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Nicole Staudenherz
Für ein Ende der Wildwest-Politik
Wer seine Schäfchen wirklich liebt,
setzt auf Herdenschutz.
Analyse

Herdenschutz wirkt. Das ist fachlicher Konsens. Der Abschuss von Wölfen hingegen ist in den allermeisten Fällen sinnlos bis kontraproduktiv. Denn wer mit der Verhaltensbiologie der Wölfe und der wissenschaftlichen Datenlage nur ansatzweise vertraut ist, der weiß, dass sich Rissereignisse mit dem Griff zum Gewehr weder verhindern noch nachhaltig reduzieren lassen. Überall dort, wo der Herdenschutz fehlt, sind die Weidetiere einem unkalkulierbaren Dauerrisiko ausgesetzt. Trotzdem wird in der Alpenrepublik herumgeschossen, was das Zeug hält. Zeit für einen Realitätscheck.

Eine aktuelle Literaturübersicht kommt in Bezug auf Deutschland zu folgendem Fazit: Übergriffe von Wölfen auf Nutztiere werden am effektivsten durch die korrekte Umsetzung von nicht-letalen Herdenschutzmaßnahmen nachhaltig verhindert. Unreflektierte Abschüsse oder gar eine generelle Bejagung von Wölfen, so die Autoren, mögen vielleicht ein probates Mittel sein, um politischem Druck zu begegnen, sie sind jedoch nach Auswertung der wissenschaftlichen Literatur keine wirksamen Maßnahmen, um Übergriffe auf Nutztiere zu minimieren und den betroffenen Weidetierhaltenden wirklich zu helfen.


Was sind die größten Gefahren für Schafe?

Idyllisch anzusehen, aber voller Risiken: der so genannte freie Weidegang im Gebirge. Da Schafherden hierzulande nach wie vor meist ohne jeden Herdenschutz monatelang auf die Alm gestellt werden, kann der Sommer für die Tiere jederzeit tödlich enden. Die Wolfspräsenz zählt hierbei zu den geringsten Risiken. Denn die große Mehrheit der gealpten Schafe stirbt nicht durch Wolfsrisse, sondern durch Krankheiten, Parasiten, Unwetter, Steinschlag und Absturz. Mit fachgerechter und ständiger Behirtung, einem schützenden Nachtpferch und angemessener Gesundheitsvorsorge könnte diese natürliche Sterberate drastisch gesenkt werden. Das zeigen Studienergebnisse aus der Schweiz, wo Herdenschutz bewährte Praxis ist.

Diese Erkenntnisse lassen sich durchaus auch auf Österreich übertragen. Ist es ein Zufall, dass dazu kaum Zahlen veröffentlicht werden? Zumindest für das Jahr 2019 wurden von offizieller Seite aussagekräftige Statistiken zur Verfügung gestellt: Demnach starben in jenem Jahr insgesamt 5.751 Schafe auf Österreichs Almen durch Unwetter, Steinschlag und Krankheiten. Im Vergleich dazu muten die Risszahlen relativ harmlos an: 176 Schafe wurden 2019 von Wölfen getötet. Es ist ein offener Widerspruch, wie viel Lärm rund um die Wolfsrisse herrscht und wie wenig rund um die vielen Tiere, die aufgrund mangelnder Gesundheitsvorsorge oder durch unbeaufsichtigtes Herumsteigen im Gelände zu Tode kommen.

Eine Mortalität von 5% pro Almsommer durch die als natürlich angenommenen Ursachen wie Krankheit oder Wetterunbill wird üblicherweise als erwartbar einkalkuliert. Hierzu eine Anekdote: Ohne jede Gefühlsregung erzählte ein Tiroler Schafhalter einer Tierschützerin davon, wie er im Zuge seiner wöchentlichen Nachschau bei der etwa 300-köpfigen Herde infolge eines Murenabgangs die Einzelteile etlicher Schafe zusammenklauben musste. Aber der Wolf! Der gehöre weg!


