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Literarische Korrespondenz:
Susanne Preglau an Johannes Sprenger
Betrifft:
Der Nahost-Konflikt aus Sicht
der renommierten israelischen
Soziologin Eva Illouz
Ein Vergleich

Alois Schöpf hat am 15.Dezember 2023 im schoepfblog einen Artikel über das Buch von Johannes Sprenger Aspekte des Nahostkonflikts geschrieben.

Ich bin daraufhin seiner Empfehlung gefolgt, die Argumentationskette des Buches selbst zu erkunden (das vor dem Ausbruch des Gaza-Krieges im Jahr 2023 geschrieben wurde). Dabei habe ich die Argumente gesammelt, die mir ein näheres Verständnis der jetzt herrschenden Kriegssituation ermöglichen sollten. Im Fokus steht für mich dabei die Zurückweisung des Verdachts des Antisemitismus, den die Kritik an Israel als Staatsmacht auslösen kann.

Es geht um die Verwirklichung der seit den 1970er Jahren diskutierten sogenannten Zweistaatenlösung, (bei der ein unabhängiger Staat Palästina neben dem Staat Israel westlich des Flusses Jordan – Westbank – angestrebt wird), die Israel offenbar nachhaltig zu verhindern sucht (Seite 9). 

Es geht um das Ziel eines rein jüdischen Staates, was zwangsläufig die Vertreibung der palästinensischen Araber beinhalte (Seite 12). Es geht um die Gewährung der politischen Gleichberechtigung, die ja gerade der Beendigung des rechtlosen Zustandes der Palästinenser und des damit verbundenen Terrorismus dienen soll (Seite 13).

Israel liefert seinen wahren Feinden mit der Besatzungspolitik, dem Siedlungsbau und der offensichtlichen Weigerung, an eine gerechte Lösung auch nur zu denken, Tag für Tag Argumente für die Verstärkung und Verfestigung der Feindschaft der Muslime außerhalb Israels, während innerhalb Israels Araber und Israelis täglich beweisen, dass sie sehr wohl auch miteinander auskommen können (Seite 21).

Durch die Staatsgründung 1948 wurde Israel zu einer Nation und (sie) haben mit diesem politischen Recht, das sie gewonnen haben, auch politische Pflichten übernommen, wie etwa jene, dass sie der Verantwortung für das Schicksal eines anderen Volkes, das ihnen ausgeliefert ist, gerecht werden müssen (Seite 22). 

Bei dieser Gründung Israels war der Auftrag die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina …..unter der Bedingung, dass nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina …beeinträchtigen würde (Seite 26).

Im Gegensatz dazu leitet Israel aus der Tatsache der Staatenlosigkeit der Palästinenser … deren Rechtlosigkeit ab (Seite 29).

Zur Einstellung zu den besetzten Gebieten: Das Ziel ist nur das Land, die dazugehörigen Menschen sind schlicht im Wege (Seite 31).

Zur Nichtanerkennung der Palästinenser als gleichberechtigte Staatsbürger: Die bestimmenden Kräfte der israelischen Politik wollen gar nicht, dass die Israelis mit den Palästinensern „in Frieden leben“, sie wollen nur das Land, möglichst ohne Palästinenser, und der ungelöste, „unlösbare“ Konflikt mit diesen ist ein durchaus willkommenes Mittel des Machterhalts (Seite 32).

Soweit zur Argumentationskette von Sprengers Buch. 

Nun habe ich im Anschluss an die Lektüre ein anderes Buch, veröffentlicht 2015 im Suhrkamp Verlag, in meinem Bücherregal gefunden: Das Buch Israel der israelischen Soziologin Eva Illouz, eine Sammlung von Essays, erstmals veröffentlicht zwischen 2011 und 2014 in der israelischen Tageszeitung Haaretz

Illouz lehrt als Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität von Jerusalem und sie ist als Jüdin und israelische Staatsbürgerin sicherlich über jeden Verdacht des Antisemitimus erhaben. 

Ich möchte nun ihre Argumentationskette der von Johannes Sprenger gegenüberstellen.

Am Klappentext des Buches: (Eva Illouz: Israel. Soziologische Essays edition Suhrkamp 2683, 2015 ISBN 978-3-518-12683-7) ist zu lesen: Es kann keine bessere Weise geben, die Juden und das Judentum zu lieben, als auf der Forderung zu bestehen, dass Israel ein universalistischer und säkularer Staat wird, dass es alle seine Bürger gleich repräsentiert und die Idee von unser aller Humanität verkörpert.

Michel Foucault sah die Funktion des Intellektuellen darin, „der Macht die Wahrheit“ zu sagen. … Die Wahrheit sagen muss (die oder der zeitgenössische jüdische Intellektuelle) nämlich gleichzeitig einem mächtigen Militärstaat, der an der Schwelle zu einer ethnischen Hegemonie steht – Israel -, und einer jüdischen Diasporagemeinschaft, die von der Erinnerung an ihre fürchterlichen Verfolgungen heimgesucht wird (Seite 7).

Die Legitimität des Zionismus – als einer Bewegung, deren Absicht es war, den Juden zu Sicherheit und Würde zu verhelfen – zu bestreiten ist unmoralisch. ….. Die Existenz Israels ist eine ohne Wenn und Aber (Seite 8).

Das Buch richtet sich gegen das Abdriften Israels in eine religiöse Ethnokratie: Wenn die israelische Politik tagtäglich das Völkerrecht und die Menschenrechte missachtet, dann kann die ontologische Unsicherheit, die Juden rund um den Erdball verspüren, nicht länger als moralische Rechtfertigung für die systematische Blindheit gegenüber der massiven Erosion der Demokratie in Israel und gegenüber der moralisch sowie politisch unverantwortlichen Unterdrückung entrechteter Palästinenser dienen (Seite 9/10).

Wir befinden uns heute in einer Situation, in der der jüdische Messianismus und verschiedene Gruppierungen der extremen Rechten das von den frühen Zionisten verfolgte demokratische Projekt zu beenden drohen (Seite 12).

Dieser Text wurde, wohlgemerkt, bereits vor 2015 verfasst und zeigt meines Erachtens eine große Parallele in der Argumentationskette von Eva Illouz und Johannes Sprenger.

Wir alle können nur hoffen, dass dieser schreckliche Krieg in Gaza und die vielen anderen Kriege auf der Welt irgendwie beendet werden können.

https://de.wikipedia.org/wiki/Eva_Illouz
https://schoepfblog.at/alois-schopf-feinde-die-fur-ihren-hass-einander-brauchen/

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Susanne Preglau

Susanne Preglau, geboren 1955 in Wien, Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien, lebt seit 1977 in Tirol. Nach einem Doktoratsstudium bei Prof. Anton Pelinka am Institut für Politikwissenschaft Lehrbeauftragte an der Universität Innsbruck. Neben zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen 2013 Veröffentlichung einer Migrationsgeschichte „Ani – Essay eines Lebens“, Verlag Limbus. Ehemalige Korrespondentin von "Blickpunkt Musical", Berlin.

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