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Literarische Korrespondenz:
Alois Rathgeb an Landeshauptmann Anton Mattle
Betrifft:
Zu den wahren Ursachen des GemNova-Konkurses.
Ein unbeantworteter Brief

Der Konkurs der GemNova ist der Aufreger der letzten Monate. Dabei waren die Schuldigen, Gemeindeverbandspräsident Ernst Schöpf und der Geschäftsführer der GemNova Alois Rathgeb, von allem Anfang an klar. Sie hatten keinerlei faire Chance, ihre Sicht der Dinge einer relevanten Öffentlichkeit darzulegen. Nach dem Prinzip „audiatur et altera pars“ veröffentlicht schoepfblog daher einen Brief  Rathgebs an Landeshauptmann Anton Mattle.

Die handelnden Personen: Alois Rathgeb, Verfasser des Briefes und Geschäftsführer der GemNova; Anton Mattle, Landeshauptmann von Tirol; Ernst Schöpf, Ex-Gemeindeverbandspräsident, Gründer der GemNova und ÖVP-Personalreserve für das Amt des Landeshauptmanns; Christian Härting, Bürgermeister von Telfs; Magnus Gratl, Sekretär des Landeshauptmanns für Gemeindeangelegenheiten; Ihr, der Tiroler ÖVP-Klüngel.


Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, werter Toni! Hallo Magnus!


Was Ihr jetzt geschafft habt? 

Ihr habt es doch glatt geschafft, die GemNova hinzurichten. 13 Jahre Aufbauarbeit zum Nutzen der Gemeinden und des Landes Tirol kaputt zu machen. Einen starken Partner der Tiroler Gemeinden kaltzustellen. Einen Millionenschaden mit zu verursachen. Die Gemeinden ohne Lösung dastehen zu lassen. Ernst Schöpf loszuwerden. Mich persönlich und finanziell zu ruinieren. 

Natürlich wart Ihr nicht allein, es gab noch zahlreiche andere. An vorderster Front natürlich Härting. Aber entweder habt Ihr das Momentum genutzt, das Euch geboten wurde. Oder Ihr habt das strategisch so geplant. Dass Ihr nur Randfiguren wart, wie im Profil-Artikel zu lesen ist, dürfte Eurer Rolle in der Causa jedoch nicht gerecht werden.

Dabei kann ich mich gut an 2010 erinnern, als Du, Toni, beim einstimmigen Beschluss zur Basisfinanzierung von jährlich Euro 410.000,– mitgestimmt hast. Und diesen Beschluss nie umgesetzt hast. 

Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir vor den Wahlen über eine Bürgerservice-Plattform geredet haben und über regionale Servicecenter. Teilweise haben diese Projekte sogar Einzug in das Regierungsprogramm gefunden. Wer Euch das jetzt umsetzt, bin ich gespannt. 

Ja, wir hatten gemeinsame Pläne, die Gemeinden weiterzuentwickeln, die Gemeinden weiter zu entlasten, die Servicequalität zu steigern. Ja, wir hatten Pläne, um Zwangsfusionen zu vermeiden. 

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Du am 27.01.2023 zu Ernst Schöpf noch gesagt hast, er dürfe nicht zurücktreten, er sei Dein Präsident und Du bräuchtest genau ihn. Ich kann mich noch gut erinnern, wie Du am 30.03.2023 noch gesagt hast, man müsse mich schützen. Ich kann mich auch erinnern, dass Du mehrmals gesagt hast, dass man die GemNova nicht in Insolvenz schicken wird, weil sie wichtig für die Gemeinden ist (in den Medien und auch in der Landtagsdebatte).

Ich kann mich aber auch daran erinnern, wie Ihr, gegen alle Warnungen von Fachleuten, die Insolvenz beschlossen habt. Ich kann mich auch daran erinnern, dass Ihr alle positiven Zahlen der GemNova – geprüft durch Wirtschaftsprüfer Mag. Johannes Marsoner –  in den Wind geschlagen habt. 

Ich kann mich auch daran erinnern, dass Magnus bereits im Jänner zu Bürgermeistern gesagt hat, dass ich sowieso weg muss. Ich kann mich daran erinnern, wie Ihr gegen jede Logik für den 10.07.2023 ein 90 % Quorum verlangt und damit den endgültigen Untergang besiegelt habt – und das Quorum damit argumentiert habt, dass die Banken das verlangen, was nicht stimmt. 

Ich kann mich auch daran erinnern, dass Ihr das Schreiben des ÖGB im Zusammenhang mit dem GemNova Bildungspool massiv dramatisiert habt und dass Ihr die ganzen Stellungnahmen von unserem Fachanwalt in keinster Weise gewürdigt habt. Ich weiß aber auch, dass die neue Gesellschaft alles gleich macht wie die Bildungspool und ich weiß auch, dass die Lohnverrechnung (weit jenseits der Direktvergabe) ohne Ausschreibung an zwei ÖVP-Freunde vergeben wurde.