Der größte Feind ist der Mensch

Wegen fehlender Herdenschutzmaßnahmen stieg die Zahl der Wolfsrisse in Österreich zwar über den Zeitraum einiger Jahre hinweg an. Im Jahr 2023 sank die Zahl der nachweislich von Wölfen gerissenen Schafe und Ziegen aber österreichweit auf 460. Das ist deutlich niedriger als der Vorjahreswert. Auch in Tirol ging die Zahl der Risse 2023 merklich zurück, obwohl um ein Drittel mehr Wölfe als im Vorjahr nachgewiesen wurden.

Die Interpretation dieser Zahlen ist ein Politikum: Die Schießwütigen meinen, sie hätten die Wölfe jetzt erfolgreich reguliert und sehen sich darin bestätigt, auf EU-Ebene für eine Senkung des Schutzstatus zu lobbyieren. Stimmen aus Wissenschaft und Tierschutz hören sich im Vergleich dazu weniger spektakulär an, kommen der Realität aber wahrscheinlich näher: Zum einen sei laut Fachleuten die Akzeptanz für den Herdenschutz gestiegen. Die Zahl der Almen mit wirksamen Herdenschutzmaßnahmen habe sich im Zuge dessen vergrößert. Dazu komme, dass viele Landwirte ihre Herden frühzeitig ins Tal geholt oder gar nicht erst aufgetrieben hätten.

Wie dem auch sei, Fakt ist: Der größte Feind der Schafe ist nach wie vor der Mensch. 2023 wurden in Österreich über 260.000 Schafe geschlachtet, darunter unzählige Lämmer im Alter von wenigen Wochen. Das kulinarisch sehr beliebte Milchlamm: ein Tierbaby, das noch von der Muttermilch abhängig ist. Deren früher Tod durch Menschenhand ist nichts für schwache Nerven: Viele Tiere sterben durch illegale Schächtungen ohne Betäubung. Erst letzten Herbst stand ein Tiroler Landwirt vor Gericht, weil er Schafe nachweislich betäubungslos getötet hatte. Auch in modernen Schlachthöfen werden die Tiere nicht zu Tode gestreichelt, sondern fließbandmäßig getötet.


Was spricht für Herdenschutz?

Bis vor wenigen Jahrzehnten war es überall im Alpenraum üblich, Schafhirten einzusetzen, die den ganzen Almsommer bei der Herde blieben. Leider ging diese uralte Tradition in Österreich vorübergehend verloren. Dass Herdenschutzmaßnahmen aktuell wieder verstärkt umgesetzt werden und sogar eigene Beratungs- und Bildungsangebote zu diesem Thema ins Leben gerufen wurden, ist ein wichtiger Beitrag zur Reduktion des Rissgeschehens.

Die Entstehung von Wolfsrudeln ist grundsätzlich ein positiver Faktor. Für Risse verantwortlich sind nämlich oft durchziehende Jungwölfe auf der Suche nach Lebensraum. Werden sie abgeschossen, bringt das keinen Schutz für die Schafe. Denn spätestens im Folgejahr kommen wieder neue Jungwölfe nach. Wenn es vor Ort kein etabliertes Wolfsrudel gibt, das diese Zuzügler fernhält, dann sind weitere Schafsrisse vorprogrammiert.Wie es der international renommierte Wolfsexperte Prof. Kurt Kotrschal treffend formuliert: Für jeden abgeschossenen Wolf kommen im Moment zwei weitere herein und wenn ich meine Schafe nicht geschützt habe, dann liegen sie schon wieder.

Ein Rudel ist nichts anderes als eine Wolfsfamilie. Sobald ein Wolfspaar eine Familie gründet und ein Gebiet besiedelt, werden fremde Jungwölfe vom Territorium ferngehalten. Solange es dieses ansässige Rudel gibt, bleibt auch die Gesamtzahl der Wölfe in einem bestimmten Gebiet weitgehend gleich.

