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Walter Plasil
Vermissung
Satire

Diese Frau, sie lächelt nicht grundlos so schmallippig-gequält in die Kamera. Niemand möchte den Job mit ihr tauschen. Sie ist Energieministerin. Sie verkörpert damit den Typus der Drama-Queen unserer Tage.

Bedeutungsaufgeladen appelliert sie unverdrossen an das Gewissen der Staatsbürger, wohl ahnend, dass es viele geben wird, die ein solches schmerzlich vermissen lassen.

Bei mir trifft sie auf offene Ohren! Ich weiß: Wir müssen es tun! Denn ohne Energiesparen ist der Untergang unserer Spezies grundgelegt. Und ich, als einer von uns, werde es tun. Ich werde Energie sparen. Jeder kann das nämlich, habe ich in der Zeitung gelesen.

Sparen, aber wie genau? Also her mit den ministeriellen Energiespar-Anweisungen für zu Hause.

Die Enttäuschung musste ich erst wegstecken. AK und WWF helfen mit einigen Tipps. Aber leider fand ich keine ministeriellen Regeln, die mir beim Energiesparen für zu Hause weiterhelfen könnten.

Ratlos, aber latent sparbereit, wandle ich in meiner Singlewohnung durch die Zimmerfluchten. Ich möchte meinem verschwenderischen Leben ein Ende setzen, weiß aber nicht, wie. Natürlich nur der Verschwendung ein Ende setzen!

Wie auch immer, mir blieb kein anderer Weg. Also beschließe ich, auch ohne den fachlichen Rat des Ministeriums tätig zu werden. Ich verordne mir die Sparauflagen selbst. Konsequenz ist nämlich eine meiner Tugenden.

Zuallererst: Mein Stromverbrauch muss runter! Da helfen nur konkrete Maßnahmen. Am Tag ist ja alles hell, am Abend und nächtens weniger. Also beginne im Vorraum. Erst die elektrische Klingel und die Gegensprechanlage abstellen. Dann den Lichtschalter lahmlegen, um versehentliches Antippen zu verhindern. Zuvor aber, gegen drohende Finsternis, am strategisch besten Platz eine Taschenlampe platzieren. Hintergedanke: Taschenlampen haben Batterien. Da ist die Energie schon drin, die belasten mein Stromnetz nicht mehr.

Erster Sparansatz: Gelungen!

Dann präge ich mir den Vorsatz ein, dass ich, sobald sich Besuch anmeldet, meinen Gästen gegenüber unauffällig die Bemerkung fallen lasse: Bitte keine Blumen! Anstatt dessen: Batterien und aufgeladene Akkus! Wieder ein Plus-punkt!

Die Decken- und Spiegelleuchte im Bad gleichzeitig einzuschalten, muss ich mir gar nicht erst abgewöhnen. Beide Lichter zusammen verwende ich auch jetzt schon nur dann, wenn ich in todesmutigen Phasen meinen Körper porentief inspiziere. Ein zu viel an Licht zum falschen Zeitpunkt birgt das toxische Potential in sich, mir den ganzen Tag zu vermiesen. Denn leider ähnliche ich mir von Tag zu Tag immer weniger. Das sind die augenscheinlichen Gründe, warum ich mich einer Vollbeleuchtung vor dem Spiegel immer weniger oft aussetze. Energiespargründe sind dabei nicht im Spiel, aber denen kommt mein Verhalten jetzt zugute.

Im Bad ist freilich weiteres Sparen angesagt, denn dieser Raum ist schwerstens überelektrifiziert. Wer muss in Krisenzeiten elektrisch rasiert sein, wenn’s mit der Klinge auch geht? Oder besser noch, warum nicht das Rasieren überhaupt einstellen. Das gilt natürlich auch für Damen! Überlängen von Haar und Bart kann man auch mit einer Küchenschere in gefällige Form bringen.

Ach ja: Elektrisch betriebene Zahnbürsten und Handtuchwärmer stammen aus jenen längst vergangenen Zeiten, in denen wir im Überfluss lebten. Also stilllegen! Offen ist noch, ob ich meine Zahnbürste verwenden kann, auch ohne sie einzuschalten. Das nur für den Fall, dass ich keine dieser handbetriebenen Bürsten griffbereit habe.

Bleibt noch der Haarfön. Das weiß wirklich jeder: Haare trocknen ganz gut auch an der Sonne. Also werde ich künftig nurmehr an sonnigen Tagen die Haare waschen, um  dem Zentralgestirn die Trocknungsarbeit zu überlassen.

