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Bettina Maria König
Der Kuss im Brautkleid
Fortsetzungsroman


Was bisher geschah: Das schüchterne Landmädchen Alma sucht, assistiert von ihrer BFF Bea, nach der großen Liebe. Selbige findet sie weder bei Viktor noch beim charmanten Hallodri Ben. Und schon gar nicht bei ihren Verehrern Pepe, Franz, Luca und Serge. Denn sie will eigentlich nur einen: den Architekturstudenten Julian. Der ist sich aber nicht sicher, ob er überhaupt eine Beziehung mit ihr eingehen will. Alma flieht daher nach Wien und entscheidet sich für den wohlhabenden Langweiler Franco, der ihr gerade einen Heiratsantrag gemacht hat…


Die Nachricht unserer bevorstehenden Hochzeit Francos Eltern zu übermitteln, war also sozusagen „a gmahde Wiesn“. Das konnte man bei Bea nicht behaupten. Wobei ich sicher keine Freudenausbrüche erwartet hatte, dazu kannte ich sie zu gut. Und zudem war sie wohl auch sauer, weil ich sie in den letzten Monaten ziemlich vernachlässigt hatte. Ich war einfach zu stark mit Franco beschäftigt. Zudem war ein Telefonat nicht dasselbe wie ein gemütliches, stundenlanges Treffen bei einem Glas Sekt oder vielleicht auch mehreren. Zumal die Telefonate regelmäßig von Laurins Geschrei begleitet wurden, sodass ich zeitweise gar nicht verstehen konnte, was sie sagte.

Bea hatte von Franco also bisher nur Spärliches erfahren. Ich hatte es quasi in schlimmer Vorahnung eher vermieden, mehr von ihm zu erzählen, und sie hatte bei unseren wenigen Gesprächen auch nicht darauf bestanden, mehr zu erfahren.

Nein, Enthusiasmus hatte ich von Bea wirklich keinen erwartet, und das war es auch nicht, was mich stutzig machte. Sondern, dass so gar nichts Zustimmendes von ihrer Seite kam. Dass ihre beste Freundin endlich auch den Hafen der Ehe ansteuerte, musste sie doch zumindest marginal mit Befriedigung erfüllen. Wenigstens ein „Na endlich!“ hätte doch drin sein müssen. Aber nichts da!

„Verlobt? Mit diesem Franco? Echt jetzt? Ist das nicht dieser Langeweiler?“, war ihre erste Meldung bei dem Telefongespräch, in dem ich ihr die Neuigkeit übermittelte. Ich hätte ihr wohl lieber nicht von meinem ersten Eindruck von Franco berichten sollen… Dann schwieg Bea eine Zeitlang, während ich ihr die doch wirklich sehr vernünftigen Gründe zu verklickern versuchte, warum es eine wunderbare Idee war, Franco zu ehelichen.

Ich war gerade dabei, ihr zu erklären, dass er nicht nur immer lieb und nett zu mir war, sondern auch finanziell abgesichert, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, da unterbrach sie mich unwirsch mit einer Frage, die mich innerlich zusammenzucken ließ: „Sag mal, bis du eigentlich überhaupt verliebt?“. Ich antwortete nicht, also schnarrte sie weiter: „So, wie du von deinem Zukünftigen redest, klingt das eher nach einem Versicherungsvertrag als nach einer Heirat… Versteh mich nicht falsch, das wäre eigentlich ganz und gar nicht blöd, da hättest du in dem Fall ja gewaltig dazugelernt. Aber – Liebes: Ich kenn‘ dich doch. Ich weiß doch, dass du anders tickst. Eine vernünftige Ehe: Das bist doch nicht du! Das funktioniert bei dir nicht, das wissen wir ja schon!“.

Mir verschlug es die Sprache. Das hier war ein Komplott; Bea hatte sich offensichtlich mit der „anderen“ Alma verbündet. Nun war ich beleidigt. „Liebste Bea“, antwortete ich so sehr von oben herab, wie ich das in diesem Moment nur konnte, „Franco ist der allerbeste Mann, den ich hätte finden können. Er ist meine Wahl, dabei bleibt es auch, und ich werde ihn heiraten“. Die letzten vier Worten klangen wie scharfe Pistolenschüsse.

