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Helmuth Schönauer
Wortknallerei
Veranstaltungstitel sollen lästig sein
wie Klingeltöne.
Stichpunkt

1.
Wenn du jahrelang ehrenamtlich literarische Veranstaltungen machst, die immer von den gleichen Leuten besucht und abgenickt werden, gehen dir mit der Zeit die Wörter aus, mit denen du sie ankündigst. So ist es wahrscheinlich zu erklären, dass im Mai 2024 plötzlich etwas im Kalender auftaucht, das zumindest im Titel ein Hingucker ist.

Wenige Tage vor dem Attentat, bei dem in der slowakischen Stadt Handlova ein Schriftsteller auf den Premierminister schießt, kommt es in Innsbruck zu:

Am Schießstand der Worte
Begegnungen mit Schreibenden und Interessierten
Höttinger Schießstand Innsbruck, Schwabeneckweg 7

Da alle wissen, dass in Innsbruck Veranstaltungen so harmlos sind, dass nicht einmal die Vereinspolizei hinschaut, kann man den Event selbst unter Schönheit am Literaturhimmel ablegen. Der Begriff Schießstand der Worte  hingegegen hat dann aber doch etwas in sich, das sich nicht ablegen lässt und immer wieder als Frage aufkocht: Wie suchen wir eigentlich unsere literarischen Markennamen und Labels?

Was ist, wenn es stimmt, dass auf Worte Taten folgen? Folgt dann auf das pure Dichten mit Worten ein Schusswechsel mit dem Publikum? Beim hiesigen Schießstand handelt es sich um eine simple Location, die jeglichen militärischen Konnex verloren hat und zu einem reinen Lokal geworden ist.

Schießstand hat aber auch eine kluge Konnotation, wenn man daran denkt, dass ständig mit Worthülsen herumgeballert wird, die man nach dem Schusswechsel bloß noch aufzuklauben braucht und schon hat man ein Gedicht. Und unter dem Aspekt nachschärfen, zielen und ins Visier nehmen lässt der Vergleich auch den Schluss zu, dass man die Sprache als Waffe zu verwenden gedenkt. In der allgemeinen Zeitenwende muss man ohnehin feststellen, dass sich die Gesellschaft zusehends militarisiert und kriegstauglich wird, wie Freund und Feind der Sprache übereinstimmend feststellen.

Den kleinen Veranstaltungs-Rülpser am Höttinger Schießstand könnten wir Literaturveranstalter also zum Anlass nehmen, die Titel unserer Veranstaltungsserien einer Überprüfung zu unterziehen.

2.
In den letzten zwei Jahrzehnten sind häufig die Markennamen mit den Begriffen Wort- und Sprache- gebildet worden.

Wortbruch | Wortfeld | Wortfremde | Wortgeklaube | Wortschwall | Wortreich | Wortspülung

Aussprache | Autosprache | Rücksprache | Kunstsprache | Jagdsprache | Verkehrssprache

Unter dem Dach dieser Holzhammermarken haben sich oft auch pfiffige Titelsubstanzen kurz ans Licht der Aufmerksamkeit geschwindelt. Eine Saison lang wurde alles mit Gel bezeichnet: Sprachgel | Wortgel | Kunstgel | Versgel | Trostgel

Langgediente Literaturfreunde berichten, dass das Finden einer Wochenendmarke oft der einzige Sinn sei. Für das Publikum sind solche Veranstaltungen besonders ärgerlich, wenn außer einem Titel nichts los ist. In Tirol sind davon häufig Wortbildungen mit Hütte oder Tenne betroffen.

3.
Wie kompliziert es mit dem Wortgeknalle im Titel werden kann, zeigt sich heuer am Beispiel des Literaturfestivals Sprachsalz. Knapp zwanzig Jahre lang wohnte es in der Salzstadt Hall, in der es nur so von salzigen Locations und semantischen Würzen wimmelt. Sprachsalz war dafür ein eleganter Überbegriff, der so gut wie allem erst den richtigen Sprach-Pfiff verlieh.

Jetzt ist Sprachsalz nach Kufstein übersiedelt, und da der Begriff geschützt ist, muss man ihn in die neue Stadt mitnehmen, auch wenn dort kein Salz auf der Straße liegt. Die logische Alternative, das Festival Sprach-Festung nach der dominierenden Festung zu benennen, würde wahrscheinlich zu einem ähnlichen militärischen Zucken führen, wie es der Schießstand gemacht hat. So bleibt also nur eine gewisse Verunreinigung der Begriffe. In Kufstein wird man Sprachsalz machen und in Hall womöglich Sprachpfeffer.

Denn in Hall liegt noch etwas Subventionszusage herum, die unbedingt literarisch verbraucht werden muss mit einem kleinen Ätsch-Festival nach dem Motto jetzt erst recht.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Helmut Schiestl

    Nun: das Kufsteiner Stadtwappen ziert ja immerhin ein Salzfass, eine Salzkufe genauer gesagt! Symbol für den Salzhandel, der über den Inn abgewickelt wurde. Ein sogenanntes „sprechendes Wappen“ übrigens, kommt der Name Kufstein doch von der Kufe, und daher wurde diese ins Wappen genommen. Nur die beiden Löwen fehlen darin, die die Haller Salzkufe links und rechts bewachen. Aber sonst kann man dort ruhig mit dem SPRACHSALZ fortsetzen und das Ganze dann noch mit süffigem Kufsteiner Bier aufgießen! Prosit und Mahlzeit jedenfalls zum Ortswechsel!

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