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Walter Plasil
Sportler von Beruf
Satire

Berufssportler sind die Gladiatoren unserer Zeit. Sie haben sich dazu entschlossen, als Unterhalter der Massen aufzutreten. Man bezahlt sie. Nur ganz wenige von ihnen gut. Die meisten so la-la. Die Manager sind immer zufrieden.
Wie einst im alten Rom kann man auf Versagen oder Erfolg, auf Platz und Sieg der Gladiatoren wetten.

Um das zahlende Publikum zu beeindrucken, ringen sie ihren Körpern hohe Leistungen ab. Manche sind deswegen bereits in jungen Jahren rücktrittsreif. Der Körper, der über Jahre hochtrainiert und zum Werkzeug ihrer Aktivitäten gemacht wurde, macht nicht mehr mit.

Nicht und schon zugelassene Dopingmittel hinterlassen ihre Spuren. Die Gelenke der ausgelaugten Körper sind geschädigt. Ohne Schmerzmedikation geht oft gar nichts mehr.

Übellaunige Kritiker meinen, dass sich in der Statistik zwischen der Gesundheit des Sports und den durch Sport verursachten Verletzungen ein gewisser Gap auftut. Ein gutes Drittel der Gladiatoren befindet sich immer in Behandlung oder Reha. Manchmal sogar lebenslang.

In dem Fall handelt es sich aber um hochgespielte Einzelmeinungen. Die werden von der Sport ist Mord – Brigade lanciert und sind in die Rubrik von Fake News einzuordnen. Die Wirklichkeit sieht zum Glück anders aus. Wenn auch das Leben als Gladiator nicht immer ein Honiglecken ist.

Nach dem Rücktritt versinken Berufssportler gelegentlich in öffentliche Unbedeutsamkeit. Nur mehr bei Seniorentreffen oder Seitenblicke-Events der B-Promis können die hartnäckigsten Ex-Profis noch reüssieren. Eine Hand voll landen in der Werbung, wo sie sich lächerlich machen müssen, um finanziell zu überleben. Auch, weil viele sonst nichts gelernt haben.

In jedem Fall können Gladiatoren am Ende ihrer Karriere mit einer langen Liste von Verletzungen aufwarten. Der Wunsch nach Hals – und Beinbruch geht oft in Erfüllung.

Die Kosten für operative Eingriffe und die Ausheilung jener Verletzungen, die sich Lohnbeweger im Lauf ihrer Show-Auftritte zuziehen, werden durch das von den Steuerzahlern finanzierte Krankenhauswesen übernommen. Manches kann aber gar nicht mehr geheilt werden.

Sehr animierend für das begeisterte Publikum der Claqueure sind Verletzungen, die während jener Live-Events der Athleten auftreten, bei denen sie ihre Künste vorführen.

Der Erlebniswert der Zuseher etwa beim Fußball ist hoch, wenn sich ein Spieler ein Bein bricht oder das Kreuzband reißt, und man in Echtzeit dabei sein kann. Der Anblick der schmerzverzerrten Gesichter, das Auftauchen der Ersten Hilfe, die immer am Spielfeld lauert – und wenn’s ganz gut läuft – der Abtransport des Verletzten auf der Trage, hält das Adrenalin der Fans am Kochen. Das kann nur noch getoppt werden, wenn so ein tragischer Vorfall in Folge eines sogenannten Fouls erfolgt.

Hätte der Spieler, der den anderen gefoult hatte, genau das gleiche, aber zum Beispiel öffentlich – anlässlich des Wartens auf die nächste Straßenbahn – getan: eine Anzeige wegen absichtlich herbeigeführter Körperverletzung wäre ihm sicher. Der so gefoulte hätte allen Grund gehabt, die körperliche Attacke polizeilich anzuzeigen und den Aggressor bei Gericht auf Schmerzengeld zu klagen.

Aber beim Sport gelten die Gesetze nicht. Der Gefoulte ist zwar verletzt, aber damit muss er selbst fertigwerden. Irgendwie hat er das auch herausgefordert. Er wollte es so, er trägt das Risiko und bekommt dafür Geld. Und manchmal ist auch er jener, der ein Revanchefoul begeht, was erst recht zu emotionalen Ausbrüchen der sportbegeisterten Zuschauer in den Rängen führt.

Sport gilt als äußerst wünschenswert. Die Jugend ist angehalten, sich sportlich zu betätigen. Als Vorbilder werden vor allem Berufssportler ins Rampenlicht gestellt. Man solle denen doch nacheifern. Und Sport ist gesund. Nein, sehr gesund!