Das Argument mit dem „besten Mann“ hatte die andere Alma mundtot gemacht, und es zog nun offenbar auch bei Bea. Sie schwieg. „Na gut“, brummte sie dann in versöhnlicherem Ton, „das ist ja dein Leben, du musst es wissen. Dann gratuliere ich herzlich!“.

Die Glückwünsche meiner besten Freundin hatte ich mir zwar anders vorgestellt, aber immerhin waren es welche. Ich beschloss, jede Skepsis fortan geflissentlich zu ignorieren, und wenn sie von mir selbst kommen sollte. Schließlich hatte ich eine Entscheidung für ein Leben in einem sicheren Hafen getroffen, und genau das war es, was ich jetzt benötigte.

Franco und ich entschieden uns für eine Winterhochzeit in Innsbruck. Zuerst im Goldenen Dachl, und am nächsten Tag in der Kirche, das war der Plan. Das gab mir einige Zeit für die Vorbereitungen. Und – Gott! – so eine Hochzeit benötigt eine Unzahl an Vorbereitungen! Die wichtigste davon war natürlich das Brautkleid, und Bea ließ es sich nicht nehmen, dafür eigens nach Wien zu kommen.

Sie hatte zudem eingewilligt, meine Trauzeugin zu sein, so wie ich als die ihre fungiert hatte. Es war ein ungemütlicher Herbsttag, der Wiener Wind tat mal wieder sein Bestes, als ich sie vom Bahnhof abholte. Ich würde Bea in meinem Zimmer in der WG einquartieren – natürlich nicht, ohne dass ich vorher demütigst um Erlaubnis gebeten hatte bei meinen „lieben“ WG-Kolleginnen. Sie hatten großzügig zugestimmt – wohl in der Hoffnung, dass sich mein Auszug durch erfolgreiche Hochzeitsvorbereitungen beschleunigen würde. Sie stieg aus, und wir flogen uns in die Arme – schließlich hatten wir uns ein paar Monate nicht gesehen. Und nachdem Bea ihr Gepäck in der Wohnung abgeladen hatte, begossen wir das Wiedersehen gleich nach alter Tradition mit ein paar Gläsern Sekt.

„Liebste Alma“, sagte Bea, die sich zuvor mit sichtbarem Befremden in meiner WG umgesehen hatte, nach dem zweiten Glas, „ich verstehe nicht, warum du immer noch in dieser schrecklichen Bude wohnst! Die ist ja noch schlimmer, als du das geschildert hattest! Warum zum Henker wohnst du nicht schon längst bei Franco?“
Ich biss mir auf die Unterlippe; das Thema war mir schrecklich peinlich. „Ja weißt du… Franco möchte das nicht…“.
„Was soll das heißen, er möchte das nicht? In ein paar Monaten seid ihr verheiratet, dann lebt ihr sowieso zusammen!“, polterte Bea mit reichlichem Unverständnis im Gesicht. „Und du fehlst ihm doch sicher nachts – so frisch verliebt, wie ihr seid“, fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu.
Ich lief rot an. „Naja… weißt du… er meint, das gehört sich nicht. Als Unverheiratete… Das ganze Zusammenleben… Und das andere… Wir werden warten… Bis nach der Hochzeit… Wie seine Eltern halt…“. Ich hatte auch schon mal Zusammenhängenderes von mir gegeben.