Der Elektro-Heizstrahler im Bad wird einfach abgeklemmt. Kälte sorgt für das Entstehen neuer Härte. Auch zu sich selbst!

Im WC verweilt der Mensch intuitiv lieber im trauten Dämmerlicht. Darüber hinaus haben wir alle keinen besonderen Ehrgeiz, das eben Geleistete über Gebühr zu betrachten. Also wird die vorhandene Beleuchtung entsprechend zurückgebaut, oder es wird die Taschenlampe vom Vorraum in Doppelfunktion verwendet.

Ich hoffe, dass ich damit schon einiges getan habe. Deswegen fasse ich Mut, mir selbst zu erlassen, mein kostbares elektrisches Dusch-WC auch noch außer Betrieb zu nehmen. Sparen ist ja gut, aber so weit muss man wirklich nicht gehen! Ich möchte betonen, dass warmes Wasser von unten durch nichts anderes ersetzt werden kann. Lebensnotwendiges kann man halt nicht substituieren!

Was die Raumentlüftung betrifft, deren Ventilator ich nicht ans Stromnetz gehen lasse, habe ich mich meiner Erfahrung besonnen. Auch ohne die Abluft einzuschalten, verzieht sich schon nach ein, zwei Stunden der Geruch, der mich – nebenbei bemerkt – als biologischer Veranlasser desselben, gar nicht stört. Also warum kostbaren Strom opfern, wenn die Alternative dazu so simpel ist.

Wenn man die Geschichte der Menschheit betrachtet und die Zeit vergleicht, in der Menschen ohne und mit Waschmaschinen gelebt und überlebt haben, schwindet die Bedeutung solcher stromfressenden Geräte. Die gute alte Handwäsche ist auch für die Kleidung stressfreier.

Wollige Fasern haben auch Gefühle. Sie möchten berührt und gepflegt, aber nicht in aggressiven Laugen in Trommeln herumgeschleudert werden. Also: Die Waschmaschine im Bad dient nur mehr dazu, den sonst leeren Stellplatz auszufüllen. Blumentopf drauf und fertig!

Wenn ich mich durch die Wohnung bewege und mehr als nur halbdunkel sehen möchte, verwende ich künftig fokussiertes Licht. Jeder Tiroler hat eine Stirnlampe zu Hause rumliegen. Mit der besteigen wir bei Nacht sogar zackige Berge. Die Lichtstärke genügt locker, um mich selbst in unaufgeräumten Wohnräumen sicher zu bewegen. Auch für den Keller dürfte das reichen.

Auf die Verwendung von Kerzen verzichte ich bewusst. Erstens bin ich dagegen, dass man den fleißigen Insekten die wächsernen Behausungen raubt. Und das Abfackeln von Biomasse ohne Abgasfilter ist kontraproduktiv. Drittens ist wegen Brandgefahr jedes offene Feuer gefährlich. Einschlafen bei Kerzenlicht ergibt automatisch Wohnungsbrand!

Die Raumheizung wird jedenfalls ganz abgedreht. Ich bin auf fünf Seiten von Nachbarn umgeben, die so freundlich sind, mich aufzuwärmen. Für den Restwärmebedarf gibt’s Thermounterwäsche. Es ist übrigens nicht verboten, Winterkleidung auch zu Hause zu tragen.

Dann bleibt noch das Kaltduschen. Aber wer nicht schwitzt, kann darauf überhaupt verzichten. Periodische Desinfektion der Körperoberfläche tuts auch!

Kochen oder gar Backen mit dem Elektroherd samt Dunstabzug werde ich ganz streichen. Es gibt doch Pizzalieferdienste! Und nach der hundertsten Pizza bekommt man eine gratis. Man kann übrigens auch andere Speisen, etwa Tiroler Knödel bestellen. Auch da gibt’s einen Knödelbonus. Jedenfalls werden bei mir Herd und Backrohr nicht weiter abgenutzt. (Endlich kein Reinigungsaufwand! Ist beim Backrohr ja wirklich sch…..limm)

Den Tiefkühler lege ich still. Das Gefrorene lege ich oben in den Kühlbereich. Die vereisten Teile geben dort so viel Kälte ab, dass die übrigen Lebensmittel fein kühl bleiben. Deswegen kann ich den Kühlschrank dann auch ganz abschalten. Wieder kräftig gespart!

