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Walter Plasil
Ist alle Werbung nur Lug und Trug?
1. Teil

Meine Freunde verstehen mich oft nicht, wenn ich sage, dass ich ein Anwender (neusprachlich: User) des Kritischen Rationalismus bin. Leibnitz, Popper und alle, die sich im Lauf von Jahrhunderten dazu geäußert haben, hinterlassen halt ihre Spuren.

Bei mir hat das zu einer Manie geführt. Ich muss bei assertorischen Behauptungen und Axiomen zwanghaft nach dem zureichenden Grund dafür suchen. Erst wenn ich den gefunden habe, lehne ich mich zurück und bin wieder entspannt. Aber eben nicht für lange, denn schon bald erscheint mir die nächste Behauptung hinterfragenswert. Und alles geht von vorne wieder los.

Ich bin oft abends so erschöpft, dass ich hundemüde ins Bett falle. Aber anstatt friedlich zu träumen, versuche ich noch im Schlaf, unbegründete Axiome oder dreiste Assertorik aufzudecken und zurückzuweisen. Die Welt besteht eben aus Fakten (Wittgenstein) und die gilt es zu ergründen.

„Du musst doch wirklich nicht alles und jedes hinterfragen“, höre ich in meiner Umgebung. Damit wirkst du so negativ auf deine Umwelt! Es gebe doch genug wirkliche Wahrheiten, die man einfach so stehen lassen könne. Wer viel fragt, der geht viel irr – und am Ende machst du dich nur selber verrückt, wird mir entgegengehalten.

Aber ich kann eben nicht anders, wenn ich zum Beispiel einen Satz aus der Fernsehwerbung eines Waschmittelerzeugers höre:

Wenn alle kälter waschen, sparen wir so viel CO2, wie 2 Millionen Autos ausstoßen.

Damit wird ein Waschmittel beworben, das die Wäsche auch beim Kälterwaschen ausreichend reinigt. Und das Ganze führt auch noch zu enormen CO2-Einsparungen!

Ja, das wäre doch was! Dekarbonisierung, das ist ohnehin das Gebot der Stunde! Da kann ich endlich selbst einen Beitrag dazu leisten. Das muss ich wirklich gleich umsetzen. Die 2 Millionen Autos mit all ihren Abgasen, die gehen mir nicht aus dem Kopf.

Aber zuvor möchte ich doch noch kurz nachrechen. Ein (eher begrenzter) Vertrauensvorschuss in Werbebotschaften ist zwar da, aber ich wurde auch schon oft ganz schön enttäuscht! Ja, wer von uns denn nicht?

 

Damit zur ersten Frage:

Wieviel CO2 stößt ein Auto aus? Dazu muss man berücksichtigen, dass bei der CO2 Berechnung der Autos, je nachdem, um welche Art von Emissionstabellen es sich handelt, auch jene Emissionen eingerechnet werden, die im Zuge des Entstehungsprozesses des Autos, oft sogar inklusive der Verursachungen anlässlich dessen Verschrottung, miteingerechnet werden.

Das betrifft vor allem E-Autos wegen deren Batterieproblematik. Wenn man auf dieser Basis Vergleiche zieht, müsste man das auch bei der Erzeugung bzw. Verschrottung von Waschmaschinen tun.

Wir wollen das aber hier unterlassen, obwohl es lohnend wäre, denn die Problematik ist schon ohne diese Feinheiten nicht leicht darstellbar. Das habe ich, obwohl ich erst am Anfang mit meiner Fragerei bin, gleich zu Beginn meiner Überlegungen erkannt.

Man spricht von einem Auto, wenn es motorbetrieben ist und drei bis vier oder mehr Räder hat und zum Straßenverkehr zugelassen ist. Dann ist zu bedenken, dass auch die Antriebsart der Autos divers ist. Wenn wir also wissen möchten, wieviel CO2 Autos ausstoßen, müssen wir zu einem realistischen Durchschnittswert pro Fahrzeug kommen.

