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Bettina Maria König
Alma sagt Ja.
Fortsetzungsroman


Ich sagte „Ja“. Nicht sofort. Da war diese eine Minute, die sich für Franco wohl wie ein Jahrhundert gezogen haben muss und in der in Lichtgeschwindigkeit eine ganze Podiumsdiskussion in meinem Kopf ablief. Alma gegen Alma sozusagen.

Die eine war hingerissen von der Idee, endlich zu jemandem zu gehören, anzukommen im Leben. Im wirklichen Leben, in dem man selbstverständlich verheiratet ist. Und natürlich auch hingerissen von der Vorstellung, diesen phänomenalen, wirklich spektakulären Verlobungsring am Finger zu tragen und bald eine Braut in Weiß zu sein. Kinder führte diese Alma unfairerweise auch ins Kalkül, und das war nun ein Argument, bei dem die meisten Frauen butterweich werden.

Aber da war auch die andere Alma, und die stellte nur eine einzige Frage: „Und wo sind die Schmetterlinge im Bauch?“. Sie hatte nicht unrecht. War ich denn wirklich VERLIEBT in diesen Menschen? Oder fand ich ihn nur nett, süß, fürsorglich, reizend…? Hatte ich vielleicht sogar Torschlusspanik mit meinen fast 23?

Der Rest meiner Familie war ja unfairerweise schon verheiratet, sogar die meiner Meinung nach total unreifen Brüder, und der Junggesellinnenzustand schwebte schon seit Jahren wie ein Damoklesschwert über meinem Haupte… Diese skeptische Alma bekam zu allem Überfluss Schützenhilfe von einem gewissen Julian. Oder besser vom Gedanken an einen gewissen Julian, und dabei regte sich in der Magenregion zu meiner Überraschung tatsächlich noch einiges.

Aber es half ihr dann doch nichts. Der Verlobungsring gewann. Und die Überlegung, dass es wohl besser sei, einen lieben, verlässlichen Spatz in der Hand zu halten als gar keinen Vogel, weil sich diese blöden Tauben meist auf anderen Dächern wohler fühlten als auf meinem. Franco war wohl der beste Mann, den ich finden konnte, schloss ich meine Minutenüberlegung. Und so endete diese eben mit einem „Ja“. Keinem lauten, kräftigen, entschlossenen. Aber mit einem „Ja“.

Franco strahlte, nahm den Ring vorsichtig aus der Schachtel und streifte ihn unendlich behutsam über meinen Ringfinger. Gott, wie das Ding wunderbar glitzerte und funkelte! Ich konnte kaum den Blick davon abwenden. Musste ich dann doch, denn mein frisch gebackener Verlobter hob mein Kinn und umarmte mich überglücklich, und sein offensichtliches Glück machte auch mich glücklich.

Er setzte sich wieder an seinen Platz, biss in sein Croissant und meinte, genüsslich kauend: „Also eine Sommerhochzeit schaffen wir wohl nicht mehr, das wäre zu stressig. Ist dir lieber eine Herbst- oder eine Winterhochzeit? Die hätte auch was Romantisches. Wir könnten in Innsbruck heiraten, wenn du magst. Im Goldenen Dachl, bei Schneefall… Und dann in irgendeiner schönen Kirche. Ihr habt da ja sicher einen Haufen davon…“.

In diesem Moment kam Ilse in ihrem mit circa 1.000 Mickey-Mäusen bedruckten Morgenmantel durch die Küchentür hereingeschlurft, die Haare unter einem Handtuchturban verborgen, auf dem ebenso eine Mickey Mouse prangte. Ich überlegte reflexartig, wie viele Haare sie wohl wieder in der Dusche hinterlassen hatte. Mich schauderte. „Ach, ihr heiratet?“, fragte sie gähnend, und ihr Blick fiel auf meine Hand mit dem Verlobungsring. „Nice! Dann wird wohl dein Zimmer frei? Kann ich das haben? Du hast mehr Sonne…“. Sie öffnete den Kühlschrank, nahm eine Packung Orangensaft heraus, und bevor ich ihr noch sagen konnte, dass das eigentlich meine war, war sie damit schon wieder aus der Küche verschwunden.

Franco und ich tauschten fassungslose Blicke aus. Er schüttelte den Kopf. „Ja, und dann holen wir dich natürlich hier raus!“. Mit dem rechten Arm machte er eine allumfassende Bewegung, die den überquellenden Müllkorb umfasste, den Paula seit einer Woche entleeren sollte, weil es ihr Turnus war, den wackeligen, abgewetzten Küchentisch und den mit Bröseln übersäten Boden, den Ilse eigentlich längst hätte saugen sollen; ich hatte irgendwann aufgegeben, allen hinterherzuputzen wie Aschenbrödel und mich in mein schmutziges Schicksal ergeben.

