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Helmuth Schönauer bespricht:
Johann Kapferer
Im Zeichen des Wolfsmondes
Ein Jugendkrimi
Mit Illustrationen von Christian Yeti Beirer

Das bewährte Sprichwort vom Köder, der dem Fisch schmecken muss, heißt auf das Kinderbuch angewendet, dass dieses der Oma schmecken muss, wenn sie dem Enkelkind daraus vorlesen will. 

Für das Jugendbuch heißt der verdeckte Köder Pädagogik. Ein Buch muss in Thematik, Triggerwarnung und Geschlechtsneutralität vor allem der grünen Pädagogik gefallen, ehe es im gegenwärtigen Literaturbetrieb gedruckt werden und auf eine Empfehlungsliste gelangen kann.

Die Köder für jugendliche Sekundärpersonen bewirken über die Jahre freilich, dass die ursprünglich gedachte Zielgruppe Jugend sich mit Grauen vom Lesen abwendet. Mittlerweile gibt es ganze Kohorten, die Wäh, das hat die Großmutter vorgelesen schreien, wenn sie ein Kinderbuch sehen. Und die Jugendlichen melden sich überhaupt von den Buchstaben ab mit dem Versprechen, später, wenn sie einmal in Pension sind, selbst ein Jugendbuch zu schreiben und zu lesen.

Johann Kapferer schreibt seine Jugendbücher in erster Linie für sich selber, indem er sich den Traum erfüllt, passable Jugendbücher für Tiroler Anwender vorzufinden. Bei Lesungen und Feuerspielen rund um sommerliche Freiluftabende verwendet er seine Texte, die zwar als Ganzes einen Jugendkrimi ergeben, in der Anwendung aber kleine Verrücktheiten und Lebensweisheiten beschreiben, die jedem von uns in Träumen passieren.

Aus diesem Grund spielt im neuen Roman ein Wolf die heimliche Hauptrolle, er taucht immer auf, wenn sein persönlicher Freund Jakob die Gedanken streifen lässt, in die pure Natur schaut, oder sonst irgendwie ungeplant aus dem Fenster blickt, um die aktuelle Jahreszeit zu erahnen.

Folgerichtig taucht der Wolf das erste Mal auf, als man im Sinne der Raunächte den Winter zu besiegen gedenkt und auf den Frühling wartet. Der Wolf verspricht dem verdutzten Jakob, dass das kommende Jahr etwas besonderes werden wird.
Tatsächlich steht für Jakob die Pubertät an, da hört man allerhand seltsame Stimmen, eine neue Logik tut sich im Körper auf, und die Geschehnisse stehen plötzlich in einem eigenartigen Zusammenhang wie Monde bei einem neu entdeckten Gestirn.

Die Kriminalgeschichte spielt dann während der Sommerferien und zieht sich in den Winter hinein. Jakob und sein Freund Max investieren die Ferien in Errichtung und Benutzung eines Baumhauses. Aber wie das so mit dem Hausbauen ist, erweist sich das fertige Haus als etwas Langweiliges, mit dem man nichts anfangen kann.

Zur gleichen Zeit versucht ein pensionierter Landwirt die Langeweile seines Daseins mit Hass auf die Autos zu unterbrechen, indem er ständig mit seinem Oldtimer-Traktor den Zirler Berg hinauf und hinunter tockert, damit es sich ordentlich staut. Fans sprechen von ihm als rollendem Klimakleber. 

Wie überhaupt der Krimi in der aktuellen Gegenwart mit Post-Covid, Handy und medizinischem state of the art spielt, während die Verständigung zwischen Behörde und Verbrechern im Slang der Olsenbande geschieht, und dabei goldene Sprachfügungen aus den sechziger Jahren aufkeimen lässt.

Der Stau des Traktorfahrers wird abrupt beendet, als ein Gangster mit seinem Passat den Stillstand durchbricht, gegen eine Absperrung donnert und flieht. Später erleben wir den Gangster, wie er eine Tankstelle ausraubt und dort den Helden Jakob als Geisel nimmt, der sich in seiner Baumhauslangeweile gerade Limonade organisieren will.

Der Krimi spult in absurden Schnitten sein Programm herunter. Überfall, Flucht, Unfall, – Geisel und Gangster werden ins Spital eingeliefert, wo Jakob aus dem Koma erwacht und sprachlos ist. Ab jetzt geschehen alle Äußerungen im Inneren Monolog, der lesefreundlich in Kursivschrift abgebildet ist.

Der Wolf kommt regelmäßig zu Besuch und liefert Durchhalteparolen, wie sonst Jugendtrainer ihre Kids im Sport antreiben oder Influencer ihre Follower.

Während Jakob mit gutem Schulterklopfen aus der Klinik entlassen wird, stiehlt sich der Gangster im Nachbarzimmer davon, indem er in die Verkleidung eines Raumpflegers schlüpft und um die Ecke flieht, wo er akkurat auf den Klima-Traktor trifft, der unbemannt vor sich hin tuckert. Flugs kommt es zu einer Rallye mit zwanzig km/h, was dem Traktor den Rest gibt. Der Gangster flüchtet zu Fuß.

Mittlerweile ist es Herbst geworden, Jakob hat sich daran gewöhnt, schriftlich mit der Umwelt zu verkehren, als der Wolf ein letztes Mal erscheint. Jetzt sei bald alles gewonnen und die Pubertät vorbei, heißt etwas frei übersetzt die Botschaft des seltenen Vierbeiners. Tatsächlich kommt es zum Showdown, der Bösewicht lauert Jakob auf, dieser flüchtet auf einen Weiher, der bereits zugefroren ist, das Eis gibt nach und im Schock kommt die Stimme zurück, sie ist jetzt etwas tiefer, aber immerhin verwendbar.

In einem Epilog verweist der Autor auf die Schönheit des Genres Wolf. Er sei nicht nur ein wunderbares Tier, sondern seit den Kelten auch mit magischen Kräften ausgestattet, die junge Männer begleiten und kräftigen. Was leider verschwiegen wird, ist die Tatsche, dass der Wolf nicht nur in der Türkei von einer rechten Szene als Wappentier gesehen wird. Dieser Punkt würde von der pädagogischen Lesekommission sicher nicht goutiert werden.

Aber das Buch ist ohnehin für den Freundschaftsverkehr gedacht, dazu dienen auch die Bilder des Yeti Beirer, die einem bei jedem Kapitelbeginn mit einem Schub positiver Emotionen begleiten.

Wenn man davon ausgeht, dass Lesen jung macht, weil es meist romantisch an die Emotionen der Kindheit anknüpft, als wir das erste Mal zwischen Fiktion und Fakten zu unterscheiden lernten, so ist dieser magische Roman Im Zeichen des Wolfsmondes eine Erinnerungsnaht, die die Flecken der Kindheit mit den Erwartungen des Rest-Alters zusammennäht.

Johann Kapferer: Im Zeichen des Wolfsmondes. Ein Jugendkrimi aus Tirol. Mit Illustrationen von Christian Yeti Beirer.
Zirl: BAES 2023. 152 Seiten. EUR 12,40. ISBN 978-3-7578-0766-5.
Johann Kapferer, geb. 1962 in Hall in Tirol, aufgewachsen in Zirl, lebt in Oberhofen.
Christian Yeti Beirer, geb. 1966 in Reutte, lebt in Zirl.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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