Jetzt ist es Zeit für die Begründung der ersten Straffung meines Berichts.
Die zugrunde gelegten Daten all meiner Erhebungen und die angenommenen Parameter sind so diffizil und umfangreich, dass sie den Rahmen des vorliegenden Textes sprengen würden. Deswegen arbeite ich hier einfach mit den Ergebnissen weiter, die ich in mühsamer Kleinarbeit im Hintergrund erarbeitet habe. Auf Wunsch könnte ich natürlich diese Grundlagendaten offenlegen.

 

Es folgen die ersten Zahlen:

Der Durchschnittswert des CO2 Ausstoßes eines Autos beträgt 13.000 g je Betriebsstunde.

Als Vergleich, ob das viel oder wenig ist, kann uns der CO2 Ausstoß des Menschen dienen. Der Durchschnittswert des CO2 Ausstoßes eines Menschen beträgt 123 g je Lebensstunde.

Diese Werte steigen sofort gewaltig an, wenn Sie sich zum Beispiel ärgern, weil Sie dann schneller atmen. Beim Berggehen und Laufen oder sonstigen kräfteraubenden Aktivitäten (Sex!) betragen sie ein Vielfaches des Durchschnittswerts. Also immer daran denken – ein CO2 – sparendes Verhalten im Leben ist weniger schädlich für die Erdatmosphäre. Wenig Bewegung und da auch nur die notwendigste davon!

Unsere Autos halten sich aber leider nicht daran. Ein Auto emittiert über 100 x so viel CO2 wie ein Mensch. (Böses Auto!)

 

Jetzt zur nächsten Frage!

Wie viele Waschmaschinenwäscher gibt es? Wieviel sind also alle? Sind das alle Leute in meinem Haus, in der gleichen Straße, dem ganzen Ort, Land oder gar Kontinent? Womöglich sind gar alle Menschen gemeint, die auf dem blauen Planeten leben. Ja, das macht tatsächlich Sinn, denn global gesehen, da wird garantiert ganz viel gewaschen, weil vieles auch so schmutzig ist.

Das Wort alle lässt auch keinen anderen Schluss zu. Sonst müsste man ja sagen, alle außer … Das ist in der Werbung aber ausdrücklich nicht gesagt. Alle sind und bleiben eben alle.

Ich weiß aber aus Berichten im Bildungsfernsehen, dass es Menschen gibt, die ihre Wäsche am Rand von Flüssen waschen. Die Flusswäscher(innen) müsste man in diesem Fall vermutlich von der Zahl aller Menschen abziehen, die kälter waschen sollen. Ihnen zu raten, nur bei noch kälterem Flusswasser zu waschen, um CO2 einzusparen, könnte zum Beispiel in Indien einen Volksaufstand auslösen.

Dann soll es tatsächlich noch weitere Personengruppen geben, die gar keine Waschmaschine haben. Ich könnte ohne WM gar nicht existieren! (allein die Vorstellung, dass ich dann am Ufer von Sill und Inn … nein, das lasse ich lieber).

Nach neuesten Forschungen soll das oft daran liegen, dass gar nicht so wenige Haushalte ziemlich frugal ausgestattet sind und weder Stromanschluss, noch Fluss in Wohnungsnähe haben. Die waschen dann halt in Waschschüsseln oder Bottichen mit jenem Wasser, das gerade verfügbar ist.

Den so Lebenden begreiflich zu machen, dass sie das vielleicht etwas warme Wasser (Zentralafrika!) zwecks kälterer Waschung abkühlen müssen, weil dadurch der CO2 Ausstoß sinkt, wäre ein fatales Beispiel für eine unverstandene Aufgabenstellung.

 

Realismus soll nicht nur gespielte Attitüde sein.

Deswegen müssen wir wohl bei der Erhebung von – wieviel sind wirklich alle? – von der Zahl der Weltbevölkerung (7,89 Milliarden, Stand August 2021) eine Milliarde (Indien, Afrika, usw.) und den Wert hinter dem Komma für die Flusswäscher(innen) abziehen.

Für die Bottichwäscher(innen) und für jene, die sich partout keine Waschmaschine anschaffen möchten (Nebochanten) oder es nicht können (zu wenig Kohle), können wir guten Gewissens weitere 4 Milliarden wegrechnen.

