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Literarische Korrespondenz
H.W. Valerian an Herrn Kotrschal
Betrifft:
Wozu Wölfe auf Kosten der Schafbauern?

Sehr geehrter Herr Kotrschal!

In Ihrem Kommentar im Standard vom 29. Juni 2021 äußern Sie sich zum leidigen Wolfs-, Bär und eventuell auch noch Luchs-Problem, das uns nun schon seit einigen Jahren plagt. Wenig überraschend ergreifen Sie als Verhaltensbiologe die Partei eben dieser Raubtiere. Dabei gehen Sie so weit zu behaupten, das „Hauptproblem des Schutzes der großen Beutegreifer in Österreich“ sei die „illegale Abknallerei der Wölfe wie auch der Bären, Luchse und Greifvögel…“

Wirklich?

Schon am nächsten Tag erfahren wir aus der Tiroler Tageszeitung, dass ein Wolf auf der Oberhofer Alm (im Oberinntal, Raum Telfs) 31 Schafe gerissen habe. Die Bauern hätten sich darauf hin gezwungen gesehen, die Tiere von der Alm zu holen.

Das sagt sich so leicht. Aber hat man eigentlich je bedacht, was das konkret bedeutet? Die Schafe müssen im Stall gehalten werden, sie müssen gefüttert werden, und das zu einer Jahreszeit, da solches absolut nicht vorgesehen ist. Kann man sich diesen Arbeitsaufwand vorstellen? Und was das kostet?

Wie ich sehe, sind auch Sie geneigt, den Schafhaltern die Verantwortung aufzubürden: Es gehe längst nicht mehr um Zäune auf den Almen, mahnen Sie, sondern um „klassische Behirtung und Herdenführung.“ Auch auf den Almen werde man um „fachgerechten Herdenschutz“ nicht herumkommen.

Aber was, bitte schön, soll das sein? Klassische Behirtung und Herdenführung? Fachgerechter Herdenschutz? Wie funktioniert das, wie wirksam wäre so etwas? Und noch einmal: Wieviel zusätzlichen Arbeitsaufwand verlangt das? Wieviel Geld?
Wozu?

Als Nutzen der großen Raubtiere geben Sie lediglich an, Wölfe seien durch „Kontrolle von Fuchs, Goldschakal oder Fischotter“ die „Hüter einer diversen Fauna“. Was indes gleich mehrere Fragen aufwirft. Waren Fuchs, Goldschakal oder Fischotter vor Ankunft der Wölfe etwa außer Kontrolle?

Und vor allem: Was ist, bitte schön, eine diverse Fauna? Gehören Wolf, Bär & Co. da unbedingt dazu, oder sind sie bloß Draufgabe, Verzierung? An welchen Grad der Diversität denken Sie? An den vor 200 Jahren? 300? 500? Und wenn Diversität sein muss, warum nicht auch Wildschwein und Wisent hier bei uns in den (nicht mehr vorhandenen) Innauen? Oder wie wär’s der Vollständigkeit halber vielleicht mit Ratten samt zugehörigen Flöhen, die auf den Menschen überspringen – na ja, Sie wissen schon.

Doch selbst damit ist unsere grundlegende Frage nicht beantwortet: Wozu?

Wozu soll der Schafhalter oder die Schafhalterin hier bei uns so viel mehr arbeiten, so viel Geld ausgeben, nur damit’s Wölfe und den vereinzelten Bären geben darf? Und selbst wenn ihm oder ihr die Kosten erstattet werden, großzügig womöglich – wozu soll ich, als Steuerzahler, dafür aufkommen? Nur damit Wildtier-Biologen sich an ihren Raubtieren ergötzen können?

Tut mir leid, aber das ist einfach nicht einzusehen. Und um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Natürlich sind unserem Handlungsspielraum durch EU-Gesetze enge Grenzen gesetzt. Aber soweit mir bekannt, dürfen geltende Gesetze durchaus kritisiert werden. Man darf sogar auf ihre Veränderung oder Abschaffung hinarbeiten. Immerhin kam genau so unser so genannter Fortschritt zustande.

Aber gut – Abschießen wird nicht so einfach gehen. Wie wär’s jedoch mit folgender Vorgangsweise, Herr Kotrschal: Für jedes große Raubtier, das hier bei uns auftaucht und das Schäden, Folgekosten, Arbeitsaufwand verursacht – für jedes Raubtier also finden sich Sponsoren, die sich verpflichten, für alle diese Kosten aufzukommen, und zwar umfassend und total. Ist das sichergestellt, darf das Tier bleiben. Wenn nicht –

Mit freundlichen Grüßen
H. W. Valerian

https://www.derstandard.at/story/2000127780464/wider-die-verkuerzte-jaegersicht
https://www.tt.com/artikel/30795259/31-tote-schafe-in-oberhofen-bauern-holen-tiere-von-der-alm



H.W. Valerian

H.W. Valerian (Pseudonym), geboren um 1950, lebt und arbeitet in und um Innsbruck. Studium der Anglistik/Amerikanistik und Germanistik. 35 Jahre Einsatz an der Kreidefront. Freischaffender Schriftsteller und Journalist, unter anderem für "Die Gegenwart". Mehrere Bücher. H.W. Valerian ist im August 2022 verstorben.

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