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Alois Schöpf
Wenn die Politiker korrupt sind,
sind es auch die Medien.
Ein Einwand


Peter Pilz hat schon einige Höhen und Tiefen in seinem Leben durchgemacht. Angetreten ist er als Kämpfer der trotzkistischen Gruppe Revolutionärer Marxisten, wobei niemals bekannt wurde, ob er sich je vom totalitären Unsinn seiner Randständigkeit distanziert hätte, wie Linke es bekanntlich mit größter Selbstverständlichkeit von ihren „Kollegen“ am rechtsradikalen Rand verlangen. Später war er dann Mitbegründer der Grünen Partei, bis er, aufgrund welcher Verhaltensdefizite auch immer, von der Damenschaft selbiger so weit nach hinten gereiht wurde, dass er in bitterer Rachsucht eine eigene Partei gründete, die in Folge vom Wähler rasch wieder in die Wüste geschickt wurde.

Zwischendurch verirrte Pilz sich am Höhepunkt der Me-too Bewegung auch in den Klatsch-und Quatschbereich der Medienberichterstattung. Offenbar hat er nicht nur eine Büromitarbeiterin durch anzügliche Bemerkungen in ihrer Integrität verletzt, sondern sich auch beim interkulturellen Almauftrieb im katholischen Alpbach in schwer illuminiertem Zustand ausgerechnet an jene Dame herangemacht, die in ihrer Mischung aus ministerieller Schönheit und selbstbewusstem Gebaren sogar als Nachfolgerin von Sebastian Kurz gehandelt wurde und über das ungezogene Betragen des kleinen grünen Männchens großzügig hinwegsah. Ganz im Gegensatz zu einigen Zeugen des Vorfalls, welche die Peinlichkeit medial weidlich ausschlachteten. In Folge hüllte Peter Pilz sich, seiner politischen Korrektheit getreu, in das härene Büßerhemd des ertappten Wüstlings und stellte seine politische Tätigkeit solange ein, bis es die Gerichte auch in ihrem Zuständigkeitsbereich taten.

Politisch also auf allen Ebenen gescheitert hat Pilz sich, überall und stets Korruption witternd, dennoch im Laufe seines langen politischen Wirkens bei der Aufdeckung von Skandalen Verdienste erworben, vergleichbar in etwa dem auch in Tirol von ungebrochener nationalmarxistischer Aufdeckungswut besessenen Markus Wilhelm, dessen Verdienste im Hinblick auf die unverantwortlichen Cross-Border-Leasing Steuertrickgeschäfte des größten Tiroler Energieversorgers oder auch im Hinblick auf von fremder Hand geschriebene akademische Arbeiten von Millionärsgattinnen unbestreitbar sind. In gleicher Weise bleiben auch die Lucona-Affäre und der Noricum-Skandal mit dem Namen Peter Pilz verbunden, ebenso die mutige Aufdeckung des österreichischen „Baukartells“, aber auch seine ungebrochene Überzeugung, beim Ankauf der Eurofighter sei es ohne schwere Korruption nicht abgegangen, eine Behauptung, die bisher von den Gerichten trotz eigenartiger Freikaufs-Zahlungen des Konzerns im benachbarten Deutschland noch immer nicht bestätigt wurde.

Statt nunmehr nach Beendigung seiner politischen Laufbahn die verdiente Politikerpension in seinem Wiener Gemeindebau anzutreten, hat Peter Pilz sich dafür entschieden, in das Fach des Investigativ-Journalisten überzuwechseln und, auch in diesem Punkt mit dem Tiroler Markus Wilhelm vergleichbar, mit „Zackzack“ eine Online-Plattform aufzubauen. Als Herausgeber selbiger und als stolzer Besitzer eines Sticks, auf dem ihm die gesammelten Chats eines ins Wasser gefallenen Politiker-Handys überbracht wurden, dessen Daten von einem Spezialisten nicht nur gerettet, sondern in widerrechtlicher Weise weitergegeben wurden, war er dieser Tage Interviewgast bei Isabelle Daniel auf oe24tv. Bekanntlich eine Sendeanstalt, die im Gegensatz zu den eitlen Inquisitoren des ORF ihre Gäste ausreden lässt, sodass der Zuseher Gelegenheit hat, sich selbst eine Meinung zu bilden.