Wenn sich aber ein Gladiator verletzt oder sich sonst eine Krankheit einfängt, wird auf den Sportseiten der Presse und im Fernsehen natürlich darüber berichtet. Das Publikum möchte wissen, was dem bedauernswerten Helden zugestoßen ist. Aber diese Berichte sind – obwohl zahlenmäßig bedeutsam – meist sehr allgemein gehalten. Oft liest man auch, man wisse noch nichts genaueres. Diese Ungewissheiten sind für echte Fans nicht leicht zu verkraften.

Anders ist das bei Fachzeitschriften. Die Sportgazetten sind da eben weit besser informiert.

Kürzlich war zu lesen, dass ein bekannter Fußballgladiator Hodenkrebs hat. Die Fußballwelt atmete auf, als die Nachricht kam, dass nur ein Hoden betroffen sei – nämlich der linke – und der Krebs noch nicht gestreut habe. Man konnte am Zeitungsfoto sehen, dass der Betreffende nach der erfolgreichen OP tatsächlich nur mehr einen Hoden hatte! Allein wie das aussah! Schrecklich!

Das Bedauern über diesen Schicksalsschlag, der einen völlig Unschuldigen – und so sympathischen Athleten – getroffen hatte, war im In- und Ausland in Form von mancherlei Presseberichten nachzulesen.

Der Manager ließ inzwischen verlauten, dass sein Schützling schon wieder trainiere. Er habe bereits im Krankenbett das Fitnesstraining wieder aufgenommen. Er rechne damit, dass der Sportstar nunmehr auch etwas schneller laufen könne, weil er weniger Gewicht auf die Waage bringe.

Von einem Bobgladiator wird berichtet, dass er seinen letzten Leistungsabfall  analysiert habe. In der vergangenen Saison war er 2- bis 3-tausendstel Sekunden hinten. Nun habe der Sportarzt jedoch herausgefunden, dass irgendetwas im Darm nicht in Ordnung war. Man habe eine gründliche Coloskopie vorgenommen. Im Video der Kamerafahrt durch die Gedärme des Leistungsträgers, das im Rahmen der Sportberichtssendung ungeschnitten gezeigt wurde, konnte man die Übeltäter erkennen: Drei Polypen an ungünstiger Stelle. Nachdem sie inzwischen herausgezwickt sind, soll es mit der Leistungskurve des Bobfahrenden wieder bergauf gehen.

Bei einer Gladiatorin wurde medizinisch eingegriffen. Sie möchte sich dem Megatrend anschließen und endlich auch gesünder leben. Und profimäßig Fußball spielen. Um das zu ermöglichen, hat ihr ein Ärzteteam bei einem ebenfalls über Video verfolgbaren Eingriff die Beinsehnen mit Edelmetalldraht und die Kniescheibe mit bruchfestem Kunststoff verstärkt. Da kann nichts mehr brechen oder reißen!

Und die Tabelle der weiblichen Fußballteams wird übrigens ab sofort mit den Daten der Tage aller Gladiatorinnen ergänzt, an denen mit Menstruation zu rechnen ist.

Ja, auch bei Frauen ist das so. Die Körper aller Gladiatoren gehören eben den Zuschauern. Jedenfalls so lange, wie dafür Eintrittsgelder bezahlt werden. Die Zuschauer haben ein Recht darauf, alles über die Verfassung der Spielerkörper zu wissen.

Die Öffentlichkeit hat auch eine Aufgabe. Sie muss mit Steuergeld die Stadien und Sportstätten finanzieren. Und Sportförderung wird auch noch draufgelegt. Damit werden junge Talente gesponsert, die dann im besten Fall später zu vorbildlichen Gladiatoren werden.

Die Fachpresse hält uns einfache Beobachter über das Wichtigste am Laufenden. Manchmal sind die Fragen derart differenziert, dass die Interviewten es schwer haben, ehrlich zu antworten.

Was haben Sie beabsichtigt, fragt man Gladiatoren, die in Rennen antreten. Die Antworten hauen einen wirklich aus den Sportsocken. Ich trat an, um zu gewinnen, sagt da jemand. Oder die spektakulärste Antwort auf die Frage, warum jemand nur dritter wurde: Es hat für einen Platz weiter vorne nicht gereicht!

