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Nicole Staudenherz
Gefiederte Freunde in Not
Warum Vogelschutz uns alle angeht.
Essay


Es steht nicht gut um unsere gefiederten Freunde. Europaweit ist jede fünfte Vogelart vom Aussterben bedroht oder potenziell gefährdet. Das geht aus der Roten Liste 2021 hervor, die von NABU und BirdLife International erstellt wurde.

Die Gründe für den tragischen Artenschwund sind vielfältig und menschgemacht: intensive Landwirtschaft und Pestizideinsatz, zunehmende Flächenversiegelung, Übernutzung von Naturräumen, nicht nachhaltige Praktiken in der Forstwirtschaft, Raubbau und unkontrollierte Jagd. Last but not least ist auch die Klimakrise eine große Bedrohung für die Vogelwelt.

Die Biodiversitätskrise geht uns alle an. Wir Menschen neigen dazu auszublenden, dass auch wir selbst ein Teil des hochkomplexen Ökosystems Erde sind. Sterben einzelne Arten aus, kann das zu unvorhersehbaren und verheerenden Domino-Effekten führen, die dann urplötzlich auch unsere eigenen Lebensgrundlagen bedrohen. Stichwort: Ernteausfälle. Die Situation der Vögel gilt hierbei als wichtiger Bioindikator für den zunehmend prekären Zustand der Natur.


Die gute Nachricht

Das Bewusstsein für den Artenschutz wächst und viele Menschen engagieren sich vor der eigenen Haustür. Zum Beispiel als Amateurforscher.

Österreichs größtes Citizen Science Projekt, die „Stunde der Wintervögel“, findet jedes Jahr im Jänner statt. 2022 erzielte die kollektive Vogelzählung einen siebenprozentigen Zuwachs an Teilnehmenden und damit auch deutlich mehr Wintervögel, die in der Zählung erfasst werden konnten. Dabei beobachten Privatpersonen im eigenen Garten oder im Garten von Bekannten eine Stunde lang die Vögel und zählen, wie viele Vertreter einer Art sich gleichzeitig an der Futterstelle befinden. Sie notieren dann die höchste Anzahl und senden das Ergebnis der Organisation Bird Life.

Auffällig ist, dass die Zahl der Vögel, die in den letzten Jahren gezählt wurden, stark abgenommen hat. Im Jahr 2011 wurden noch 50 Individuen im Garten gezählt, 2021 waren es nur mehr 29 Vögel. 2022 stagnierte die Zahl auf niedrigem Niveau. Beispiel Tirol: Über 1000 Teilnehmende zählten im Durchschnitt etwa 29 Tiere. Ganz oben auf dem Siegerpodest der meistgesichteten Vogelarten: der Haussperling.

Die Interpretation dieser Zahl ist gar nicht so einfach, denn die üblichen Gartenbesucher wie zum Beispiel Meisen, Kleiber und Specht bleiben manchmal aus. So zum Beispiel im Jahr 2020, weil es ein massives Blütenjahr der Fichten war. Manche Arten kamen nicht zur Futterstelle, weil sie im Wald genug Nahrung fanden.


Welche Vögel überwintern in Tirol?

Speziell die Vögel, die auf Baumsamen angewiesen sind, bleiben im Winter hier. Kleiber, Spechte, Spatzen, Amseln, Meisen auch und auch unser kleinster Vogel, das Wintergoldhähnchen, überwintern in Tirol. Das Sommergoldhähnchen hingegen ist ein Kurzstreckenzieher.

Insbesondere im städtischen Raum und in Dörfern sind viele Vögel dazu übergegangen, nicht wegzufliegen. Das hängt mit dem milderen Klima in Städten und der Vogelfütterung zusammen.

Langstreckenzieher sind etwa die Mönchsgrasmücke, der Mauersegler, die Mehlschwalbe und der Neuntöter. Viele überwintern in Afrika, südlich der Sahara. Der Kuckuck fliegt sogar bis Südafrika.

