Print Friendly, PDF & Email

Stephan Eibel, Elias Schneitter
Gedichte

Stephan Eibel
schöne gedanken

manchmal
tauchen sie auf
im morgengrauen

sie ziehen
durch auen
städte und herzen

von den herrschenden
seit jahrtausenden verfolgt
eingefangen, eingesperrt

und doch sind sie
nicht auszurotten


es ist ganz einfach

du machst die augen zu
siehst was du sehen willst
zwinkerst alles was dich
ein bissl stört, weg
spürst wies glück aufsteigt
vor dir, hinter dir, neben dir
und dich trifft

du musst dich gut
festhalten am sessel
sonst hauts dich um


der gedichtband „decke weg“ sollte im herbst 2020 erscheinen. aufgrund meines zweiten herzinfarktes musste ich viele gedichte streichen. gedichte mit dem impetus „sei lässig, nimms net so schwer, scheiß di nix“ hab ich mir nicht mehr abgenommen! nicht mehr an sie geglaubt! bernd schuchter (limbusverlag) und erwin uhrmann (herausgeber der lyrikreihe) hatten verständnis dafür und stärkten mich, in dem sie sagten: mach wie du willst, kannst, alles wird gut!
und im juli konnte ich, im august, september, oktober auch und neue gedichte entstanden. so ganz ohne abgabedruck und mit viel zuspruch von merle rüdisser vom limbusverlag.

im frühjahr erscheint ein neuer gedichtband „decke weg“ (titel von unserer tochter marlene). in den nächsten zwei monaten wird hanna rüdisser cover entwerfen. sie macht die besten und deshalb-nicht nur-aber auch! – sind die lyrikbände von limbus die schönsten. immer auch mit lesebändchen.



Elias Schneitter
Cafe Drei Silberlinden

Die Amis haben keine Kultur.
Für die Amis ist alles nice, neat
and marvelous.
Das sind die Amis.

Die Wiener haben jede Menge Kultur.
Hier ist alles scheiße und oasch.
Das sind die Wiener.

Mir ist nicht ganz klar,
was mir lieber ist.



U6 Wien

Das Alter ist hart und gnadenlos
und je älter man wird,
desto härter wird einem vor Augen geführt,
wie hart und gnadenlos es ist.

Bis vor ein, zwei Jahren ist es mir
in öffentlichen Verkehrsmitteln
kaum passiert,
dass jüngere Menschen aufgestanden sind,
um mir ihren Platz anzubieten.
Inzwischen bin ich ganz verwundert
wie viele höfliche, junge
Menschen – vorwiegend Ausländer – es gibt
und aufspringen, wenn ich einsteige.

Aber jedes Mal,
wenn mir jemand seinen Platz anbietet,
versetzt es mir einen Stich,
ob dieser Freundlichkeit,
die klar macht,
was für ein alter Sack ich inzwischen bin.
Das tut weh.
Das schmerzt.
Darum, ihr lieben, freundlichen, jungen Leute
in den Öffis:
Bitte bleibt sitzen!
Bitte unhöflich sein!
Es ist nämlich angenehmer
in der Straßenbahn zu stehen
als die Realität in seiner vollen Härte
vor Augen geführt zu bekommen.


Global denken

Er ist ein klassischer Fall
von Wirtschaftsflüchtling.
Kommt aus Spanien.
Hat dort in der Gastro keinen Job
gefunden und kam darum nach Innsbruck
in die Penz Bar.
Nach drei Monaten war er so weit,
dass er gebrochen Deutsch beherrschte,
und einigermaßen über die Runden kam.

Hier lernte er ein Zimmermädchen
kennen, das aus Ungarn stammte.
Sie arbeitete im Grauen Bär.

Gemeinsam zogen sie nach Wien.
Sie bekamen ein Kind und er arbeitet
jetzt in der Hyatt Bar,
während sie in Karenz ist und sich zuhause
um das Kind kümmert.

Er redet mit dem Kind spanisch.
Sie redet mit dem Kind ungarisch.
Miteinander reden sie vorwiegend englisch.
Kaum Deutsch.

Sie haben eine kleine Wohnung in Hietzing,
wo sie ganz glücklich sind,
weil dort, wie sie sagen,
nicht so viele Ausländer leben.

Stephan Eibel

Stephan Eibel wurde 1953 in Eisenerz in der Steiermark geboren und lebt seit 1979 als freier Schriftsteller in Wien. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre und studierte Soziologie. Zuerst arbeitete er als Lohnverrechner, ab 1976 war er als Leiter der Autorensendereihe „Literatur im Untergrund“ für den niederösterreichischen Rundfunk tätig. Er ist Autor von Lyrik, Erzählungen, Romanen und Theaterstücken, zuletzt erschienen: Sofort verhaften! (Roman, 2008) und Licht aus! (Lyrik, 2012).

Schreibe einen Kommentar