„Du ziehst nach der Hochzeit natürlich zu mir, wie es sich gehört! Meine Wohnung ist groß genug für zwei“, fügte Franco hinzu. Er war einfühlsam genug, um nicht laut zu sagen, dass sie auch in einer viel besseren Gegend lag und nicht nur in puncto Sauberkeit, sondern auch, was die Einrichtung betraf, die Absteige hier um Lichtjahre übertraf.

Ja, es war gut, einen solchen Mann an meiner Seite zu haben, der Nägel mit Köpfen machte und sich um mich kümmerte. Und der vor allem nicht dauernd davonlief. Alles andere zählte jetzt nicht. Oder besser: Ich wollte nicht, dass es zählte.

Der weitere Vormittag verging mit Pläne schmieden. Das heißt, Franco schmiedete Pläne, und ich hörte zu. Es ging um so essentielle Dinge wie Hochzeitskleider, die Wohnungseinrichtung und Gästelisten. Irgendwann wurde er plötzlich still. „Darf ich mal telefonieren?“, fragte er dann, und wirkte angespannt dabei, „ich sollte es meinen Eltern sagen!“. Ich nickte und deutete mit einem verständnisvollen Lächeln auf unser Haustelefon, das draußen im Gang stand, aber innerlich zuckte ich zusammen. Das war neu für mich.

Bei Franz war es erst gar nicht dazu gekommen, dass ich mit ihm nach Südtirol zu den Seinen gefahren wäre, da war Florenz dazwischengekommen. Und Julian hatte mich immer fein säuberlich entfernt gehalten von jeglichen Freunden und Verwandten. In Francos Fall kam nun noch dazu, dass es doch auch sein konnte, dass seine Eltern aus irgendwelchen Gründen Francos Heirat ablehnten – waren sie denn nicht immer noch im Clinch mit ihm?

Mein Herzklopfen legte sich sofort wieder, als Franco die ersten Worte in den Hörer gesprochen hatte. Er hatte offenbar seine Mutter erwischt, und die reagierte genauso enthusiastisch wie er, als sie die Nachricht vernahm. Ich konnte das einwandfrei ihrer Stimmlage entnehmen, obwohl ich in der Küche sitzengeblieben war. Der Apfel fällt wohl wirklich nie weit vom Stamm. Davon, dass Franco in Missgunst gefallen und fast verstoßen worden wäre von seinen Altvorderen, war kein bisschen zu spüren.

Mutter und Sohn unterhielten sich noch ein Weilchen in bestem Einvernehmen, und als er in die Küche zurückkam, wirkte er erleichtert: „Sie freut sich total. Und Papa auch! Sie haben uns für nächste Woche zum Abendessen eingeladen, sie wollen dich unbedingt kennenlernen.“ Ich muss wohl einigermaßen verängstigt dreingeschaut haben ob dieser Nachricht, denn Franco kam zu mir rüber, nahm mich in den Arm und flüsterte mir ins Ohr: „Es wird alles gut. Sie werden dich mögen!“.

Er hatte recht: Sie mochten mich. Und ich sie auch. Der Kloß, der sich in meinem Hals befand, als wir mit Blumenstrauß und Sektflasche bestückt an der Tür der schicken Villa in Döbling läuteten, löste sich in dem Moment auf, als seine Mutter öffnete und uns anstrahlte. Sie war eine überaus sympathische, mittelgroße, zierliche und sehr gepflegte Frau von natürlicher Freundlichkeit und klassischer Schönheit, die grauen Haare in schöne Wellen gelegt. Irgendwie erinnerte sie mich sofort an jemanden. Aber ich hatte keine Zeit nachzudenken, an wen, denn sie kam sofort auf mich zu und umarmte mich herzlich. Es war echte Herzlichkeit, keine aufgesetzte, das spürte ich sofort.

„Also du bist Francos Alma“, begrüßte sie mich aufgeräumt, und dann, an ihren Sohn gewandt: „Sie ist wirklich eine Schönheit, wie du gesagt hast!“. Mir schoss die Röte in die Wangen.
Hinter ihr stand Francos Vater, groß, schlaksig, und bei weitem weniger extrovertiert als seine Frau, aber nicht weniger freundlich. Er gab mir wohlwollend die Hand und begleitete uns in ein riesiges Wohnzimmer, in dem ein enormer Esstisch sorgfältig und einladend gedeckt war. Dabei legte er den Arm um seinen Sohn und wirkte sichtlich gerührt.
„Schön, dass ihr da seid“, meinte er nur.

Es gab italienisches Essen – ein viergängiges Menü mit Antipasti, Vorspeise, Hauptspeise und Dessert, und mir wurde schon beim ersten Gang klar, dass Franco seine Kochkunst von seiner Mutter gelernt hatte. Das Händchen für guten Wein hingegen stammte wohl von seinem Vater, der uns nach einem süffigen Weißwein einen duftenden Roten servierte und dabei so aufmerksam nachschenkte, wie das sein Sohn immer bei mir machte.

