Thomas Nußbaumer bespricht:
Das 4. Symphoniekonzert
des „Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck“
vom 18. und 19.02.2022

Das 4. Symphoniekonzert des „Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck“ bescherte dem Publikum im Saal Tirol des Congress Innsbruck majestätische Harmonik aus Anton Bruckners Symphonie Nr. 5 in B-Dur (WAB 105) – und mit der erst 20jährigen Ausnahmegeigerin Noa Wildschut eine ursprünglich ungeplante, aber hörenswerte Mozart-Talentprobe.

01 Noa Wildschut
01 Noa Wildschut

Die junge Holländerin wurde kurzfristig für den erkrankten Gastsolisten Tobias Feldmann engagiert, weil auch sie Mozarts Violinkonzert in G-Dur (KV 216) abrufbereit in ihrem Repertoire hat. Wenngleich noch Studentin an der „Hochschule für Musik Hanns Eisler“ in Berlin, ist Noa Wildschut alles andere als ein Greenhorn.

Seit dem 8. Lebensjahr konzertiert sie in großen Häusern und hat auch schon bedeutende Wettbewerbe gewonnen. Die große Anna-Sophie Mutter bezeichnete sie gar als „musikalische Hoffnung ihrer Generation“.

Um es vorwegzunehmen: Die junge Musikerin wird dem Ruf, der ihr vorauseilt, gerecht. Sie spielt Mozarts G-Dur-Violinkonzert spritzig, nuanciert und sehr beredt, wie eine Erzählung. Anfänglich noch etwas zurückhaltend in den lauten Passagen, die eine sattere Tongebung nahelegen würden, entfaltet sie nach und nach alle klanglichen Facetten ihres Instruments. Besonders schön gelingt ihr der Adagio-Satz, den sie äußerst innig, nahezu verinnerlicht musiziert, und lebhaft-vital das Rondo, in dessen Finale Mozart als Gag die Melodie des „Straßburgers“ einbaute, eines flotten Tanzes, der den Figurenreichtum der Kontretänze mit den Armführungen der Allemande verband und hauptsächlich von jungen Leuten getanzt wurde, weil zu seiner Ausführung eine größere Beweglichkeit erforderlich war. Passende Musik für eine junge Geigerin!

Das „Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck“ unter der umsichtigen Leitung von Lukas Beikircher begleitete sensibel, versiert und homogen.

02 Noa Wildschut und Orchester
02 Noa Wildschut und Orchester

Im zweiten Teil des Abends stand das romantikerprobte Orchester alleine im Mittelpunkt und präsentierte eine erstklassige Interpretation von Bruckners „Fünfter“. Dieses Werk von 1875, das wegen seiner sakral klingenden Stellen besonders in den Ecksätzen, seiner Kontrapunktik, der Doppelfuge, des Chorals im monumentalen Schlusssatz und der Anspielungen auf Beethovens Neunte und Mozarts Requiem gelegentlich als „Glaubenssymphonie“ bezeichnet wird, hatte bekanntlich Geburtsschwierigkeiten und wurde erst 19 Jahre nach seiner Entstehung uraufgeführt.

Lukas Beikirchers Zugang zu dieser rund 80minütigen Symphonie ist einerseits von Verständnis für Form und klare Strukturen und andererseits von Klanggefühl geprägt. Durchgehend gelingt es ihm und auch dem leidenschaftlich für diese Musik brennenden Orchester, die teils schroffen Kontraste in allen vier Sätzen in ein logisches Zueinander zu bringen. Die Übergänge, etwa dann, wenn aus dem satten Gesamtklang ein schwebender, flächiger Streicherklang hervortritt, werden durchwegs eindrucksvoll gestaltet.

03 Lukas Beikircher und Orchester
03 Lukas Beikircher und Orchester

Das Orchester, in allen Registern sehr überzeugend, bildet ein lebendiges Miteinander. Hervorzuheben ist der homogene Klang der Blechbläser, sind die solistischen Auftritte von Flöte, Oboe (im Adagio-Satz), Klarinette, Fagott und Horn in den lyrischen Teilen.

Dank der präzisen Zeichengebung des Dirigenten gelingen die Einsätze, wird auch in den modern anmutenden, oft spröden und von Verarbeitung motivischen Materials dominierten Passagen die Spannung aufrechterhalten – bis zum exaltierten Schluss.

Das Symphoniekonzert wird heute am 18.2. wiederholt – es ist empfehlenswert!

Thomas Nußbaumer

Fotos:
01 Noa Wildschut © www.wefeel.art
02 Noa Wildschut und Orchester ©
www.wefeel.art
03 Lukas Beikircher und Orchester ©
www.wefeel.art

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Thomas Nußbaumer

Thomas Nußbaumer ( geb.1966 in Hall in Tirol) ist ein österreichischer Musikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Volksmusikforschung / Ethnomusikologie. Nußbaumer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innsbrucker Sitz der Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung für Musikwissenschaft, Abteilungsbereich Musikalische Volkskunde, seit 2010 als Universitätsdozent für Volksmusikforschung. Daneben arbeitet er als freier Kulturjournalist.

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