsverdachts an
welch ein Abgang
welch köstlicher Tropfen

In geheuchelter Dankbarkeit
zerfließen eure in Frömmigkeit
weichen Gesichter
freut euch
ihr die Hohe Geistlichkeit-Zuerstbegrüßer
ihr Schützen-Frontabschreiter
Musikkapellendirigierer
ihr Phrasendrescher
mit Lederhaut am Arsch
kaputt in den Birnen
nur hohle Phrasen
von mia sein mia
oh kostbare Stunde eurer Wiederkehr
er ist fort
niemand stört euch mehr
ihr seid wieder da
die Alten
Gendern habt ihr inzwischen gelernt

Freut euch auch
aus den Zellen eurer Großraumbüros
ihr Brüder und Schwestern zur
ewigen Anbetung des Guten
der öden Welt des interesselosen Anstands
ihr Winkelleitartikler und Schreibtischhasser
ihr Allesbesserwisser
und auf Bestellung schwätzend
aufgeschmückte Barbiepuppen
ihr Wall und Wand des Guten
korrigiert die Wahlen
das Volk ist hereingefallen
wie schon oft auf Marketing und Böses
ist dumm und lässt sich von Schönheit
blenden
ihr wisst es besser
ihr sollt wählen zu unserem Heil
habt ihn für uns abgeschrieben
in der Manege des Kleingeists
den Daumen gesenkt

Und ihr kreischenden Weiber
Medusen Megären Volksvertreterinnen
habt den letzten Rest
eurer natürlichen Schönheit
mit ehrgeizgespreizten Fingern
aus euren Gesichtern gekratzt
ihr versoffenen Hinterbänkler auch
mit rot geäderten Wangen und
heiseren Stimmen
habt mit unreinem Atem
das Parlament der Besten
zur Vorhölle des Mittelmaßes gemacht
und tretet nach
Vorbild eines missgünstigen Volkes
tretet nach mit Spott
auf den am Boden Zerstörten
sein Abschied reicht euch nicht aus
ihr wollt ihn tot sehen
nichts mit in effigie
zumindest als weiteren
Dachdeckerlehrling
gestürzt von gellenden Kehlen

Du freundliches Österreich mit deiner
von Schulinspektoren unvergesslich gepriesenen
rosenblühenden und von Schlössern
Kirchen blaudunklen Seen und
vornehmen alten Hotels
geschmückten Landschaft
immer schon
über all dem heimlichen Hass
den verheimlichten Konten und Gehältern
hast du die Salieris bevorzugt
Joseph II. den Klosterzerstörer
und Freund lasziver Opern
den Schülern verschwiegen
und dafür die Welt mit dem
gefährlichsten bösesten und
genialsten
Kleinbürger beliefert
und einem alten Bürokraten
so gut heute wie gestern Hofburgbewohner
als Mahnmal der Sicherheit
des Mittelmaßes
des Opportunismus
den kaiserlich königlichen
demokratischen Vorzug gegeben

Wie wünsche ich dir
Du mein schönes Heimatland
Alberichs Zwerg
als bittere Rache
da ihr ihn feig ziehen ließet
aus intrinsischem Hass gegen alles
was gelungener scheint
als euer stets im Glück
des Gestern sich an sich selbst
berauschendes Leben


*Der Titel des Textes spielt auf das Poem von Amanda Gorman „The Hill We Climb“ (Den Hügel hinauf…) an, das die Dichterin anlässlich der Inaugurationsfeier des US-Präsidenten Joe Biden vortrug.

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Schreibe einen Kommentar