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Literarische Korrespondenz:
Erich Ledersberger an uns alle!
Betrifft:
Pfingstlicher Erleuchtungsletter

Dear Freundys!

Der Mai ist gekommen, passt also auf, wenn Bäume in der Nähe sind. Ansonsten: Die Zeiten sind, naja, soso, lala. Putin versucht, die Ukraine auszulöschen, Netanjahu die Hamas. Unsinnige Versuche mit jeder Menge Toter.

Warum Krieg? heißt ein spannender Briefwechsel zwischen Einstein und Freud. Das Deprimierende: Beide fanden keine Antwort. Insofern befinde ich mich auf dem gleichen Niveau – das soll nicht ignorant wirken, entspricht aber den Tatsachen.

Mir fällt im (noch) friedlichen westlichen Alltag übrigens auf, dass die Menschen immer ärgerlicher werden. Aus Prinzip sozusagen.

Stichwort Schilling. Die Aufregung über die Spitzenkandidatin der Grünen ist so groß, als wäre ein neues Virus aus China eingewandert. Auch Journalistinnen und Journalisten bekennen sich. Für und gegen Schilling. Für oder gegen Lena, nicht für oder gegen die alte Währung. Als hätten wir keine anderen Sorgen!

Wohnungsnot? Ungerechte Einkommensverteilung? Schlechte Gesundheitsversorgung? Alles wurscht? Armin Thurnher argumentiert über Schilling dankenswerterweise nicht, er wundert sich bloß. Etwa über den Hang der Grünen zu Prominenz. Von Mercedes Echerer über Sarah Wiener zu Lena Schilling: ein permanentes Schielen nach Persönlichkeiten, die keine Ahnung von politischen Inhalten haben, aber in der Öffentlichkeit bekannt sind.
Grüne Inhalte: Nebbich! Hauptsache ist das, was man für Aufmerksamkeit und damit hilfreich für Wahlen hält. Diese Zeiten sind vorbei, liebe Grüne! Außer ihr wollt wem auch immer Stimmen abluchsen. So gelingt das nicht, ihr verliert nur eure Anhängerys. 

Eine kleine Anmerkung noch zum Thema Aufregung, früher Hysterie: Ich habe mir erlaubt, auf Facebook, der (un)sozialen Plattform für Eltern und Großeltern, eine Nachricht (das heißt übrigens POST) zur Küchenschlacht (das ist eine Sendung für Alte wie mich im ZDF) zu schicken.
Bitte versucht mal eine Sendung zu produzieren, in der das Wort LECKER NICHT vorkommt. Ich dachte dabei an eine Ausgabe der ZEIT (glaube ich zumindest, kann auch eine andere Zeitung gewesen sein, ihr wisst schon, Alter, siehe oben!), in der jeglicher englische Begriff vermieden werden sollte. Die Nummer war ein Erfolg, der leider nicht wiederholt wurde. 

Die Reaktionen auf meine Bitte zur Unterlassung der Bezeichnung lecker waren erstaunlich! Ob ich keine anderen Sorgen hätte, war das Mildeste. Darauf antwortete ich, dass ich schon andere hätte, ob ich darüber schreiben soll? Das wiederum wurde rücksichtslos abgelehnt!

(Un)Soziale Medien als Zeiterscheinung. Ganz schön grauslich. Mir fallen weitere Erscheinungen des Zeitgeists ein. Etwa merkwürdige Wörter wie chillen, triggern, zeitnah, Identität, proaktiv oder Wurzeln. Die Liste ist unvollständig, daher gehe ich heute nur auf die Wurzeln ein: Viele Menschen sind plötzlich auf der Suche nach ihren Wurzeln. Da ich kein Baum bin und keine Pflanze bin, finde ich die Frage etwas weit hergeholt.

Aber wie das so ist: Kaum stellt jemand eine unsinnige Frage, schon denkt man über sie nach. Ich habe versucht, hier eine Antwort zu geben. Das war sie. Erleuchtende Grüße

Euer Erich Ledersberger

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Erich Ledersberger

Erich Ledersberger, geboren 1951 in Wien, mehrere Studienrichtungen begonnen, eine – Wirtschaftspädagogik – abgeschlossen. Einige Jahre Lehrer und Mit-Herausgeber einer pädagogischen Taschenbuchreihe, dann über verschiedene berufliche und örtliche Umwege (Bonn und Berlin) die Rückkehr nach Österreich und hier wieder als Lehrer arbeitend. Währenddessen als Autor tätig, etwa mit Satiren für deutsche und Schweizer Rundfunk- und Fernsehanstalten, Hörspielen und Theaterstücken. Mehrere Buchveröffentlichungen, 2014 „Ich bin so viele“, 2017 „Als mein Ich verschwand“, Kurzgeschichten, 2018 „Maria fährt.“, Erzählung, 2019 „Fünf Sieben Fünf“, 34 Haiku und 2023 „Kakanien – Band 1“ eine Zeitgeschichte in Kolumnen von 2000 bis 2006. Er betreibt seit 2000 den Blog www.kakanien.eu

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