Auch die Konversation war sehr angenehm und kultiviert. Man plauderte angeregt und klug über Gott und die Welt, und hin und wieder erzählten Vater oder Mutter amüsante Anekdoten aus Francos Kindheit und Jugend. Das war ihm zwar höchst peinlich – so rot hatte ich ihn noch nie werden sehen -, aber mir gaben diese Erzählungen einen tiefen Einblick in Francos Wesen und in die Art und Weise, wie er erzogen worden war. Und natürlich belustigten sie mich sehr. Die Geschichte, wie er immer bei seiner großen Schwester Zuflucht gesucht hatte, wenn die anderen Buben hinter ihm her waren, und wie sie diese an seiner Statt dann immer verprügelt hatte, gefiel mir besonders gut.

Gleichzeitig hatten es meine Schwiegereltern in spe am Ende des Abends geschafft, alles Wissenswerte über mich zu erfahren, ohne dass ich das Gefühl hatte, ausgefragt worden zu sein. Das stellte ich überrascht fest, als wir aus der Tür wieder in die laue Abendluft traten. Beschwingt hüpfte ich an Francos Seite zu seinem geparkten Auto hin. Plötzlich blieb ich wie angewurzelt stehen. Gerade war es mir wie Schuppen von den Augen gefallen – ich wusste jetzt, an wen mich seine Mutter erinnerte, in ihrem Aussehen, aber auch in ihrer Art: Sie erinnerte mich an mich selbst!

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Bettina Maria König

Bettina König wuchs als Tochter eines tüchtigen Apothekers im sehr fernen Außerfern auf, wo es ihr aber bald zu kalt und provinziell wurde. Sie flüchtete nach Innsbruck und mutierte via Studium zum Dr. phil., um postwendend in die Riege der „Tirol Werber“ aufgenommen zu werden. Als das Bedürfnis nach Wärme noch größer wurde, nahm sie eine Stelle als Presseverantwortliche in Bozen an – nicht ahnend, dass es dort mit der Provinzialität noch schlimmer bestellt ist als im heimatlichen Reutte. Dem Berufsbild des professionellen Schreiberlings treu bleibend, durchlief sie in Südtirol mehrere Positionen und war zwischendurch auch freiberuflich als PR-Fachkraft, Journalistin und Texterin tätig. Das Bedürfnis nach kreativem Schreiben befriedigte sie unter anderem durch die Herausgabe eines Kinderbuchs („Die Euro-Detektive“) für eine Südtiroler Bank. Derzeit zeichnet sie für die Unternehmens-Pressearbeit von IDM Südtirol verantwortlich, hat die kreative Schreiblust aber immer noch nicht gebändigt. Zwei erwachsene Kinder.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Ronald Weinberger

    Sehr verehrte Frau Doktor!
    Es ist mir seit geraumer Zeit ein Bedürfnis, ja geradezu ein Drang, ein paar Zeilen zu Ihrem Fortsetzungsroman abzusondern. Ich habe, falls mich jetzt mein Erinnerungsvermögen nicht im Stich lässt, alle Folgen gelesen. Was mich selbst überrascht, denn ein Junge-Damen-Thema sollte mir, einem wahrlich alten (70+) Knacker, fern liegen. Weder hat mich nämlich das Schicksal mit einer Tochter noch mit einer Schwester versorgt (geprüft?), und auch sonst verspür(t)e ich kaum das, was man „typische weibliche Regungen“ zu nennen sich erkühnt, in mir. Na ja, in letzter Zeit eventuell doch, da der vermutlich gesunkene Testosteronspiegel seltsame Blüten treibt, unter anderem die, dass ich an ein, zwei Stellen in Ihrem Text eine etwas verstärkte Tränendrüsenaktivität zu verspüren nicht umhin kam.
    Daher zum Kern meines Kommentars. Sie haben einen Roman in Herrn Schöpfens Blog platziert, den ich nicht anders als herzerfrischend, charmant, vergnüglich – und dessen einzelne Folgen als stets zum Weiterlesen animierend – bezeichnen möchte. Sie verfügen über die Gabe, einfühlsam und zugleich flott formulieren zu können. Kurzum: Es war mir ein Pläsier. Ich danke Ihnen.

  2. Susanne Preglau

    Liebe Bettina,
    die Geschichte deiner Alma steht an einem Wendepunkt.
    Zwischen einem funkelnden Verlobungsring und der Überzeugung der Verbundenheit mit einem Menschen, mit dem man in Zukunft sein Leben teilen will.
    Zwischen einem – in jedem Fall vergänglichen – Gefühl der Verliebtheit und der Aussicht auf Liebe zur Bewältigung aller Herausforderungen des Lebens – wovon deine Alma in ihrer Jugend noch nichts zu wissen scheint.
    Alma fragt sich, ob sie „verliebt“ sei, von „Liebe“ scheint sie noch keinerlei Begriff zu haben.
    Franco macht seine Sache um keinen Deut besser – in Konventionen befangen will er selbstverständlich weder spontan „gleich“ heiraten noch mit der Frau seiner Träume „gleich“ zusammenziehen……….wenn das nur gut gehen kann……..
    bin schon gespannt auf die Fortsetzung

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