Wölfe sind intelligente Tiere. Deshalb jagen sie vorwiegend leicht verfügbare Beute wie ungeschützte Weidetiere oder alte, kranke und geschwächte Wildtiere. Wenn Schafherden ausreichend geschützt sind, werden sie von Wölfen weitgehend gemieden. Der Kontakt mit dem Elektrozaun ist für die sensible Kaniden-Schnauze äußerst schmerzhaft und wird nicht vergessen. Auch die unangenehme Begegnung mit wehrhaften Herdenschutzhunden bleibt im Gedächtnis. Elterntiere geben dieses Wissen an ihren Nachwuchs weiter. Dort, wo es dennoch zu Rissen kommt, sind häufig die Herdenschutzmaßnahmen mangelhaft.


Negative Folgen

Abschüsse können sogar negative Folgen haben. Das zeigt unter anderem eine US-Studie mit Daten aus 25 Jahren. Wölfe abzuschießen führt demnach zu einer Verschärfung der Probleme: Mit jedem getöteten Wolf werden im Folgejahr deutlich mehr Weidetiere Opfer von Wolfsrissen, berichten die Forschenden.

Der Grund für den Anstieg der Risszahlen nach Wolfsabschüssen, so die Annahme der Forschenden, liege in der Zerstörung eingespielter Sozialstrukturen im Wolfsrudel, wenn plötzlich ein Individuum fehlt. Ganz besonders dann, wenn es sich dabei um ein erfahrenes Elterntier handelt. In der Folge kann es passieren, dass sich das Rudel unkontrolliert vergrößert, aber auch, dass es sich zerstreut. Für die Tierhalter bedeutet das noch größere Unsicherheit.

Auch aus Europa gibt es entsprechende Daten. Die wissenschaftliche Fachvereinigung AG Wildtiere zeigt die Problematik in ihrem Positionspapier Wolf auf: In Frankreich […] werden jährlich 10% der Population abgeschossen, 2022 waren das 100 Tiere. Die Nutztierverluste waren dennoch – oder gerade deswegen – hoch.

Eine 2023 erschienene Studie der Mendel Universität Brno hat ergeben, dass eine Lockerung der Gesetze zur Wolfsjagd das Risiko von Nutztierrissen nicht verringert. Die Studie zeigt, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl gerissener Weidetiere und der Anzahl erlegter Wölfe in der Vorjahressaison gibt. Das Fazit der Studienautoren: Nicht-tödliche Methoden wie Herdenschutzhunde oder Zäune haben sich als wirksam für den Schutz von Nutztieren erwiesen […] Daher empfehlen wir dringend den allgemeinen Einsatz und die Unterstützung der effektiven Umsetzung und Aufrechterhaltung nicht-tödlicher Maßnahmen […] sowie Bemühungen, die Akzeptanz für den Einsatz dieser Maßnahmen bei den Endnutzer:innen zu erhöhen […], um die Koexistenz von Wölfen und Nutztierhalter:innen in dieser Kulturlandschaft zu erleichtern. (Übersetzung aus dem Englischen)


Funktioniert Herdenschutz auch in Tirol?

Dass Herdenschutz wirkt, gilt auch für Tirol. Die über mehrere Jahre hinweg durchwegs guten Ergebnisse des Herdenschutz-Pilotprojekts im Tiroler Oberland sind dafür ein wichtiger Beleg. Mit gelenkter Weideführung, Nachtpferch und ständiger Behirtung durch qualifiziertes Personal kam es dem Projektbericht zufolge […] während des Sommers 2022 zu keinerlei Übergriffen von großen Beutegreifern auf den Projektalmen, trotz bestätigter Präsenz von sowohl Wolf als auch Bär in geographischer Nähe von zumindest zwei der drei Almen.

Ebenso positiv war die Bilanz für den Almsommer 2023, wie der Herdenschutz-Experte Simon Moser in einem ORF-Interview bestätigt: Man hat auf den Projektalmen geschafft, was man sich vorgenommen hat. Also die Schafe soweit zu kontrollieren, dass man sie am Abend sammeln kann, um sie einzuzäunen und so das Rissrisiko zu minimieren. Man hat auf allen Almen, die da mitmachen, keine Risse an geschützten Tieren registriert.


