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Alois Schöpf
Es lebe der Bürgerkrieg!
Notizen zur derzeitigen Innenpolitik

Es kann schon sein, dass die Mannschaft um Sebastian Kurz und Kurz selbst unlautere Methoden angewendet und fragwürdige Kooperationen riskiert haben, um rascher an die Macht zu kommen. Die Staatsanwaltschaft soll es untersuchen, dazu gibt es sie. Und ein Gericht soll Recht sprechen, im Zweifelsfall durch alle Instanzen. Bis dahin hat die Unschuldsvermutung real und nicht nur als Floskel zu gelten. Darüber hinaus besteht kein Anlass zu einer wie immer gearteten größeren Aufregung.

Ebenso kann es sein, dass es in Österreich viele, zu viele gibt, die Kurz einfach deshalb hassen, weil er, wenn er nicht aus dem Amt gejagt wird, als Polittalent eine große und vor allem lange Zukunft vor sich hat, was bedeutet, dass sich viele, zu viele von ihren in Jahrzehnten roter Herrschaft einzementierten Futtertrögen zu verabschieden haben. Dies gilt fast für die gesamte Kunst- und Kulturszene, für die in der Nachfolge der 68-er-Revolution personell besetzten geisteswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten und darüber hinaus für das intellektuelle und mediale Leben insgesamt vor allem im Osten Österreichs.

Und es kann auch sein, dass in der WKStA Leute sitzen, die es als von Sozialdemokraten in ihr Amt berufene großstädtische Lifestyle-Linke schlicht unerträglich finden, von einer rechten katholischen Jungschartruppe regiert zu werden, und die daher, wie bei den meisten Corona-Impfgegnern derzeit bestens zu studieren ist, möglicherweise zu Verschwörungstheorien neigen. Auch für sie gilt: Sie sollen untersuchen, Hausdurchsuchungen beantragen und Anklagen formulieren, das Gericht wird darüber befinden und Recht sprechen. Und die Politiker sollen und werden, je nach Urteil, die Konsequenzen ziehen, wenn es soweit ist.

All das, was bisher gesagt wurde, ist in einem Rechtsstaat, dem derzeit in geradezu verdächtig penetranter Weise zugejubelt wird, vollkommen normal und sollte, wenn es, wörtlich verstanden, mit rechten Dingen zuginge, in aller Stille und unaufgeregt seinen Lauf nehmen. Leider ist genau das Gegenteil der Fall! Es herrscht schon wieder Ausnahmezustand!

Statt der Gerichte spricht die journalistische Zunft Recht. Und statt professionelle Juristen arbeiten zu lassen, werden Chats und Gerichtsunterlagen, die eigentlich niemanden etwas angehen außer den Gerichten und den von den Gerichten Belangten, öffentlich analysiert und begutachtet. Und es wird, wie Hofsoziologe Peter Filzmaier es dieser Tage im ORF trefflich formulierte, die Gesellschaft gespalten, der gegenseitige Hass befördert und es werden rücksichtslos fast schon bürgerkriegsähnliche Zustände in Kauf genommen. Denn so sehr die einen glauben, mit ansehen zu müssen, wie gegen ihre Regierung und ihren Kanzler von einer linken Mafia im Stile shakespear´scher Königsdramen geputscht wird, so sind die anderen davon überzeugt, dass eine nicht minder mafiöse Truppe halbseidener Karrieristen sich das Land zur Befriedigung ihrer narzisstischen Gelüste unter den Nagel gerissen hat.

Womit die angesichts solch deprimierender Zustände entscheidende Frage übrig bleibt, wer eigentlich Interesse an einem solchen Bürgerkrieg hat, der nur deshalb nicht ausbricht, weil wir Österreicher zum Glück zu bequem, zu feig und vor dem Hintergrund eines noch immer erheblichen Wohlstands schlicht und einfach zu hedonistisch sind, um zu den Waffen zu greifen, obgleich langsam zu viele Lust hätten, es zu tun.

Es sind in erster Linie die klassischen Medien, die Zeitungen, Fernseh- und Rundfunkanstalten, die durch das immer mächtigere Internet längst mit dem Rücken zur Wand stehen und, wenn sie nicht durch Inserate der Regierungen und die staatliche Presseförderung gefüttert würden, ihrem absehbaren Ruin entgegen steuern würden. In diesen Medien wiederum ist es der gehobene Mittelstand der Redakteure und Journalisten, die, wenn sie es nicht unter das Dach der geschützten Werkstätte des staatlichen Rundfunks geschafft haben, sukzessive der Gratisarbeit zusteuern. Sofern sie im Freien Wettbewerb stehen, benötigen Sie daher zur Aufrechterhaltung ihres bürgerlichen Status den Skandal wie das tägliche Brot. Die staatlichen Medien wiederum benötigen ihn, um als Hohepriester des Anstands und der Gedankenreinheit nicht auf die skandalösen Privilegien und Nebenverdienste ihrer Angestellten angesprochen zu werden. Dass zur Verfolgung dieses Zwecks naturgemäß ein Sender wie oe24 TV von Wolfgang & Niki Fellner als gefährlicher Störfaktor empfunden wird, den es zu diskreditieren gilt, liegt auf der Hand.