Es gibt nur zwei Ausnahmen, den Zwergschnäpper und den Karmingimpel. Sie überwintern in Indien und südlich vom Himalaya.

Kurzstreckenzieher überwintern im Mittelmeerraum und sogar in Südtirol. Viele Zugvögel machen auch Halt in Tirol, wenn sie zurück nach Skandinavien fliegen. Sie orientieren sich an Tälern, Flussläufen und Feuchtgebieten. Fichtenkreuzschnabel, Bartgeier und Kolkraben brüten bei uns im Winter.


Die heimischen Vögel und der Klimawandel

Manche Arten wie die Bachstelze bleiben aufgrund der milden Winter in Österreich. Einige Kurzstreckenzieher wie der Zilpzalp und der Hausrotschwanz kommen schon früher aus ihren Winterquartieren zurück.

Vögel des offenen und halboffenen Kulturlandes sind bei uns in Österreich bedroht. Grund dafür sind die intensive Landwirtschaft und der Klimawandel. Wiesen werden mittlerweile drei Wochen früher als noch vor etwa fünfzig Jahren gemäht. Dadurch finden diese Vögel zu wenig Nahrung und Nester werden zerstört. Auch Vögel, die in Feuchtgebieten leben, sind stark gefährdet. In Tirol existieren nur mehr drei Prozent der ursprünglich vorhandenen Augebiete. Auch Vögel wie der Weißrückenspecht sind stark gefährdet, da sie auf Totholz und Urwälder angewiesen sind.

Manche hochalpine Arten wie das Alpenschneehuhn wandern immer höher und wenn sie schlussendlich die Gipfelgrenze erreicht haben, fehlt ihnen ein geeigneter Lebensraum. Der voranschreitende Klimawandel bringt auch Vegetationsveränderungen mit sich.

Dagegen werden Vögel wie der Bienenfresser immer häufiger bei uns, da sie an Klimabedingungen angepasst sind, die bisher nur weiter im Süden vorzufinden waren. Der Wiedehopf, der sehr stark gefährdet und fast schon ausgestorben ist, profitiert also von der Klimaerwärmung.


Was den Rückgang der Vogelarten  bremst?

Wer einen Garten besitzt, kann ihn naturnah gestalten, um den Tieren einen guten Lebensraum zu bieten. Das bedeutet unter anderem, den Garten einfach nicht bis ins letzte Eck aufzuräumen und eine Wasserstelle bereitzustellen. Eine Winterfütterung stellt ebenfalls einen kleinen Beitrag dar.

Wollen wir das einzigartige Ökosystem Erde erhalten, dann ist Respekt vor der Natur das Gebot der Stunde. Ruhegebiete und Schutzzonen sind zu akzeptieren. Der rücksichtslose Raubbau an der Natur muss ein Ende finden.

Wir alle können einen Beitrag leisten. Beispielsweise ist es auch möglich, sich aktiv bei verschiedenen NGOs wie zum Beispiel bei BirdLife Österreich zu engagieren.
Abschließend sollen hier noch einige heimische Vogelarten porträtiert werden – auch als Anregung für das Lesepublikum, selbst im Vogelschutz aktiv zu werden.


Die Mehlschwalbe, der fliegende Käscher

Die Mehlschwalbe ist der Vogel des Jahres 2022. Ein ganz besonderer Flugkünstler: Schwalben jagen Insekten nämlich während des Fliegens. Sie verbringen deshalb den größten Teil ihres Lebens in der Luft. Der Nachteil dieser Nahrungsbeschaffung ist die Wetterabhängigkeit, denn ihre Beute ist bevorzugt bei warmem Wetter unterwegs. Sie haben einen sehr günstigen Körperbau, sodass sie bis zu 70% weniger Energie verbrauchen als andere gleich große Vögel.