Was sagt das Gesetz?

Laut Tierschutzgesetz sind Tiere soweit möglich vor Raubtieren und sonstigen Gefahren für ihr Wohlbefinden zu schützen. Werden Schafe – abgesehen von kurzen Kontrollbesuchen – über längere Zeiträume im Hochgebirge allein gelassen, darf bezweifelt werden, ob dieser Verpflichtung damit Genüge getan ist. Ähnliches gilt für fehlende Herdenschutzzäune auf den Heimweiden im Tal und in Hofnähe.

Im Umgang mit Interessenskonflikten zwischen Artenschutz und Weidetierhaltung gibt es im Rahmen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) klare Vorgaben. Für die so genannte Entnahme, also die Tötung von Wölfen, sind sehr strenge Ausnahmeregeln definiert. Eine wesentliche Voraussetzung ist das Fehlen einer anderweitigen zufriedenstellenden Lösung: So müssen etwa im Falle von Nutztierschäden vor der Genehmigung einer Ausnahme nicht tödliche Alternativlösungen Vorrang haben und angemessene und sinnvolle vorbeugende Maßnahmen zur Eindämmung von Nutztierschäden – z. B. Beaufsichtigung durch Hirten, Einsatz von Herdenschutzhunden, Errichtung von Schutzzäunen oder alternatives Herdenmanagement […] ordnungsgemäß umgesetzt werden.

Die in den letzten beiden Jahren in typisch österreichischer Manier reihenweise aus der Hüfte geschossenen Entnahme-Verordnungen und sonstigen Konstrukte sind nicht nur angewandter Populismus ohne wirklichen Nutzen für die Betroffenen, sondern auch EU-rechtswidrig.

In Übereinstimmung mit der Aarhus-Konvention müssten anerkannte Umweltorganisationen nämlich Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um etwaige Verstöße der Behörden gegen umweltbezogene Bestimmungen anzufechten. Dies wird durch Umgehungskonstruktionen wie die mittlerweile in mehreren Bundesländern übliche Verordnungspraxis verunmöglicht. Denn bei Verordnungen ist gesetzlich keine Beteiligungs- und Rechtsschutzmöglichkeit für die Zivilgesellschaft vorgesehen. Einsprüche durch NGOs wären nur dann möglich, wenn statt einer Verordnung ein Bescheid erlassen würde. Die in der Vergangenheit öfters erlassenen Abschuss-Bescheide wurden von Umweltorganisationen durchwegs beeinsprucht und von den zuständigen Verwaltungsgerichten gekippt.

Ein weiteres Manko bei Verordnungsverfahren: Es kann keine Einzelfallprüfung vorgenommen werden. Eine solche ist aber nach Artikel 16 der FFH-Richtlinie vorgesehen. Ausnahmeregelungen zum Abschuss streng geschützter Tiere sind demnach nur unter der Bedingung eines günstigen Erhaltungszustandes überhaupt zulässig. Von einem günstigen Erhaltungszustand der Wolfspopulation kann hierzulande allerdings noch keine Rede sein.

Auch Regelungen wie das kürzlich in Kraft getretene Kärntner Alm- und Weideschutzgesetz sind höchst fragwürdig, zumal in dessen Rahmen sogar eine präventive letale Entnahme ohne Schadensereignis möglich ist. In Alltagssprache übersetzt bedeutet das einen Freibrief zum wahllosen Abschuss von Wölfen, noch bevor den Almtieren überhaupt irgendetwas passiert ist. Wenig überraschend: Auch bei diesem Gesetz ist keine Beteiligung der Öffentlichkeit vorgesehen.


Sind Almen gut für die Artenvielfalt?