Vom Skandal profitieren jedoch, wie schon angedeutet, auch die Oppositionsparteien, die sich wie die gesamte Kunst-, Kultur- und Medien-Szene vom Jungstar Kurz auf Jahr hinaus vom Zentrum der Macht verdrängt sehen und, ob rot, blau, grün oder pink außer dem Plan, die alles beherrschende ÖVP und ihren Kanzler zu stürzen, nichts, aber schon gar nichts aufzuweisen haben, wie Österreich, von der Pandemie über den menschengemachten Klimawandel bis hin zur Globalisierungsproblematik besser regiert werden könnte, als es, ob von Rot, Schwarz, Blau, Grün oder Pink ohnehin überall in Europa regiert wird.

Im Getöse einer solchen Innenpolitik verschwinden naturgemäß die realen Probleme unseres Landes und die realen Nöte der Bevölkerung zunehmend von den Arbeitstischen der Politiker, die einerseits um ihr Überleben kämpfen, ohne für anderes Zeit zu haben, und andererseits Putschpläne schmieden, um sich nichts anderes einfallen lassen zu müssen. Die Bürger des Landes schrumpfen für die Politik in gleicher Weise zu Wählern zusammen wie sie für die Medien nur noch Abonnenten und Fernbedienungsbediener sind, die es gilt, auf Basis zeitgeistiger Scholastik, wer nun ein Linker, ein Rechter, ein Guter und ein Schlechter sei, in Dauererregung zu versetzen.

Österreich, das Land, das Gemeinwohl, der gedeihliche Zusammenhalt, die Kommunikationsfähigkeit, der innere Frieden – all dies schwindet aus dem Fokus der Eliten, die nur noch damit beschäftigt sind, sich zum Zwecke des Eigennutzes und Gewinns gegenseitig den Schädel einzuschlagen. Hoch lebe der Bürgerkrieg!

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Franz Viertl

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    als Tiroler Patriot schäme ich mich derzeit in Grund und Boden über unseren Landeshauptmann Platter in der Causa Kurz.
    Vor nicht wenigen Tagen mimte er noch den treuen Gefolgsmann und Unterstützer. Nun aber, da der Wind etwas rauer wird, entdeckt Herr Platter auf einmal wieder die Farbe schwarz und vergisst dabei, welche Lobeshymnen er seinerzeit auf die Wahlerfolge unter der Farbe türkis und der Person Kurz angestimmt hat.
    Uns Tirolern wird normalerweise Treue und Berechenbarkeit nachgesagt. Diese Werte hat Herr Platter beschämend mit Füssen getreten.

  2. Otto Riedling

    Wenn man bedenkt, dass – angeblich – heute die Chefin des Meinungsforschungsinstitutes verhaftet wurde, so ist das Ganze keine „Bubendummheit“. Tut mir leid für S. Kurz (habe ihn 2x gewählt).
    Leider sind die Alternativen (PRW, HK, BMR) auch nicht gerade das „Gelbe vom Ei“.
    Statt zielgerichtet – für mindestens 10 Jahre – regieren zu können, dräut uns wieder Dilettantismus a la Gusenbauer, Faymann, Molterer, Spindi & Co.
    Auf http://www.zackzack.at steht Genaueres zur Verfügung.

  3. Robert Karl

    Danke den Herren Rohrmoser und Jenewein,
    wie Sie war auch ich sprachlos über die neuerliche hasserfüllte Attacke gegen alles, was nicht Kurz und seine Prätorianer bedingungslos verherrlicht, egal was ans Licht kommt. Mein Freund Schöpf verweigert ja seit Monaten jede „Vorverurteilung“ genauso wie jede nicht-strafrechtliche („moralische“) Beurteilung seines Idols und will damit jede Beurteilung dieser Leute auf den Sankt Nimmerleins-Tag verschieben (Sankt Sebastians-Tag?!). „Vorverurteilung“ wird durch Nachverurteilung ersetzt, wenn sich nämlich eh keiner mehr für die unappetitlichen Details interessiert. Bis dann möge doch diese Clique in Ruhe ihren bewährten Geschäften nachgehen, beklatscht von gekauften Medien (die übrigen sind sowieso altlinke Extremisten). In der Zwischenzeit wird den Staatsanwälten nachgesagt, dass auch sie spinnerte links-linke Verschwörungstheoretiker seien, eigentlich gehören sie abgeschafft oder zumindest durch verlässliche Familienmitglieder beaufsichtigt, ähnlich dem suspendierten Sektionschef.
    Ich bin sehr erleichtert, dass es in diesem Blog auch kritischere Geister gibt als die Immer-Gleichen Bravo-Rufer.