Wie kann man es zulassen, dass man Unternehmen nach schwierigen Corona-Jahren und dadurch aufgelaufenen Verlusten einfach so den Bach runterschickt? Wie kann man Unternehmen, die sich seit September 2021 neu aufgestellt haben, Restrukturierung betrieben haben und damit seit 2023 deutlich positiv wirtschaften, einfach in den Konkurs treiben? 

Wie kann man Unternehmen, die den Gemeinden in den letzten Jahren Millionenbeträge gespart haben, zerstören? Wie kann man Unternehmen, die vielfach dem Land Tirol in Notsituationen (TSD, Tirol impft, Sommerschule, Admin. Assistenzkräfte, Aktion 20.000) geholfen haben, einfach so schließen? Und schlussendlich: wie kann man die teuerste Variante wählen? 

Bis 17.4.2023 (Insolvenzantrag) wäre es noch mit 1,5 Mio. vom Land und 1 Mio. vom Gemeindeverband gegangen, bis 10.7.2023 wäre es noch mit ca. 4 Mio. gegangen. Aber nein, man nimmt ein Millionengrab in Kauf. Um was zu erreichen?

Es ist entweder Inkompetenz oder einfach beinhartes Kalkül. Um sich einen unangenehmen Lästling vom Hals zu schaffen? Um einen starken Vertreter für Tirols Gemeinden unschädlich zu machen? Um Unternehmen zu unterstützen, die nicht mehr so viel Geld mit Gemeinden machen konnten? Um Menschen, die keine ÖVP-Hörigkeit haben, zu ersetzen? Um einem politischen Irrläufer Karrierechancen zu eröffnen? Vermutlich wird es eine Mischung aus allem sein.

Was mich als Bürger schockiert, ist auch, wie Ihr die öffentliche Meinung in Zusammenarbeit mit den Medien beeinflusst. Nach der Methode Ich geb` Dir, Du gibst mir – wie das läuft, hat mir Magnus mal beschrieben, als wäre das daily business – werden die Medien gesteuert, damit sie nur das bringen, was einem genehm ist. 

Was für ein Demokratieverständnis ist das denn bitte? 

Aber klar, nach Machiavelli-Art muss man anfangs gleich den Gegner denunzieren, damit er unglaubwürdig wird. Eine bewährte Strategie, die man vor allem den Rechten zuschreibt, jetzt aber offenbar auch in der sogenannten Mitte angekommen ist. Das ist gelungen und Ihr habt es gut geschafft, einen (oder zwei) Schuldige zu finden. 

Das predigt ja selbst der neue Präsident des Gemeindeverbands bei jeder Gelegenheit. Das ist das Denken des einfachen Mannes, bei dem kommt das an. Es ist sogar gelungen, jeden, der sich positiv zu uns geäußert hat, in Frage zu stellen. PW Mag. Johannes Marsoner oder auch RA Dr. Christian Winder. 

Klar, die beiden haben sich wirklich mit GemNova beschäftigt und sind in die Tiefe der Zahlen und des Unternehmens gegangen. Die Zerstörer wissen bis heute nicht, was GemNova eigentlich ist und tut und kennen die Zahlen nur oberflächlich. Und dort findet sich (leider) die Bestätigung dessen, was Ernst Schöpf und ich schon lange sagen: Unterkapitalisierung.

Aufbauarbeit benötigt Geld, mit 2,5 Mio. wäre man ausgekommen, laufende Zahlen waren sehr gut. Bis Ende Mai haben alle Firmen gemeinsam ein positives Ergebnis von deutlich über einer Million Euro erwirtschaftet. Und man hätte das Thema sogar aus eigener Kraft lösen können uvm. Aber das zerstört die Story, das darf einfach nicht sein und ja nicht in den Medien aufscheinen. Chapeau!

Die Worte des Masseverwalters schwingen weiterhin in meinen Ohren: Es ist mir unverständlich, wie man sehenden Auges einen Totalschaden verursachen kann. 

In den letzten Wochen durfte ich auch mit anderen hohen Gemeindevertretern aus anderen Bundesländern reden. Der allgemeine Tenor ist: Sind die Tiroler komplett durchgeknallt? Wir haben immer neidisch nach Tirol geschaut, das war ein Musterprojekt für alle. Und zu meinen, dass das ohne eine Finanzierung geht, ist schon sehr blauäugig und zeugt nicht wirklich von Weitsicht. 

Die haben alle erkannt, um was es ging: Politik. Miese Politik.