Mehlschwalben brüten ursprünglich in Naturfelsen, in Tirol brüten sie fast ausschließlich an Gebäudefassaden bis in Dörfer auf einer Höhe von 2100 Metern. Sie bauen Napfnester an Hausfassaden, am liebsten mit einer großen Schwalben-Nachbarschaft. Ihr kunstvolles Nestbauwerk benutzen sie meist mehrere Jahre, da ein Neubau bis zu 18 Tage dauern kann.

Für die Futterbeschaffung der Nestlinge sind die Schwalbeneltern von 6 Uhr bis 21 Uhr unterwegs. „Wo die Schwalbe nist‘ im Haus, zieht der Segen nimmer aus“, heißt es im Volksmund

Den Schwalben mangelt es aber immer öfter an Nistmaterial. Sie benötigen über 1000 Erdklümpchen, mit denen sie ihr Napfnest bauen. Lehm und andere Materialien, die sie dazu benötigen, sind rar geworden. Die Hinterhöfe der Bauerhöfe sind versiegelt, die Feldwege asphaltiert und lehmige Feuchtstellen trockengelegt. So müssen manche Schwalben bis zu 1000 Mal fliegen, um genug Nistmaterial zu finden, manchmal fliegen sie bis zu 200 Kilometer.

Aber so leicht kann das Glück im Haus einziehen: Spezielle Schwalbennapfnester, die man in diversen Geschäften kaufen kann, helfen diesen wunderbaren Tieren. Die Mehlschwalben überwintern in Afrika, in einem Gebiet, dass sich von der Südgrenze der Sahara bis hin zur Kapprovinz erstreckt.


Die Kohlmeise, die Feuerwehr im Garten

Die zierlichen Gesellen mit ihrem gelben Brustgefieder haben ein großes Repertoire an Gesangsstrophen. Die „Stadtkohlmeisen“ singen heller und schneller und haben ihren Gesang an den Stadtlärm angepasst. Sie imitieren auch Gesänge anderer Vögel, sodass man oft genau hinhören muss, wer denn da tatsächlich singt.

Kohlmeisen nutzen ein großes Nahrungsspektrum. Im Sommer klettern sie die Äste entlang und fressen Insekten und Spinnen. Sie sind sehr geschickt und lassen Eicheln zu Boden fallen, um die darin lebende Käfer zu erbeuten. Im Winter ernähren sie sich von Samen und kommen deshalb sehr gerne zum Futterhaus.
In England wurden die Kohlmeisen berühmt, weil sie gelernt hatten, die Stannioldeckel der Milchflaschen durchzuhacken, um an die oberste Rahmschicht zu gelangen. Schnell hatte sich diese Technik bei vielen Meisen „durchgezwitschert“ und in diesem Ort war bald jede Milchflasche durchstochen.
Die Jungen der Meisen werden ausschließlich mit Insekten gefüttert. Ein Pärchen verfüttert in einer Saison bis zu 8000 Insekten. Nistkästen, im Garten angebracht, werden von Meisen gerne angenommen und es ist immer eine große Freude, die schönen Tiere zu beobachten. Meisen bleiben ganzjährig in Österreich.


Unser kleinster Vogel, das Wintergoldhähnchen

Das Wintergoldhähnchen ist ein sehr häufig vorkommender Vogel, der aber nur selten zu sehen ist. Das liegt daran, dass er sehr zurückgezogen lebt. Er ist ein typischer Nadelwaldbewohner, oft genügen ihm schon fünf bis sieben große Fichten zur Reviergründung. Dieses wird mit Gesang und tätlichen Angriffen gegen Rivalen verteidigt.

Vögel verbrauchen sehr viel Energie, um ihre Körpertemperatur von 40-42 Grad Celsius aufrecht zu erhalten. Das nur fünf Gramm schwere Wintergoldhähnchen braucht im Winter noch mehr Energie als andere Vogelarten. Es „verheizt“ in der Nacht 1-1,7 Gramm und ist deshalb im Winter nahezu pausenlos am Fressen. Zusätzlich braucht das Weibchen extrem viel Energie für die Eibildung. Das Ei wiegt ungefähr ein Gramm, also fast ein Fünftel des eigenen Körpergewichts. Kurz vor der Eiablage kann sich das Weibchen nur mehr hüpfend auf Ästen fortbewegen.


