Vanessa Musack
Mitleid mit Unternehmern?
Essay

Wenn heute in Österreich, um es überspitzt auszudrücken, drei Arbeitnehmer freigesetzt werden, wird darüber umgehend in den Medien berichtet. Dem ist auch nichts entgegenzusetzen, weist es doch auf eine jener Eigenschaften hin, die Österreich so lebenswert machen: Wir verfügen über eine sehr gute staatliche Absicherung für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und wir wünschen uns hohe soziale Standards am Arbeitsplatz. Bis hierhin ist alles wunderbar.

Am anderen Ende dieses Idealzustands steht der Unternehmer. Viele oder zumindest einige Jahre lang hat er Wertschöpfung und Steuern für den Staat erwirtschaftet. Er hat nicht nur hart gearbeitet, sondern die Endverantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg seines Unternehmens und auch für das Wohlergehen seiner Mitarbeiter getragen. Doch jetzt, wenn eine Krise auftritt,  ändert sich die Situation. Gute Taten aus der Vergangenheit zählen plötzlich nicht mehr! Allzu schnell wird er stigmatisiert. Er gilt als Versager!

In diesem Zusammenhang möchte ich mich nicht mit den multinationalen Konzernen befassen, die durch ihre Größe, Bekanntheit und entsprechende Kontakte bis in höchste Politikerriegen ohnehin maßgeblichen Einfluss auf Banken und die (Arbeitsmarkt-) Politik ausüben können. Ganz bewusst liegt mein Fokus auf den Kleinen, auf den international gesehen meist vollkommen Unbekannten.

Entlässt ein Unternehmer eines Klein- oder Kleinstunternehmens Betriebsangehörige, so wage ich zu behaupten, dass das in der Regel nicht geschieht, um persönliche Vorteile daraus zu schlagen. Es handelt sich leider meist um eine für den Betrieb wirtschaftlich prekäre Situation, die der Firmenchef nicht mehr abzuwenden vermag. Neben der Geringschätzung des einstmals erwirtschafteten Wohles und Wertes werden etwaige Bemühungen, durch die der Selbstständige möglicherweise schon längere Zeit versucht hat, genau diese Entlassungen zu verhindern, oft mit einem milden Lächeln abgetan. Selber schuld, wie es so schön heißt.

Natürlich ist es jedermanns eigene Entscheidung sich selbstständig zu machen oder ein Angestelltenverhältnis anzustreben. Somit braucht niemand im Nachhinein zu jammern oder gar zu behaupten, er hätte nicht gewusst, worauf er sich einlässt. Die Verantwortung und das Risiko, das Unternehmer zu tragen haben, sind groß und so ist das Verhalten des durchschnittlichen Österreichers entsprechend risikoavers.

Ob die scheue Haltung am sicheren österreichischen Sozialsystem liegt, das so gut wie jeden Arbeitnehmer auffängt, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Klar ist, dass ein Angestelltenverhältnis einen sicheren Hafen darstellt, der gerne angestrebt wird.

Viel bremsender jedoch, die Laufbahn eines Unternehmers einzuschlagen, wirkt hingegen meines Erachtens der in Österreich enorm hohe bürokratische Aufwand, der eine Firmengründung in einem Wirtschaftssystem, das auf Geschwindigkeit ausgelegt ist, schlichtweg uninteressant macht.

Beschäftigt man sich mit dem Thema näher, so stellt man schnell fest, dass es kaum Initiativen oder Strukturen gibt, die die Umsetzung einer Geschäftsidee wirklich attraktiv erscheinen lassen.

Um ein Beispiel aus dem Bereich der Gastronmie zu nennen: Zu einer der ersten bürokratischen Hürden gehört die Erlangung einer Betriebsanlagengenehmigung, deren Umsetzung in den meisten Fällen sehr teuer sein kann. Hierzu beurteilt eine zuständige Behörde die räumlichen Gegebenheiten des Geschäftslokals und stellt fest, ob diese den vorgeschriebenen Ansprüchen genügen. Angefangen beim Mitarbeiterklo, über die genaue Größe der Sanitäranlagen insgesamt, die Raumhöhe und das Belüftungssystem greifen die strikten Auflagen sogar in das architektonische Erscheinungsbild der Lokalität ein.