Und wenn Ihr nun wirklich davon ausgeht, dass das Kapitel GemNova vorbei ist (so hast Du, Toni, das ja bereits am 10. Juli gesagt), dann vermute ich, dass Ihr Euch damit täuscht. Das Kapitel ist noch lange nicht geschlossen, jetzt geht es erst zur Sache. 

Vor Gericht werden dann auch unsere Stimmen endlich gehört werden und es wird die andere Seite der Story Gehör finden, auch wenn die mediale Kontrolle vermutlich weiterhin funktionieren wird. Es werden noch viele unangenehme Dinge ans Tageslicht kommen. Und es werden noch Millionenforderungen kommen. 

Dazu nur ein kleines Beispiel: Niemand hat dem Tiroler Gemeindeverband und Euch gesagt, dass im Konkursfall die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen noch bis zu drei Monate ihr Gehalt vom Insolvenz-Entgelt-Fonds bekommen, dieser das dann natürlich in die Masse einbringt. 

Bei 1,5 Mio. monatlichen Gehaltskosten kann man sich ein Bild davon machen, was allein daraus noch zu erwarten ist. Natürlich wird das medial wiederum uns in die Schuhe geschoben, was anderes erwarte ich mir nicht. Vermutlich wird die Rolle von bestimmten Präsidiumsmitgliedern und Vorstandsmitgliedern genau unter die Lupe genommen und es wird auch die Rolle des Landes Tirol hinterleuchtet werden.

Dabei sind die Langzeitfolgen noch viel schwerwiegender. Die Banken kalkulieren bei Neukrediten bereits mit Risikoaufschlägen. Daran wird der persönliche Anruf nichts ändern. Die Gemeinden stehen vor riesigen Herausforderungen und haben jetzt niemanden mehr, der sie unterstützen kann. Andere Bundesländer, aber auch andere Länder bauen an ihrer eigenen GemNova. Tirol meint ja einhellig, man braucht so etwas nicht. Die Zukunft wird zeigen, ob das eine politisch kluge Entscheidung war.

Meine Zukunft ist gewiss, ich werde finanziell den Bach hinunter gehen. Das hat aber auch etwas Befreiendes für mich. Ich kann alles sagen, was ich weiß. Ich kann sehr aktiv zur Aufklärung, die sich ja alle wünschen, beitragen. 

Ich bin niemandem verpflichtet, außer der Wahrheit. Ich kann mein ganzes Wissen dazu, ich kann meine Zusammenhänge und Interpretationen offen erklären, auch wenn sie vielleicht nicht immer rechtlich gewürdigt werden. Ich kann das jeder und jedem erzählen, die meine Sicht der Dinge hören wollen, und das tue ich auch, weil es doch tatsächlich Menschen gibt, denen das alles suspekt erscheint, was hier passiert ist und was die Medien berichten. 

Es gibt genügend Menschen, die komplexe Zusammenhänge erfassen können und erkennen, wie schon oben beschrieben, welch mieses Spiel hier getrieben wurde.

Was mir aber für mich das Wichtigste ist: Ich werde weiterhin aufrecht gehen, ich werde mich weiterhin nicht arrangieren (damit hätte ich mir viel Ärger sparen können) und ich werde weiterhin alles ansprechen, von dem ich der Meinung bin, dass es falsch ist. 

Ich schäme mich nicht für das, was ich getan habe, ich bin stolz auf das Erreichte. In einem Land, in dem es nicht um die Sache, sondern nur um die Partei und die Macht geht, ist das auch wichtig. In einer Zeit, in der nur mit Schlagzeilen, schönen Bildern und Videos die Öffentlichkeit beeinflusst wird, ist das notwendig. 

Das brauche ich aber auch, damit ich mich jeden Tag im Spiegel anschauen kann und mir dabei nicht schlecht wird. Ich wurde zu Ehrlichkeit, aufrechtem Gang, Eingestehen von Fehlern (derer habe ich genügend gemacht), Akzeptanz von und Offenheit gegenüber anderen Meinungen und Zugängen erzogen.

Und noch was zum Schluss: Ich bin kein enttäuschter, zorniger Mann. Ich bin Realist und akzeptiere Entscheidungen, so dumm sie auch sein mögen. Das ist politische Realität und in vielen anderen Problemfeldern läuft es nicht anders. Ich fühle mich eher befreit und kann mich künftig mit Menschen beschäftigen, die wirklich einen Beitrag leisten möchten, bei denen es um die Sache geht und die Entscheidungen aufgrund von Wissen, Vernunft und guten Überlegungen treffen.

Damit verabschiede ich mich vorläufig von Euch, vermutlich werden wir uns das nächste Mal vor Gericht sehen. Ich wünsche Euch ein glücklicheres Händchen bei Euren anderen Themen und kann nur hoffen, dass Ihr für Euch die Causa GemNova ehrlich und offen reflektiert.

Gruß
Alois Rathgeb









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