Bea stutzte einen Moment, dann brach sie in schallendes Gelächter aus und bestellte eine dritte Runde. „Soll das heißen, ihr habt noch nie…??“. Sie sah mich fragend an und gluckste dabei fröhlich weiter.
Ich wurde nun dunkelrot, dann senkte ich den Kopf und drehte ihn langsam von links nach rechts.
Bea hört auf zu lachen und drehte mein Gesicht am Kinn nach oben. „Mädel!!!“, sagte sie mit Entsetzen in der Stimme, „du sagst mir jetzt aber nicht grad, dass er dich noch nie angerührt hat?
Ich nickte verzweifelt. „Doch!“
„Nicht mal versucht?“
„Nein“, flüsterte ich und musterte wieder meine Füße.
„Das gibt`s doch nicht!“ Bea war fassungslos. „Wo gibt’s denn sowas? Ist das wirklich ein Mann?“
„Ich hab’s wirklich versucht, Bea“, antwortete ich jetzt etwas lebhafter, „aber bei ihm wirkt nichts. Er wiederholt immer nur, dass ich so schön bin. So schön wie seine Mutter. Und dass er bis nach der Hochzeit warten will. Weil er so großen Respekt vor mir hat.“
„Und du willst ihn trotzdem heiraten?“ Bea schüttelte den Kopf.
„Ja, will ich! Ich werde auf ihn warten.“ Bei diesen Worten zuckte ich nun selbst zusammen. Diese Dynamik mit dem Warten kannte ich irgendwie – aber von der anderen Seite.
Bea zuckte ratlos mit den Achseln. „Nicht verliebt und dann noch keinen Sex – ich verstehe dich nicht. Also für mich wäre das nichts. Aber das musst du wissen.“

Sie sprach das Thema dann während ihres Aufenthaltes nicht mehr an. Und ich natürlich auch nicht. Ich stellte ihr Franco vor, und ich konnte förmlich spüren, wie es ihr innerlich die Haare aufstellte – er war ganz und gar nicht der Typ Mensch, der einer Bea sympathisch war. Irgendwie war mir das schon klar gewesen, aber ich hatte halt insgeheim gehofft… Sie navigierte sich trotzdem tapfer durch ein Abendessen zu Dritt und plauderte unverfänglich über Paul und Laurin und ihr neues Leben als Mutter.

Als wir den Heimweg antraten, hielt sie plötzlich an und sagte unvermittelt: „Bist du echt sicher, dass du den heiraten willst?“ Ich nickte nur entschlossen, und das war’s. Auch darüber sprachen wir nicht mehr. Stattdessen stürzten wir uns am nächsten Tag in alle Brautkleider-Läden, die Wien damals aufbieten konnte – oder zumindest in die Hälfte davon. Ich erstand nach langer Recherche und gründlichem Abwägen aller Möglichkeiten einen elfenbeinfarbenen Tülltraum, der es schaffte, gleichzeitig elegant, romantisch und dann doch wieder ein bisschen sexy auszusehen.

Die Kleid-Entscheidung hatte leider viel zu lang gedauert, und so hetzten wir schließlich per Taxi zum Bahnhof. Bea hätte um ein Haar ihren Zug zurück nach Innsbruck versäumt, aber irgendwie schafften wir es dann doch noch. Als sie so aus ihrem Abteil herauswinkte, während sich der Waggon in Bewegung setzte, kamen mir unvermittelt die Tränen. Ich kramte in meiner Tasche nach einem Taschentuch, und während ich mir die Wangen trocknete, wurde mir schlagartig klar, warum ich weinte.

Nicht, weil Bea abreiste – ich war inzwischen gewohnt, dass sie nicht mehr in meiner Nähe war. Nein. Ich weinte, weil Bea mit ihren Bedenken an Franco große Zweifel in mir ausgelöst hatte. War es wirklich die beste aller Entscheidungen, ihn zu heiraten? War er wirklich der allerbeste Mann für mich? Und: Warum zum Teufel wollte er niemals Sex mit mir?

Mit diesen düsteren Gedanken im Kopf kehrte ich in meine Wohnung zurück und ging auf mein Zimmer. Ich zog vorsichtig das frisch erstandene Brautkleid aus seiner Hülle, legte es aufs Bett und starrte es eine Weile lang an. Dann kleidete ich mich langsam aus und streifte mir den weißen Traum über. Das Kleid war wirklich wunderschön. Genauso, wie ich es immer erträumt hatte. Ich mag mich wohl eine halbe Stunde lang vor dem Spiegel gedreht und gewendet haben, da klopfte es zaghaft an der Tür. Ich reagierte nicht. Diese blöden Kühe von WG-Kolleginnen sollten mich einfach in Ruhe lassen – wahrscheinlich wollten sie wieder nachfragen, wann ich nun endlich ausziehen würde.