Halt! Das war ein Überlegungsfehler! Wenn ich nicht mehr koche, brauche ich ja gar keine gekühlten Lebensmittel mehr! Na dann kommt halt eine Kiste Bier aus dem Keller in den Kühlschrank.

Einen separaten Weinkühler habe ich nicht, weil ich der Ansicht bin, dass man so kurzlebige Güter nicht auch noch separat kühlen soll. Also bereits im Voraus gespart!

Es ist ein Leichtes, auch ohne Geschirrspüler auszukommen! Ich werde die Campingausrüstung plündern. Papierteller und Besteck aus Kunststoff und recyclebare Becher sorgen weiterhin für die gewohnte, gepflegte Atmosphäre beim Dinner. Also nix  spülen, weil nix schmutzig!

Aber es geht noch weiter! Küchengeräte, wie Wasser – und Eierkocher, Stab – und Handmixer, Kaffeemaschine, Schneidemaschine und Elektromesser, Rührwerk und Saftpresse, alles bleibt geschont im Küchenschrank.

Zum Frühstücken gehe ich ins nahe Café! Das spart mir – einer groben Schätzung nach – so viel Strom, dass ich das Frühstück praktisch umsonst genießen kann.

Dann wäre da noch die Oberflächenpflege: Tisch – und Bodenstaubsauger, Bodenreinigungsmaschine, und elektrische Scheibenreinigungsgeräte, all das wird in den Keller verfrachtet. Vielleicht kommen mal wieder andere Zeiten?

Der erste Versuch, die elektrischen Außenjalousien von Fenstern und Türen mittels einer Kurbel zu betätigen, ist schiefgegangen. Hier muss ich mir noch einen Fachmann kommen lassen, der das Problem löst. Bis dahin bleibt natürlich alles offen.

Ich gestehe, dass ich ein Luxusgeschöpf bin. Motorisch verstellbare Lattenroste in den Betten, ja, werde ich auch außer Betrieb nehmen. Aber ab da wird’s dann schmerzhaft.

Nochmal ja, auch die Unterhaltungselektronik braucht Strom! Glaubt man den Fachleuten: gar nicht so wenig. Brandmelder. Fernsehen, Radio und überhaupt das Internet zu Hause! Computer und Drucker, lebensnotwendig sind die wirklich nicht! Es gab einmal Zeiten ohne! Da haben wir auch gut gelebt, also weg damit. Nein, nicht ganz. Nur bis irgendwann.

Dann noch zu den vielen Ladegeräten. Die sehen ja alle ohnehin schon nach Elektroschrott aus. Also ab damit in den Ruhestand. Sie werden entpflichtet.
Leider lässt sich eines davon nicht entbehren. Das Handy – und E-Book -Ladegerät. Das darf noch bleiben. Ich möchte ja wissen, was auf der Welt los ist. Und ich möchte den Stromverbrauch über meinen neuen Smartmeter überwachen und kontrollieren können.


Resümee:

Als Stromverbraucher bleiben bei mir nur mehr zwei Geräte in Funktion. Neben dem Dusch-WC ist das noch das Smartphone. Und damit basta!

Halt, ein weiteres Gerät werde ich für die wenigen nächtlichen Notfälle noch vorhalten. Den Gelsenstecker.

Ich rechne damit, dass ich nicht 20 Prozent an Strom einsparen werde, sondern nurmehr 20 Prozent im Vergleich zu früher verbrauchen werde. Bei Heizung und Warmwasser steht sogar eine große Null. Wenn alle meinem Beispiel folgen, bleibt der Energieministerin das schmallippige Lächeln erhalten. In jedem Fall hat die Menschheit wieder eine Überlebenschance!

Mit dem eingesparten Geld geht sich dann leicht die lange aufgeschobene Flugreise zum Yellowstone National Park aus, wo ich als Naturliebhaber schon seit längerer Zeit hinwill. Dort gibt’s eben nur Natur und keinen Strom. Und während der Zeit, in der ich weg bin, spare ich zudem zu Hause jede Menge Energie.

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Walter Plasil

Walter Plasil, Jahrgang 1946, geboren in München, aufgewachsen in Wien, seit 1971 in Innsbruck. Führte viele Jahre das INGENIEURBÜRO WALTER PLASIL für Technische Gebäudeausrüstung und Energieplanung und war als Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger tätig. Walter Plasil: „Ich war immer ein Vielschreiber und habe nun, nachdem meine bisherige Tätigkeit dem Ende zugeht, Zeit und Lust dazu, auch zu veröffentlichen. Mein neuer Beruf daher: „Literat.“

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