Was Peter Pilz betrifft, so begegnete man, wie nicht anders zu erwarten, einem körperlich fitten, redegewandten, hochironischen Mann, der einem durchaus sympathisch hätte sein können, wenn er sich nicht einer unüberbietbaren moralischen Überheblichkeit, Besserwisserei und Arroganz befleißigt und im angeblich genauen Wissen um die moralischen Qualifikationen unserer gewählten Machthaber von einer flächendeckenden Korruption gesprochen hätte. Diese sei nämlich durch den in seinen Besitz gelangten Chat-Verkehr des Herrn Kloibmüller zumindest im Hinblick auf die ÖVP endgültig bewiesen. Selbstverständlich habe er alle Daten, so Pilz abschließend und großzügig lächelnd, an die WKStA weitergegeben.

Als seit Jahrzehnten die politische Szene Österreichs beobachtender Schriftsteller und Journalist blieb mir in diesem Moment die Frage nicht erspart, wie korrupt ich eigentlich selbst sein müsse, wenn ich all dies, was Peter Pilz hier als unumstößliche Tatsachen präsentierte, niemals in diesem Ausmaß wahrgenommen habe. Der Vorwurf betrifft aber nicht nur mich, der ich zufällig vor dem Fernsehapparat saß, sondern sämtliche meiner Kolleginnen und Kollegen, mit Ausnahme natürlich jenes einsam im Ötztal sitzenden Bloggers, der mir bereits vor Jahren die Ehre hatte angedeihen lassen, mich in die Schar der besonders prominenten Totengräber des heimischen Journalismus aufzunehmen.

Wenn Pilz richtig lag mit dem, was er hier behauptete, lag auch sein regionaler Zwillingsbruder im Geiste Markus Wilhelm nicht daneben, woraus folgt, ohne dass ich hier einen Vertretungsanspruch für die Damen und Herren meines Berufsstands erheben möchte, dass alle in den Medien des Landes Tätigen und dort ihr Brot Verdienenden im Hinblick auf ihre Ansprüche und im Hinblick auf die wohlklingenden Richtlinien und ethischen Grundsätze ihrer Arbeit kläglich versagt haben müssen.

Pilz liegt jedoch nicht richtig, weshalb sich auch sein sogenannter, sich selbst stets als heldenhaft feiernder Aufdeckungsjournalismus, wie er den gesamten Staat in den letzten Monaten von einer Krise in die nächste taumeln ließ, den Vorwurf der eitlen Selbstberauschung gefallen lassen muss.

Abgesehen von der Zurückweisung einer zumindest indirekten Herabwürdigung der in den österreichischen Medienunternehmen Beschäftigten ist nämlich im Hinblick auf die Behauptung von Pilz, die Politik Österreichs sei von flächendeckender Korruption gekennzeichnet, von vornherein als Gegenargument die Frage ins Treffen zu führen: Wie ist es dann möglich, dass diesem Österreich trotz solch angeblich niederschmetternder moralischer Verrottung und ganz im Gegensatz zu zahlreichen afrikanischen Staaten oder den Nachfolgestaaten der Sowjetunion gelungen zu sein scheint, eines der reichsten Länder der EU und der Welt überhaupt zu werden?

Wird hier nicht bewusst der Begriff der Korruption, eigentlich definiert als „Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil“ (Transparency International), exzessiv ausgeweitet, um damit einen mit den Inhalten der Vorwürfe in keinem Zusammenhang stehenden Zweck zu erfüllen, auch wenn selbiger nur in der Erhöhung der Zugriffszahlen auf „ZackZack“ und einer damit gesteigerten Attraktivität für Werbekunden bzw. in erhöhter politischer Medienmacht bestünde –alles Strategien, die unter der erweiterten Definition von Korruption selbst wiederum nur als Korruption bezeichnet werden können.