Die Faktenlage zum Thema Biodiversität und Almbewirtschaftung ist komplex. Almwiesen sind alte, vom Menschen geschaffene Kulturlandschaften. Zahlreiche Almen entstanden durch Rodung von Wäldern. Wenn Almen verbuschen, ist das ein natürlicher Prozess: Der Wald kehrt schrittweise zurück. Durch die Rückkehr des Waldes nimmt zwar vorübergehend die Artenvielfalt ab, mit der Zeit finden sich aber wieder genau jene Pflanzen und Tiere ein, die hier angepasst an den Standort und ohne grobe Intervention des Menschen ohnehin gedeihen würden.

Christine Sonvilla und Marc Graf fassen es in ihrem Buch Das wilde Herz Europas wie folgt zusammen: Der Mensch öffnete mit seinen Almweiden eine Arena, in die Pflanzen, kleine Säugetiere, Vögel, Reptilien und Insekten einmarschierten. Sie kamen aus jenen Bereichen des Waldes, die durch Quellen, durch das Äsen von großen Pflanzenfressern oder durch Störereignisse wie Lawinen oder Windwurf natürlicherweise offen blieben und der Evolution eine Spielwiese boten – der Evolution, die sich freilich auf den Kulturwiesen fortsetzt, aber aktuell in Dünger, Überweidung und Ertragssteigerung erstickt.

Auch eine Differenzierung nach Höhenstufe ist wichtig: Freier Weidegang in den höchsten Lagen über der Waldgrenze bringt nämlich ein Artenschutzproblem mit sich. Viele Pflanzenarten sind auf diese Hochlagen beschränkt. Sie haben sich seit Jahrtausenden zusammen mit Wildtieren wie Gämsen und Steinböcken entwickelt. Diese Tiere kamen aber nie in sehr hohen Dichten vor und nutzten die Pflanzen viel weniger.

Daher kommt die Bergflora nur bedingt mit den Schafen zurecht, die sehr selektiv einzelne Arten abweiden. Eine Folge davon kann die Bedrohung der Biodiversität sein. Auch Erosion durch Überweidung kann vorkommen. Behirtung und gelenkte Weideführung können zur Lösung dieser Probleme beitragen. Der positive Nebeneffekt: Auf diese Weise sinkt zugleich das Risiko einer Übertragung gefährlicher Schafkrankheiten auf Wildtiere. Beispiel Gamsblindheit: Während Schafe mit Salbe relativ einfach behandelt werden können, erblinden Gämsen und Steinböcke im Falle einer Ansteckung häufig zur Gänze und sterben durch Abstürze.


Was bringen Wölfe fürs Ökosystem?

Wölfe sind nach der FFH-Richtlinie der EU streng geschützt. Nur wenn durch Herdenschutz eine weitgehend friedliches Miteinander von Schafhaltung, Almwirtschaft und Wolfspräsenz ermöglicht wird, haben Wölfe in Österreich die Chance auf einen guten Erhaltungszustand.

Wölfe bringen viele Vorteile für das Ökosystem, überraschenderweise aber auch für uns Menschen: Als Gesundheitspolizei des Waldes jagen sie vorrangig schwache, alte und kranke Tiere und erhalten dadurch Wildpopulationen gesund. Sie treiben Rehe und Hirsche aus dem Dickicht, wo diese sich vor menschlichen Jägern verstecken und den Jungwuchs verbeißen. Wölfe helfen also, den Wald gesund zu halten. Eine aktuelle Studie in Sachsen-Anhalt hat das mit neuen Daten überzeugend bewiesen.

Aufgrund der Jagd mit vielen Fütterungen in Österreich gibt es viel zu hohe Wildpopulationen und die Tiere werden in die Nachtaktivität gedrängt. Eine Folge davon sind unzählige Autounfälle mit Wildtieren. Allein im Jahr 2023 kam es auf Österreichs Straßen zu über 300 Wildunfällen mit Personenschäden. Der Wolf reduziert die Wildpopulationen und jagt auch nachts. Entsprechend hilft er die Autounfälle mit Wildtieren laut einer Studie um 24% zu reduzieren und rettet damit Menschenleben.