Schönheitskönigin Goldammer

Dieser Vogel der halboffenen Kulturlandschaft hat viel zu bieten. Sein Gesang ist einzigartig und mit seinem leuchtend gelben Federkleid zählt er sicher zu den schönsten Vogelarten in Tirol. Es gibt auch individuelle Unterschiede bei der Gelbfärbung. Je intensiver das Federkleid des Goldammermannes ist, desto beliebter ist er bei den Vogeldamen.

Früher traf man die Goldammer noch sehr häufig an, doch heute ist sie ein Sorgenkind des Naturschutzes. Sie sind nämlich Bodenbrüter und bauen ein einfaches Nest an Böschungen, Ackerrainen und Heckensäumen.

Durch die intensive Landwirtschaft und den damit einhergehenden Verlust von insekten- und samenreichen Feldern ist der Bestand sehr gefährdet. Goldammern brüten zwei Mal im Jahr. Die erste Brut beginnt meist schon im April. Die frühe Mahd zerstört Nester und bringt diese Vogelart stark in Bedrängnis.

In Österreich haben die Populationen um ein Viertel abgenommen. Auch in Tirol sind die Bestände seit 1998 stark zurückgegangen. Nach einer Flurbereinigung im Stanzertal vor wenigen Jahren ging die Zahl um 50% zurück.

Goldammern sind Kurzstreckenzieher. Sie überwintern im Mittelmeerraum.


Unverwechselbares Rotkehlchen

Durch seine markante Gefiederzeichnung ist das Rotkehlchen unverkennbar.
Bei Gefahr „knickst“ es, ansonsten sind diese kleinen Vögel wahre Stimmakrobaten. Mit Ausnahme der Mauserzeit singen sie das ganze Jahr über, auch die Weibchen trillern den schönen Gesang. Rotkehlchen imitieren den Gesang anderer Vögel oder bauen Strophen in ihr eigenes Lied ein.

Wenn ein Rotkehlchen gereizt wird, singt es immer lauter und kann bis zu 100 Dezibel erreichen.

Obwohl Rotkehlchen sehr nett aussehen, sind sie äußerst streitlustig. Rotkehlchenmann und Rotkehlchenfrau verteidigen ihr Revier mit Gesang und mit Drohen und wenn nichts mehr hilft, mit tätlichem Angriff. Deshalb kommen sie nur einzeln zum Futterhäuschen.

Unsere Tiroler Rotkehlchen überwintern im Mittemeerraum. Die Wintergäste stammen aus dem hohen Norden.


Quellen:
http://datazone.birdlife.org/info/euroredlist2021
https://birdlife.at/page/presse
https://www.naturefund.de/artikel/news/update_2021_rote_liste_der_vogelarten
https://relivors.com/pages/warum-ist-das-artensterben-so-schlimm
https://www.stunde-der-wintervoegel.at
https://vgt.at/presse/news/2022/news20220105ff_2.php
Radiosendung über Vogelschutz in Österreich, https://cba.fro.at/386349
Christiane Böhm & Armin Landmann: „Das Vogeljahr im Tiroler Garten“, https://www.gruenes-tirol.at/gruenes-tirol/broschueren-fachbuecher/das-vogeljahr-im-tiroler-garten-t

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Nicole Staudenherz

Nicole Staudenherz, geb. 1976 in Innsbruck, verheiratet, Betreuerin autistischer Kinder, Pflegerin bei den Sozialen Diensten Innsbruck, Pflegehelferin bei Tirol Kliniken, Diplom. Gesundheits- und Krankenschwester Tirol Kliniken, LKH Natters und Hochzirl, inzwischen hauptberufliche Kampagnenleiterin des Vereins gegen Tierfabriken (VGT).

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