Um den Unterschied zwischen der von Pilz behaupteten und jener tatsächlichen, die Volkswirtschaft von ganzen Ländern aushöhlenden und ruinierenden Korruption zu verdeutlichen, genügt ein Hinweis auf das Buch von Angus Deaton „Der große Aufbruch“, in dem der Peinlichkeit großer Raum gewidmet wird, dass zu viele Entwicklungshilfemittel des Westens ausgerechnet jene Diktaturen in ihrer Macht festigen, die ohne solche Zuschüsse an der Gefräßigkeit ihrer tribalistischen Clans ersticken würden.

Zugleich wäre es natürlich naiv zu behaupten, dass in Österreich nicht selbst die Anstellung von Kindergärtnerinnen zuweilen von der Zugehörigkeit zur richtigen Partei abhängt. Und es wäre naiv, nicht in die Behauptung miteinzustimmen, dass es die Parteien, vor allem ÖVP und SPÖ, die über Jahrzehnte als Koalitionäre die Macht teilten, in Sachen sogenannter „Freunderlwirtschaft“ entschieden zu weit getrieben haben.

Dennoch darf trotz aller Kritik nicht aus dem Auge verloren werden, und dies hat sogar mein sozialdemokratischer Freund Elias Schneitter vor einigen Wochen in einer seiner Kolumnen festgehalten, dass es keineswegs unsittlich, ja geradezu ein Auftrag des Wählers ist, wenn Parteien Positionen, die sie zu vergeben haben, mit Personen besetzen, die ihnen weltanschaulich nahestehen. Tatsächlich wäre es geradezu eine Provokation des Wahlvolkes, wenn gewählte Katholiken Marxisten küren würden, gewählte Sozialdemokraten neoliberale Arbeitsplatzvernichter oder Grüne technokratische Betonschädel!

Angriffspunkt im Zusammenhang mit einem legitimen Interesse an weltanschaulicher Nähe ist hier lediglich die ärgerliche und durchschaubare Verlogenheit, mit der in der Öffentlichkeit über Objektivität und unabhängige Jurys geschwafelt wird, wobei jeder und jede, der oder die dieses Hohelied des angeblichen Anstands anstimmt, zugleich ganz genau weiß, dass Parteinähe eine zu Recht eingeforderte Qualifikation ist, die jedoch heuchlerisch niemals öffentlich, sondern immer nur in den Hinterzimmern der Macht eingefordert wird.

Ein weiterer berechtigter Angriffspunkt ist die Kompetenz, mit der die jeweils Auserwählten sodann ihre Aufgabe bewältigen, wobei sich, zum Beispiel auf die Tiroler Landespolitik bezogen, leider zu oft erweist, dass die Zugehörigkeit zu einer Teilorganisation, die Situierung in einem bestimmten Landesteil und zuletzt sogar das richtige Geschlecht zwecks alibihafter Vergenderung einer Regierung oftmals wichtiger sind als die Fähigkeiten, die für einen konkreten Job notwendig sind. Dies ist allerdings nicht Korruption, sondern lediglich eine unverantwortliche Personalpolitik, die all jene verärgert, die etwas von einer Sache verstehen und es  aufgegeben haben, sich noch irgendwo zu bewerben.

All dies ist tatsächlich vor allem den beiden ehemaligen Großparteien ÖVP und SPÖ vorzuwerfen. Daraus jedoch eine endemische moralische Niedertracht abzuleiten, über die offenbar ebenso niederträchtige Medien jahrzehntelang hinweggesehen haben, bis der Erlöser in der menschlichen Ausformung eines Peter Pilz vom Himmel herabstieg, um das Böse ans Licht zu bringen, lässt auf ein Menschenbild schließen, das nicht den humanen Zielen der Aufklärung verpflichtet ist, sondern den niederen Freuden eines verletzten Egos durch die bedenkenlose Zerstörung des Rufs anderer.


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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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