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Thomas Nußbaumer:
George Gershwins „Rhapsody in Blue“ und
Aaron Coplands Symphonie Nr.3
beim Symphoniekonzert
des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck
am 16. und 17. Februar 2023

Mit George Gershwins Rhapsody in Blue für Klavier und Orchester und Aaron Coplands Symphonie Nr. 3 standen „American Classics“ auf dem Programm des 4. Symphoniekonzerts des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck. Und es gab ein Wiedersehen mit dem Pianisten Daniel Ciobanu, der bereits im Oktober zu Gast gewesen war. Als Gastdirigent wirkte der Amerikaner Teddy Abrams.

Daniel Ciobanu spielt George Gershwins „Rhapsody in Blue“ Daniel Ciobanu spielt George Gershwins „Rhapsody in Blue“

Ursprünglich wollte der Dirigent selbst den Klavierpart von Gershwins Rhapsody in Blue spielen, gab diesen Plan jedoch auf, weshalb Daniel Ciobanu kurzfristig gewonnen werden konnte. Ciobanu war schon beim 1. Symphoniekonzert im Oktober im Einsatz gewesen und hatte damals am Flügel mit Franz Liszts Totentanz für Klavier und Orchester begeistert.

Überragende Technik, Anschlagskultur, energetisches Spiel und eine erstaunliche Musikalität zeichnet das Spiel dieses aufstrebenden jungen Pianisten aus Paitra Neamt (Rumänien) aus, und mit diesen Fähigkeiten punktet er auch bei Gershwins Rhapsody in Blue.

Doch meiner Meinung nach ist seine Gestaltung an vielen Stellen zu kapriziös und manieriert. Eine individuelle Gestaltung des Tempos ist bei diesem Stück zwar erforderlich und gefragt, doch Ciobanus Agogik ist teilweise derart überladen, dass das Tempo streckenweise nicht mehr klar erkennbar ist.

Dass er seinem Part diverse Verzierungen, Schnörkel aller Art und mitunter neue Töne beifügt, ist im Rahmen des improvisatorischen Freiraums, den dieses Stück bietet, durchaus vertretbar, aber auch hier tut Ciobanu mitunter zu viel. Man höre doch im Internet nach, mit welchem Drive und wie klar, luftig leicht, transparent und ausgewogen Gershwin selbst zusammen mit dem Paul Whiteman Orchestra das Stück einspielte (siehe https://www.youtube.com/watch?v=VGvuUOtHGkk)!

Die Diskrepanz zwischen der freischwebenden Interpretation des Pianisten und dem metrisch sich klar artikulierenden Orchester, das gelegentlich aber auch zu lautstark einsetzte, wurde immer wieder spürbar. Andererseits ist festzustellen, dass manche Passagen sehr gut gelangen und Ciobanus Interpretation, auch wenn sie überambitioniert erscheint, niemanden kalt lässt. Mit einer witzigen Boogie-Woogie-Zugabe und Ernesto Lecuonas Mazurka glissando, einem Stück voller feinfühlig perlender Läufe und Glissandi, verabschiedete er sich vom begeisterten Publikum, dem vielleicht nicht auffiel, dass er genau dieselben Stücke schon im Oktober als Zugabe gespielt hatte.

Teddy Abrams am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck Teddy Abrams am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck

Im zweiten Konzertteil erklang dann ein Schlüsselwerk der amerikanischen Orchesterliteratur, und zwar Aaron Coplands Symphonie Nr. 3, komponiert im Zeitraum 1944 bis 1946 und quasi ein musikalisches Empire State Building.

Copland, der von den europäischen nationalen Schulen insbesondere Russlands und Frankreichs inspiriert wurde, wollte eine nationale amerikanische Musik schaffen, in der sich auch die Aufbruchsstimmung der unmittelbaren Nachkriegszeit in den USA widerspiegelt. Es entstand ein Werk monumentalen, blockhaften Zuschnitts in den Ecksätzen, wobei in den vierten Satz Coplands Fanfare for the Common Man von 1942, gewidmet den Kriegsanstrengungen des einfachen Mannes, einfließt.

Der lebhafte, episodische zweite Satz und der lyrische, fast geisterhafte dritte Satz bilden dazu Kontraste und Ergänzungen. Ganz im Sinne der amerikanischen Marching Bands-Tradition spielen die Blasinstrumente eine tragende Rolle und markant ist auch die Rolle des Schlagwerks mit beklemmenden Klangbildern des Krieges.

Bläserinnen und Bläser des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck Bläserinnen und Bläser des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck

Der amerikanische Gastdirigent Teddy Abrams, in seiner Heimat Musikdirektor des Louisville Orchestra und des Britt Festival Orchestra, erarbeitete mit dem Tiroler Symphonieorchester Innsbruck eine sehr beeindruckende Interpretation dieses formal etwas vertrackten und streckenweise von sperriger Harmonik durchsetzten Werks. Abrams leitet das Orchester mit klaren Angaben, und insbesondere die sowohl im Holz- als auch Blechregister zahlreichen Bläserinnen und Bläser und die Schlagwerker, ergänzt durch Harfe und Klavier, konnten sich neben den tragenden Streicherinnen und Streichern brillant in Szene setzen.

Fotos: © Chó/wefeel.art

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Thomas Nußbaumer

Thomas Nußbaumer ( geb.1966 in Hall in Tirol) ist ein österreichischer Musikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Volksmusikforschung / Ethnomusikologie. Nußbaumer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innsbrucker Sitz der Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung für Musikwissenschaft, Abteilungsbereich Musikalische Volkskunde, seit 2010 als Universitätsdozent für Volksmusikforschung. Daneben arbeitet er als freier Kulturjournalist.

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