Wieder klopfte es, und die Klinke wurde langsam nach unten gedrückt. Ich starrte wütend die Türe an. Diese Gören wurden doch immer unverschämter! Jetzt reichte es aber! Denen würde ich jetzt aber was erzählen! „Ilse!!!“, begann ich drohend, als genau in dem Moment die Türe aufging. Im Raum stand – Julian. Ich weiß nicht, wer geschockter war: Er über meinen Anblick im Brautkleid oder ich über die Tatsache, dass dieser Mann auf einmal in meinem Zimmer stand – und über den Magenhüpfer, den das bei mir verursachte.

Julian fing sich zuerst. Er setzte ein spöttisches Gesicht auf, deutete auf mein Kleid und sagte: „Tja, das letzte Mal war das Ding pink, wenn ich mich recht erinnere… Du scheinst ein Faible für Tüll zu haben…“.
Das war zu viel für mich. „Was willst du hier?“, brüllte ich ihn an.
„Ich… habe gehört, dass du heiraten willst“, entgegnete er, und der spöttische Ausdruck verschwand aus seinem Gesicht.
„Ja genau, und deshalb hast du hier überhaupt nichts zu suchen!“.
„Doch. Genau deshalb muss ich hier sein!“. Julian machte einen Schritt auf mich zu. „Wir gehören zusammen. Du darfst keinen anderen heiraten!“, sagte er, und seine Stimme wurde brüchig.

Ich starrte ihn fassungslos an. Was sagte dieser Idiot, der nie für mich da gewesen war, sich nie für mich entscheiden konnte und zu unreif und zu egoistisch war für jede tiefere Beziehung? Dass ich niemanden anderen heiraten dürfe? Sollte ich etwa mein Leben lang vergebens auf ihn warten?

Ich wollte gerade etwas sehr Unhöfliches zu ihm sagen, aber er kam mir zuvor. Mit einem Satz war er bei mir, nahm mich in die Arme und küsste mich.

Ich war so überrascht, dass ich seinen Kuss erwiderte. Mit Zunge! Und mit einem ganzen Schwarm an Schmetterlingen im Bauch, die sich dort offenbar versteckt und nur diese Gelegenheit abgewartet hatten, um sich in wildem Flug zu erheben. Ich schloss die Augen und vergaß alles um mich herum: Franco, Bea, die Hochzeit und sogar das Kleid, das ich gerade trug. Nur eines vergaß ich nicht: Julian und dass er hier war und dass wir uns gerade küssten.

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Bettina Maria König

Bettina König wuchs als Tochter eines tüchtigen Apothekers im sehr fernen Außerfern auf, wo es ihr aber bald zu kalt und provinziell wurde. Sie flüchtete nach Innsbruck und mutierte via Studium zum Dr. phil., um postwendend in die Riege der „Tirol Werber“ aufgenommen zu werden. Als das Bedürfnis nach Wärme noch größer wurde, nahm sie eine Stelle als Presseverantwortliche in Bozen an – nicht ahnend, dass es dort mit der Provinzialität noch schlimmer bestellt ist als im heimatlichen Reutte. Dem Berufsbild des professionellen Schreiberlings treu bleibend, durchlief sie in Südtirol mehrere Positionen und war zwischendurch auch freiberuflich als PR-Fachkraft, Journalistin und Texterin tätig. Das Bedürfnis nach kreativem Schreiben befriedigte sie unter anderem durch die Herausgabe eines Kinderbuchs („Die Euro-Detektive“) für eine Südtiroler Bank. Derzeit zeichnet sie für die Unternehmens-Pressearbeit von IDM Südtirol verantwortlich, hat die kreative Schreiblust aber immer noch nicht gebändigt. Zwei erwachsene Kinder.

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