Die wissenschaftliche Fachvereinigung AG Wildtiere betont in ihrem Positionspapier Wolf ebenfalls die positiven Aspekte der Wolfspräsenz:Wölfe entfalten als Apex-Prädatoren mehrfach positive ökologische Wirkungen; in den Rudelgebieten steigt die Biodiversität, auch weil sie ‚Mesoprädatoren‘, wie etwa Füchse, Goldschakale oder Fischotter effizient kontrollieren; zudem halten sie Wildbestände gesünder als menschliche Jäger. […] Nicht zuletzt konzentrieren sich etablierte Wolfsrudel – wenn Herdenschutz betrieben wird – auf Wildtiere als Beute und geben diesen Lebensstil auch an ihre Nachkommen weiter. Auch darum ist Herdenschutz, aber auch das Zulassen von Rudelbildung essentiell, um Konflikte zu minimieren.


Wie geht Herdenschutz in der Praxis?

Hirtinnen und Hirten haben viele Aufgaben: Sie halten die Herde zusammen und führen sie gezielt in definierte Zonen, um die Herde im Blick zu haben und auch um Überweidung zu vermeiden. Außerdem errichten sie für die Herde einen Übernachtungsplatz (Nachtpferch), der mit einem geeigneten mobilen Zaun gesichert ist. Oft kommen zusätzlich noch Herdenschutzhunde zum Einsatz. Im Gegensatz zu Hütehunden arbeiten Herdenschutzhunde selbstständig, das heißt ohne Anweisungen des Behirtungspersonals, und verbringen meist Tag und Nacht bei der Herde.

Falls zusätzliche personelle Unterstützung nötig ist, können Organisationen wie LIFEstockProtect freiwillige Helfer vermitteln. Zur Unterstützung von Schaf- und Ziegenhaltern bietet das Land Tirol kostenlose Almbegehungen mit Fachleuten an. Für die Anschaffung von Herdenschutzzäunen kann ebenfalls beim Land Tirol eine Förderung in Höhe von 60% der Nettokosten beantragt werden. Für gerissene Tiere erhalten Landwirte eine Entschädigungszahlung. 

Auch über die ÖPUL-Maßnahmen Tierwohl-Behirtung und Almbewirtschaftung sowie über diverse EU-Förderprogramme können Herdenschutzmaßnahmen finanziert werden. Viele weitere Organisationen bieten Beratung und Know-How an. Behirtung und weitere Herdenschutzmaßnahmen bedeuten natürlich einen erheblichen Mehraufwand. Arbeitszeit und (Personal-)Kosten sollten bei den Förderbeiträgen unbedingt berücksichtigt werden.

Unabhängig davon, was Politik und Stammtisch lautstark kundtun: Am Herdenschutz führt kein Weg vorbei. Vor allem jene Akteure, die sich ihre Liebe zu den bäuerlichen Familienbetrieben auf die Fahnen heften, sollten alles in ihrer Macht stehende tun, um die Tierhalter bei der Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen finanziell und organisatorisch zu unterstützen.

Wissenschaftliche und sonstige Quellen zu diesem Text sind unter folgendem Link gelistet:
linktr.ee/herdenschutz – Radiosendungen zum Thema Wolf in „Kultur und Tierrechte“ auf Freirad von Nicole Staudenherz: Wölfe in Tirolhttps://cba.media/571246 – Der Wolf kehrt nach Österreich zurück. https://cba.media/400637 – Wölfe in der Lausitz. https://cba.media/628265



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Nicole Staudenherz

Nicole Staudenherz, geb. 1976 in Innsbruck, verheiratet, Betreuerin autistischer Kinder, Pflegerin bei den Sozialen Diensten Innsbruck, Pflegehelferin bei Tirol Kliniken, Diplom. Gesundheits- und Krankenschwester Tirol Kliniken, LKH Natters und Hochzirl, inzwischen hauptberufliche Kampagnenleiterin des Vereins gegen Tierfabriken (VGT).

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