  4. Heinz Rohrmoser

    Sehr geehrter Herr Schöpf !
    Nach der Lektüre ihres „Werkes“
    musste ich mich trotz der derzeit nicht unbedingt angenehmen Außentemperatur auf meinen Balkon begeben um frische Luft einatmen zu können !
    Ich kann mich nicht erinnern von einem sogenannten kritischen Journalisten jemals einen derart einseitigen und zum Teil sogar aggressiven Beitrag über das innenpolitische Geschehen in unserem Lande gelesen zu haben.
    Allein die Überschrift „Es lebe der Bürgerkrieg“ lässt bereits erahnen, was nunmehr auf einen zukommen wird.
    In intellektuellen Worten gekleidete Hasstiraden – in erster Linie gegen die SPÖ und alles Linke gerichtet – werden mehr oder weniger die gesamte Kunst- und Kulturszene und die geisteswissenschaftlichen Fakultäten in unseren Universitäten mit Beleidigungen überschüttet.
    Letztlich wird natürlich auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als von links gesteuert und wegen ihrer sozialistischen Einstellung geängstigt zu sein von einer „ rechten katholischen Jungschartruppe“ regiert zu werden, beschrieben.
    Kurz wird letztlich von ihnen als politisches Supertalent dargestellt, das durch diesen nunmehr mehr oder weniger grundlos vom Zaun gebrochenen „Bürgerkrieg“ gehindert wird, Österreich in allen wichtigen Bereichen – von Pandemie, über Klimawandel bis hin zur Digitalisierung – in seiner Entwicklung zu verbessern.
    Alles in allem sehe ich hier einen Apell ihrerseits, Kurz mit allen Mitteln zu unterstützen und unter Schutz zu stellen.
    Schuld sind nach ihren Worten alle anderen, nur nicht der Herr Bundeskanzler !
    Alles in allem ein rein parteipolitisches Statement das einzig und allein als verzweifelter Rettungsversuch für Kurz zu sehen ist.

    1. Klaus Jenewein

      Danke werter Herr Rohrmoser!
      Wenn sich hier Hardcore-Kurz-Jünger mit Schaum vor dem Mund darüber ereifern, dass ihr Messias strafrechtlich untersucht werden soll, und nebenbei Begrifflichkeiten wie Bürgerkrieg und Putsch verwendet werden, dann ist das alles mehr als bedenklich!
      Vielleicht sollte auch hier ein Staatsanwalt darüber lesen. Das grenzt, meiner Meinung nach, bereits an Volksverhetzung!
      (Putsch: von einer kleinen Gruppe, von Militärs durchgeführter Umsturz – Versuch zur Übernahme der Staatsgewalt).
      Quelle: Wörterbuch von Oxford Languages.

  5. Lieber Alois,
    ich kann dem nur voll und ganz zustimmen und ergänzen, dass ich das Gefühl habe, der Opposition ist es egal, wie gut es den Bürgern unseres Landes bzw. unserem Land geht, oder wie gut es regiert wird; Hauptsache Kurz muss den Sessel räumen. Möglicherweise muss er das, falls er sich schuldig gemacht hat. Nur wissen wir es noch nicht. Wir wissen auch nicht, ob nicht irgendwo eine Lobby sitzt, die an Zusammenhängen bastelt, die es aussehen lassen, als ob er schuldig wäre.
    Nur wo bleibt das Konstruktive, wo die Vorschläge für bessere Regierungsalternativen? Und was wäre wenn die Gerichte urteilen müssen, dass Kurz unschuldig ist, nachdem er zurückgetreten ist – und irgendein Notnagel wäre Kanzler?
    Und wieso tritt so viel ans Tageslicht, was eigentlich nur Staatsanwälte und Gerichte wissen dürften? Daran können doch nur jene interessiert sein, die jemanden unter allen Umständen anpatzen wollen – falls sich die Unschuld herausstellen sollte – andernfalls könnte man das Ergebnis eines Prozesses (falls es so weit kommt) in Ruhe abwarten. Jedenfalls muss irgendjemand in der Justiz dieses Spiel mitspielen, andernfalls würden wir ja keine Details erfahren, oder?
    Ich jedenfalls habe wie du ein äußerst ungutes Gefühl über Vieles, was und wie es bei uns läuft, zumindest seit Kurz Kanzler ist.
    Alles Gute

  6. Ralph Holtfeuer

    Ich danke Ihnen für diesen Artikel der leider nur einer verschwindenden Minderheit zugänglich ist. Er entspricht genau meiner Denkweise und Vorstellung unseres politischen Lebens in Österreich.

  7. Sölder Bernhard

    Perfekt, treffsicherer geht es kaum !

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