Es klingt wie die Rache aus der Unterwelt der Sportverweigerer. Denn jetzt hat es auch noch einen Sportreporter erwischt. Ein Backenzahn musste extrahiert werden. Die Sportwelt erzitterte wieder. Wird er seine Fähigkeit verlieren, so zu brüllen wie früher und halbwegs intelligente Fragen zu stellen? Der Eingriff findet immerhin sehr nahe am Reportergehirn statt. Wenn nur das nicht geschädigt wird! Zurzeit liegt alles in den Händen der Wiederherstellungschirurgie. Aber die erbringt oft Wunder.

Das Allerneueste ist die Meldung, dass es in der Sportszene ein informatives Computerprogramm geben soll. Es wird Gladiatoren aus allen Disziplinen betreffen. Vor Rekrutierung eines Neuen Darstellers wird ihm zunächst ein medizinischer Totalcheck verordnet.

Sämtliche ärztlichen Befunde, wie etwa jene zum Blutdruck, Röntgenbilder, Luftvolumen, Muskelmasse und Zustand des Skeletts, Qualität und Leistungsfähigkeit der inneren Organe und das Ausmaß an Leidensfähigkeit werden über Datenfreigabe öffentlich im Internet zugänglich.

Über alle Körperöffnungen werden Kameras eingeführt. Die Videoaufnahmen davon können heruntergeladen werden. Alles wird aktuell gehalten. Damit hat das Herumrätseln ein Ende, ob ein Gladiator nun fit ist oder nicht.

Auch Ereignisse aus dem persönlichen Umfeld der Leistungssportler sollen öffentlich gemacht werden. Nicht nur allfällige Heirat, Scheidung, Partnerschaften, Trennungen, die Liste der Vorfahren, ebenso Un- und Todesfälle, aber auch die Art der Ernährung und ob Regelmäßigkeit oder Störung im Verdauungsfinale vorliegt, kann man ab nun durch einfaches Anklicken einsehen.

Das Gehirn, das Wissen und die geistige Leistungsfähigkeit der Gladiatoren werden weiterhin nicht gezielt untersucht. Um das zu beurteilen, reicht das öffentliche Interesse der Masse der Zuseher an Sportevents nicht aus. Deswegen wurde an dieser Stelle, und das zurecht, der Sparstift angesetzt. Schade eigentlich.

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Walter Plasil

Walter Plasil, Jahrgang 1946, geboren in München, aufgewachsen in Wien, seit 1971 in Innsbruck. Führte viele Jahre das INGENIEURBÜRO WALTER PLASIL für Technische Gebäudeausrüstung und Energieplanung und war als Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger tätig. Walter Plasil: „Ich war immer ein Vielschreiber und habe nun, nachdem meine bisherige Tätigkeit dem Ende zugeht, Zeit und Lust dazu, auch zu veröffentlichen. Mein neuer Beruf daher: „Literat.“

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Ronald Weinberger

    Mon dieu, Walter! Dass Du bloß nicht einem Berufssportler mit der Profession „Boxer“ in die Fänge gerätst!
    Deine wort-, und, selbstredend, geistreich ausgefallene Charakterisierung von solchen sich ihren „body“ zuschanden machenden Sportlern erfolgt zu Recht.
    Nun gibt es aber auch eine andere Kaste von „Sportlern“, die ihren Körper zugrunde richten: die Sofasportler! Denen will ich mich nun, mit einem selbstgestrickten Gedichtlein, zuwenden. Sozusagen als Ergänzung zu Deinen Ausführungen.

    SOFASPORTLER

    Wenn Formel-1-Motoren röhren,
    dann finden sich – ich kann’s beschwören! –
    an Sportlern endlos Legionen,
    um dem Gerase beizuwohnen:
    Ich seh‘ sie vor den Schirmen sitzen,
    um solidarisch mitzuschwitzen.

    Auch and’re Raser, die auf Pisten,
    bewundern sie in Flimmerkisten,
    und außerdem wird DER geschätzt,
    der hinter’m Tennisball her hetzt.

    Die Mehrzahl dieser Sportskanonen
    übt weiters sich im Selbst-Belohnen
    durch viel „Hurra’s!“ für junge Männer,
    die – so meint ein wahrer Kenner –
    wie heftig aufgescheuchte Hennen
    um die Wette mit dem Fußball rennen.

    Viel Leben kommt da in Zuseher!
    Vielleicht jedoch der Tod weit eher …,
    denn fast die einz’ge Körperregung
    ist die Greif-hin-zum-Bier-Bewegung,
    und manch‘ Herz hat so, ganz spontan,
    dann seine Schuldigkeit getan.

    Gib zu, mein Leser, dass auch Du
    zu häufig pflegst die Sofa-Ruh.
    (Beweg‘ Dich mehr als „ab und zu“!!).

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