Print Friendly, PDF & Email

Manfred A. Schmid
Von Einem, der es gewagt hatte, den „Jedermann“ ersetzen zu wollen.
Die 1951 vergebene Chance, Hofmannsthals „Jedermann“ durch einen Salzburger „Totentanz“ aus der Feder Bertolt Brechts zu ersetzen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sprachen sich Proponenten der Salzburger Festspiele dafür aus, die Festspiele zu entstauben und erstmals zeitgenössische Dramen und Opern aufzuführen. Salzburg sollte zu einem „Weimar des 20. Jahrhunderts werden“.

Mit der Uraufführung von Gottfried von Einems Oper „Dantons Tod“ 1947 wurden die Weichen dafür gestellt. Schon ein Jahr später gehörte Gottfried von Einem dem Direktorium der Salzburger Festspiele an und entwickelte kühne Ideen. So plante er u.a. eine Ablösung des „Jedermann“ und beauftragte Bertolt Brecht, ein Werk für die Festspiele zu schreiben. Als Arbeitstitel wurde „Totentanz“ gewählt.

Bertolt Brecht, der aus dem amerikanischen Exil zurückgekehrt war, erklärte sich damit einverstanden. Als Honorar wollte er die österreichische Staatsbürgerschaft. Gottfried von Einem setzte diesen Wunsch durch und wurde damit 1951 zum Mittelpunkt eines Skandals, über den er unter dem Titel „Der Rausschmiss aus dem Salzburger Festspieldirektorium“ in seiner Autobiographie „Ich hab‘ unendlich viel erlebt“ berichtet.

Nicht der österreichische Staat, der die Staatsbürgerschaft an Brecht verlieh, wurde kritisiert, sondern Gottfried von Einem, der einem Künstlerkollegen helfen und damit auch Bahnbrechendes für die Zukunft der Salzburger Festspiele tun wollte.

„Dr. Tassilo Nekola denunzierte mich […] als Kommunisten. Es wurde eine Direktoriumssitzung einberufen, und ich wurde hochnotpeinlich befragt, warum ich mich denn für Brecht eingesetzt hätte, wo es doch klar wäre, dass Brecht ein Schädling sei und man in Salzburg und in Österreich auf solche Menschen gerne verzichten könnte. Damals war schon Josef Klaus Landeshauptmann und prägte den Satz, ich sei eine ‚echte Schande für Österreich‘. Als ich mich gegen diese ungerechtfertigten Vorwürfe und Anschuldigungen emotionsgeladen zur Wehr setzte, wurde ich wegen ‚schlechten Benehmens‘ aus dem Salzburger Direktorium ausgeschlossen.“

Damit wurde eine einmalige Chance vertan.

Hofmannsthals „Jedermann“ wird weiterhin jedes Jahr auf dem Domplatz gespielt, und jedes Jahr fragen sich viele, ob das denn unbedingt so sein muss. Da klingt es wie ein Hohn, wenn 2018, anlässlich des 100. Geburtstags des Komponisten, Intendant Markus Hinterhäuser beteuert, die Salzburger Festspiele würden Einems Überzeugung weitertragen: „Was bleibt von Gottfried von Einem? Er kämpfte für einen Kunstbegriff, der nicht bloß schön oder erbaulich war. Kunst regte ihn auf und sollte andere aufregen. Kunst, so war er überzeugt, ist nur dann lebendig, wenn sie sich mit den Themen der Zeit auseinandersetzt. Diese Überzeugung wollen wir auch im 98. Jahr der Salzburger Festspiele weitertragen.“

Leere Worte. Nichts als Worte.

Manfred A. Schmid

Manfred Schmid hat am Konservatorium in Klagenfurt Violine und Tonsatz und an der Universität Wien Philosophie und Psychologie studiert. An der University of Strathclyde in Glasgow, wo er als Lektor tätig war, hat er ein Postgraduate-Studium der Literaturwissenschaft absolviert. Nach einigen Jahren als Universitätsdozent an der Universidad Nacional dé Mexico kehrte er nach Österreich zurück, wo er zunächst als Cheflektor und Verlagsleiter die Edition S, den Belletristik-Zweig des Verlags der Österreichischen Staatsdruckerei, leitete. Es folgten rund zehn Jahre als Redakteur bei der Wiener Zeitung (Medienressort-Leitung, Theater- und Musikkritik, Kolumnist der „Extra“-Beilage) und eine mehrjährige Tätigkeit als Trainer und Coach (Kommunikation, Berufsorientierung). In der Pension schreibt Schmid regelmäßig Opernkritiken auf www.onlinemerker.com und widmet sich intensiv dem Komponieren – eine Leidenschaft, die ihn seit der Kindheit bis heute begleitet.

Schreibe einen Kommentar