Sucht man also nach der Ursache, warum heute kaum noch Lokale eröffnet werden, die über ein besonderes Flair verfügen, findet man die Antwort meist bei den enorm hohen baulichen Anforderungen. Das Ergebnis sind annähernd idente, oft sehr langweilige und kühle Lokale, denen es an Atmosphäre fehlt. Schuld daran sind nicht die Architekten, denen es an Ideen mangelt, sondern die engen Umsetzungsspielräume, die ihnen vorgegeben werden.

Steht das Gebäude erst unter Denkmalschutz, so wird es überhaupt schwierig. Die einzige Möglichkeit der Realisierung des Projekts besteht  in der Hoffnung, dass möglicherweise der Vorbesitzer der Räumlichkeiten über eine Betriebsanlagengenehmigung verfügt. Ist das nicht der Fall, so endet das unternehmerische Vorhaben bereits an diesem Punkt.

Aber nicht nur die Bürokratie wirkt bremsend auf unternehmerische Vorhaben, auch die Gesetzgebung ist in Österreich derart komplex, dass das Unterfangen ohne Steuerberater und Rechtsanwalt aussichtslos ist. Das betrifft einerseits das Steuergesetz selbst, aber auch das Aufsetzen eines Gründungsvertrags sowie die etwas später anfallende Personalverrechnung, wozu man wiederum auf einen Steuerberater angewiesen ist. All dies ist verständlicherweise mit weiteren Kosten verbunden. Und dem Gründer mangelt es meist besonders am Anfang an kontinuierlichen Einnahmen.

Ein weiterer, sehr ungünstiger Punkt ist die Finanzierung, die für kleine Unternehmer heute oft utopisch geworden ist. Seit der rund um den Globus bekannten „Lehman“-Pleite oder, um ein österreichisches Beispiel zu bemühen, dem „Hypo Alpe Adria“-Desaster haben die Kreditverkäufer in den Banken deutlich an Freiraum verloren. Waren früher sie die Tonangebenden, die in den Kreditinstituten das Sagen hatten, so muss heute ein Kredit von einem Risikomanager beurteilt werden, bevor er genehmigt werden kann.

Die Sicherheiten, die für einen Kredit verlangt werden, sind in den letzten Jahren unverhältnismäßig hoch geworden. Um es ironisch auszudrücken: Die beste Möglichkeit, um einen Kredit zu bekommen, ist das Hinterlegen eines Sparbuchs in derselben Höhe. Was hier als Spaß erscheinen mag, ist leider zur Realität geworden: Der Unternehmer muss in vollem Umfang persönlich für den Kredit haften, dies auch im Falle einer GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung), die ja eigentlich die Haftung und somit das Risiko minimieren sollte.

Geht das Vorhaben daneben, ist ein Selbstständiger also mittellos. Er bekommt trotz des hohen Risikos, für das er persönlich gebürgt hat, keinerlei Ersatz oder Ausgleich. Für Viele ist dies der Einstieg in die Altersarmut.

Eine Initiative zur Förderung des Gründungsgeschehens wurde im Jahr 2014 gesetzt. War für die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bis dato ein Stammkapital von 35.000€ notwendig, von dem die Hälfte sofort eingebracht werden musste, wurde dieses auf 10.000€ heruntergesetzt. Die Aufstockung auf die vollen 35.000€ hatte erst nach 10 Jahren zu erfolgen, was dem Unternehmer Zeit geben sollte. Während dieser 10 Jahre haften die Gesellschafter auch nur mit der Einlage von 10.000€. Dennoch ist ganz klar, dass die Summe im internationalen Vergleich nach wie vor sehr hoch angesetzt ist.

