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Urs Heinz Aerni
Brief aus der Schweiz
Grüezi oder
die Kunst des Grüßens

Grüezi, Grüß Gott oder Hallöchen? Die Begegnung auf der Straße oder die Begrüßung zu Beginn eines Schreibens ist das eine. Aber wie verabschiedet man sich am besten am Schluss einer E-Mail? Hier herrschen ganz eigene Gesetze. Nirgends sonst in der Kommunikation wird dergestalt mit der Grußformel variiert wie im Mail-Verkehr.

Wenn die Presseabteilung eines Verlages mich als Kulturjournalist anfragt, ob ich ein Buch empfehlen möchte, wird herzlich gegrüßt. 

Die ungeschriebenen Grußgesetze zeigen den Aggregatszustand einer Beziehung an. Da war diese Kundin, mit der ich für ein Projekt zu tun hatte. Wir wechselten via Mail vom Sie zum Du. Jede Mail in der Startphase schloss mit Liebe Grüße oder Herzliche Grüße oder gar nur mit Herzlich.

Dann kamen die ersten Herausforderungen in Planung und Budget. Hier begannen die ersten unterschiedlichen Ansichten zum Vorschein zu kommen, also auch Meinungsunterschiede. 

Demgemäß schienen sich die Grußworte der Stimmungslage anzupassen. Vom Herzlich mutierte es sich herunter auf Beste Grüße und Gruß. Wenn kalter Krieg herrscht, so liest man dann wieder Freundliche Grüße. In einem Comic würden an den Sprechblasen Eiszapfen hängen. 

Wir hüpfen also heutzutage zwischen Herzlichst, was ja schon eine Umarmung bedeutet, und dem Formellen, wo wir uns fast zwingen müssen, überhaupt zu grüßen.

Als die Verhandlungen mit der oben erwähnten Kundin sich wieder entspannten und es mit dem Projekt wieder vorwärts ging, erwärmte sich die Korrespondenz wieder von den besten Grüßen über sonnige Grüße über liebe Grüße bis hin zurück zu herzlichen Grüßen.

Deshalb kann die bewusst gewählte Grußform ein Stimmungsbarometer über die Qualität der Beziehung sein. So misst der Empfänger das Betriebsklima und der Absender kann sie steuern. 

Darum sei empfohlen, in der Signatur auf eine automatisch definierte Grußformel zu verzichten. Denn wie liest sich das denn, wenn jemand herzlich grüßt und unten über der Absenderadresse nochmals Freundliche Grüße steht?

Sie, liebe Lesende, werden sich fragen, wie ich mich hier aus dieser Kolumne verabschiede. Gute Frage. Da wir uns noch nicht so gut kennen, Sie und ich, versuche ich es mal mit Hochachtungsvoll, Ihr Urs Aerni

Der passende Buchtipp: Duden Ratgeber – Briefe, E-Mails und Kurznachrichten gut und richtig schreiben von Ingrid Stephan, Cornelsen Verlag.

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Urs Heinz Aerni

Urs Heinz Aerni (geb. 1962 in Baden / Aargau) schreibt als freier Journalist u. a. für Medien wie Buchreport, Berglink.de, Bündner Woche u. a., ist Literaturagent, Kulturvermittler und Vogelbeobachter. Zudem wirkt er bei den Literaturtagen Zofingen (Schweiz), sowie beim Literaturfestival Sprachsalz in Hall in Tirol mit und ist Kulturverantwortlicher des Hotels Schweizerhof in Lenzerheide. Aerni ist Vorstandsmitglied des Literarischen Clubs Zürich und des Bodoni-Clubs Frauenfeld. Bibliografie (Auswahl): "Liebe 160», 2003, Nagel & Kimche (Hrsg.); «Wunschkolumen» 2007, Einfach Lesen Bern, mit Rolf Lyssy; «Bivio – Leipzig», 2010, Knapp Olten; «Zürich Quiz», 2013, Grupello Düsselsdorf; «Der Fluss, unbekümmert», 2014 (Mit-Hrsg.) Modo Freiburg; «Zimmerservice», 2015, (Hrsg.) Knapp Olten; «Graubünden Quiz» 2020, Grupello Düsseldorf. Weitere Informationen und Kontakt: www.ursheinzaerni.com

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