Das ist zwar nicht nachgezählt, aber dennoch plausibel belegt. Das ist übrigens die Mehrheit der Menschheit. Und die haben keine Waschmaschine! Wenn der Mangel an elektronischen Chips weiter anhält, werden die auch noch länger keine bekommen!

Immer noch geht’s um alle. Aber in dem speziellen Fall reden wir, wenn wir die Anzahl der überhaupt ansprechbaren kälter Waschenden suchen, mit einer gewissen Berechtigung von all jenen, denen das überhaupt möglich ist.

Also können wir die Zahl fixieren. Alle, das sind alle Menschen, minus der Zahl von Fluss- und Bottichwäschern, Waschmaschinenverweigerern und sonstigen Menschen, die sich für die manuelle Reinigung von Textilien per Wäsche von Hand entschieden haben.

Ausgerechnet ergibt das dann, leicht gerundet, 2 Milliarden (hypothetische) Wäscher, die Wäsche mit einer Waschmaschine waschen. Das wären dann in dem Fall wirklich alle. Das hätten wir schon mal.

 

Aber Wäscher ist nicht gleich Waschmaschine!

Das ist endlich mal eine leichte Aufgabe:
Bei einer angenommenen Familiengröße von 2,5 Personen ergäbe das 800 Millionen Waschmaschinen pro Planet Erde.
Sind das wirklich alles echte (mögliche) Kälterwäscher?
Wieder ist ein klarer Kopf gefragt.
Die Annahme ist berechtigt, dass bei dieser hohen Zahl der eine oder die andere dabei sein wird, die von dieser Initiative zum kälter Waschen nie etwas gehört hat, noch je etwas hören wird!

Das kann sein, aber so negativ wollen wir hier nicht denken. Mehr noch, wir nehmen an, dass alle Menschen, die eine Waschmaschine haben, auch einen Fernseher besitzen.
Die anfangs zitierte Botschaft einer Waschmittelfirma wurde im deutschsprachigen Fernsehen ausgestrahlt. Gut, man kann vermuten, davon könnten auch Übersetzungen in andere Sprachen kursieren. Weltweit gibt es aber leider an die 7.000 davon (Sprachen).

Aber alle sollen auch alle bleiben! Deswegen nehmen wir an, es gelänge irgendwie. Nämlich die Botschaft zum Kälterwaschen tatsächlich auch allen nahezubringen. Das bedeutet halt, Übersetzungen des Fernsehspots etwa in die Sprache Tamazight, Munukutuba oder Sarchopkha vorzunehmen und dort zu verbreiten, weil in diesen Ländern, in denen so gesprochen wird, sehr wohl auch Waschmaschinenwäscher zu finden sein dürften.

Zweiflern sei die Hoffnung anempfohlen, dass sich vielleicht irgendwann einmal eine akademische Studie mit der Frage beschäftigt, ob es tatsächlich gelingen könnte, CO2 einsparende Betriebsweisen von Waschmaschinen allen Nutzern zustellen zu können.

Wir machen aber besser genau hier einen brutalen Schnitt und lassen das bisherige etwas absacken.

Wenn Sie wissen möchten, was kälter waschen bedeuten kann und wieviel CO2 man dadurch einsparen kann, dann lesen sie bitte Teil 2 meiner Ausführungen.
Sie erfahren dort auch, wie oft man kälter waschen muss, bis der CO2 Ausstoß eines Autos erreicht wird und anderes mehr, das Sie zweifelsfrei fesseln wird.

 

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Walter Plasil

Walter Plasil, Jahrgang 1946, geboren in München, aufgewachsen in Wien, seit 1971 in Innsbruck. Führte viele Jahre das INGENIEURBÜRO WALTER PLASIL für Technische Gebäudeausrüstung und Energieplanung und war als Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger tätig. Walter Plasil: „Ich war immer ein Vielschreiber und habe nun, nachdem meine bisherige Tätigkeit dem Ende zugeht, Zeit und Lust dazu, auch zu veröffentlichen. Mein neuer Beruf daher: „Literat.“

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