Ein Beispiel möge den Fall veranschaulichen: Architekt Paul Treichl setzt seine Businessidee, den Salon Mujo, eine Architekturberatung, bewusst in London um. Diejenigen unter den Gründern, die so wie er noch ungebunden und flexibel sein können, verwirklichen mittlerweile nämlich lieber im Ausland ihre Ideen, denn jeder, der am Beginn seiner Selbstständigkeit steht, weiß ein Lied davon zu singen, wie genau jede einzelne Investition geplant werden muss.

Als kompliziertes Unterfangen entpuppte sich in Folge Treichls Wunsch, in Österreich als Architekt ein Beratungsbüro zu eröffnen. Beratungstätigkeiten stehen hierzulande nur BWL- oder Jus-Absolventen offen. Die Anmeldung eines Gewerbes ist zwar in den letzten Jahren generell unkomplizierter geworden, doch die Sinnhaftigkeit einiger Richtlinien ist nach wie vor zu hinterfragen.

So kann ein Absolvent der Literaturgeschichte heute beispielsweise ohne weiteres ein Lokal eröffnen, da er über einen universitären Abschluss verfügt. Zwar einen, der nicht wirklich mit dem Tagesgeschäft in der Gastronomie in Zusammenhang steht: Aber Titel ist Titel, wie es so schön heißt. Hat jemand kein Studium absolviert, jedoch über viele Jahre sogar in leitenden Positionen in der Gastronomie gearbeitet, ist es dennoch nach wie vor schwierig, einen Gewerbeschein zu erhalten. Wo bleibt da die Logik?

Abschließend lässt sich sehr klar feststellen, dass es in Österreich in Summe zu viele Hindernisse gibt, um ein unternehmerisches Denken, den sogenannten „entrepreneurial spirit“, entstehen zu lassen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch auf das Stigma des Scheiterns eingehen, das in Österreich immer noch enorm schwer auf den Schultern von vielen lastet, die zwar im Prinzip gerne eine Firma gründen würden, aber sich das Ganze dann doch nicht zutrauen. Wenn es nämlich danebengeht,  ist alles aus und vorbei: zumindest bei uns!

Ich möchte das Beispiel Amerika bestimmt nicht auf eine naive Art und Weise als Ort, an dem es einfacher ist, unkritisch herausheben. Eines gefällt mir jedoch: Wenn du in den USA scheiterst, stehst du wieder auf und bekommst eine neue Chance. Du hast ja schließlich etwas gelernt. Denn Scheitern ist eine bedeutende Erfahrung. Beim nächsten Mal machst du es ganz einfach anders.

Im ersten Moment mag das sehr trivial klingen, doch der Gedanke, der der Möglichkeit des Scheiterns ihren Schrecken nimmt, macht unheimlich viel mit deinem „mindset“, deiner mentalen Einstellung und Kraft, gerade wenn du ganz am Anfang deiner Laufbahn als Selbstständiger stehst. So entsteht Unternehmergeist. So entsteht Zukunft.

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Vanessa Musack

Vanessa Musack wurde am 20. Juli 1981 in Wien geboren und wuchs im Hotel Windegg in Steinberg am Rofan auf. Von 2000 bis 2005 studierte sie Betriebswirtschaftslehre in Innsbruck, Groningen (NL) und Montpellier (F). Ihre Diplomarbeit, „Universitäre Spin-offs als Quelle Nationaler Innovationen“, wurde mit dem Graf Chotek Hochschulpreis ausgezeichnet. Nach dem Studium absolvierte Vanessa Musack ein einjähriges Praktikum bei der Firma Salomon in Annecy (F) in der Abteilung für Internationale Kommunikation. Ab 2007 war sie für die Österreich Werbung in Brüssel als Pressesprecherin tätig. Im Zuge ihres einjährigen Auslandsaufenthaltes auf Madagaskar arbeitete sie für ein einheimisches Reiseunternehmen und schulte Mitarbeiter im Bereich Marketing. Nach ihrer Heimkehr 2011 betreute sie für die Tirol Werbung die Reisepresse auf den deutschsprachigen Märkten. Vanessa Musack hat vier Kinder und arbeitet für das Tiroler Kammerorchester InnStrumenti.

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