Helmuth Schönauer
Zapp-Punkte - Verschobene Verhaftung
Stichpunkt


Zappen ist eine intime Tätigkeit, über die man nicht gerne spricht. Wer viel zappt, ist meist ein unglücklicher Mensch, der mit den Bild- und Programmvorschlägen nicht zurechtkommt.

Sendeanstalten sind ganz versessen darauf, die Zapp-Punkte übermittelt zu bekommen, richten sie doch ihr Programm danach aus, wer an welcher Stelle der Sendung dazustößt oder sie verlässt.

Kluge Mediennutzer reflektieren das eigene Zapp-Verhalten ebenfalls für sich, um etwas über die eigene Psyche zu erfahren, statt einen Medienpsychologen aufzusuchen zu müssen. So lohnt sich beispielsweise beim Netz-Surfen ein Blick auf den sogenannten Verlauf, ehe man diesen löscht. – Die Information beim Surfen liegt nämlich nicht darin, was man alles gesehen hat, sondern an welchen Stellen man umgeschaltet hat.

Den öffentlich rechtlichen Sendern zeigen die Zapp-Punkte nicht nur, wie lange man einer gewissen Publikumsschicht welche Sendungen zumuten kann, die Umschaltpunkte geben auch Auskunft darüber, was die sogenannte Öffentlichkeit als Konsens, Nogo oder Tabu empfindet.

Am Beispiel des stummen Kandidaten für den Bundesvorsitz der SPÖ stellt sich die Frage, ob es einen Sinn hat, einen Vorsitzenden mit unverschuldet kaputten Sprechwerkzeugen auf Sendung zu schicken. Da der Bedauernswerte auf eine Altersgruppe von Wählenden angesetzt ist, die an Hörstürzen, Tinnitussen und Taubheiten leidet, kann es durchaus Sinn machen, ihn in Sendungen und Auftritte zu schicken, wo man ihn akustisch nur schwer versteht.

Unter seinen Fans gibt es überdurchschnittlich viele Rentner, die den Fernseher auf stumm gestellt haben, weil ihrer Ansicht nach ohnehin nur unverständliches Zeug gesendet wird. Bei Stummschaltung weiß ich wenigstens, dass die Sprechenden etwas gutmeinen, aber ich muss ihnen nicht zuhören.

Nach dieser Theorie ist es egal, was jemand sagt, weil es immer als nichtssagend empfunden wird. Es kommt bei politischen Statements oft ohnehin nur auf die Lippenbewegung an (vgl. Lippenbekenntnis), alles andere ist Tiktok, wie es die Kids nennen. Die Erwachsenen sagen Schas fürs Gefühl zu solchen sympathischen Nicht-Äußerungen.

Die Stummschaltung aus Solidarität mit dem Nichts-Hören-Wollen lösen freilich auch andere Berufsgruppen aus, die zwar nicht an Mangel am Sprechwerkzeug leiden, wohl aber an mangelnder Einschulung, dieses zu benützen.

Dichter und Journalisten sind bei Talkshows besonders unerträglich und die fleischgewordenen Zapp-Punkte. Die Dichter versuchen bei offenem Hirn Gedanken zu formulieren, was das wohl bedeuten könnte, was sie für einen Roman ein Jahr lang zusammengetragen haben. Nicht umsonst sagt man über Buchpräsentationen süffisant, dass dabei der Autor sich das erste Mal mit seinem Werk auseinandersetzt.

Und die Journalisten sprechen so wirr durcheinander, wie es eben in ihren Köpfen zugeht, wenn sie den Artikel in Echtzeit formulieren.

Gibt es eigentlich Richtlinien, wie oft man am Tag zappen soll? Keine Ahnung. Die Romantiker sagen, das Leben sei insgesamt ein Zappen nach Sinn, mit jedem Atemzug zappest du danach.


Note

So tickt Österreich auf Weltniveau. Zum traumhaft-sinnlichen Datum 18.8.18 tanzt Putin in den steirischen Weinbergen zu einer Hochzeit an. Er tanzt nicht nur an, sondern sogar mit der Braut, die angeblich eine österreichische Außenministerin auf einem FPÖ-Ticket ist.

Putin hat die Don-Kosaken mitgebracht, die als Security verkleidet sind. Und so schnell, wie er gekommen ist, ist er schon wieder im Laub des Hügellandes verschwunden.

Der Klapotetz, ein Sinnbild für Fruchtbarkeit, klappert ins Leere. Der Bräutigam soll schon am Hochzeitstag vom Ende der Ehe geredet haben. Allmählich sickern nun die Facts und Fakes im Schulterschluss durch. In Wirklichkeit soll es sich nämlich um eine Schein-Hochzeit für social-media gehandelt haben.

Im Hintergrund des Weinbergevents hatten die westlichen Geheimdienste geplant, Putin prophylaktisch zu verhaften, weil sie bereits wussten, dass man ihn fünf Jahre später (2023) auf die Kriegsverbrecherliste setzen würde. Die Verhaftung ist damals nur gescheitert, weil sich die österreichischen Beamten weigerten, Überstunden zu machen, und schon gar nicht hässliche Bilder liefern wollten. Eine Hochzeit zu crashen gibt in Österreich immer schlechte Bilder.

Dieser Tage ist tatsächlich Putin auf die Liste der Kriegsverbrecher gesetzt und zur Verhaftung ausgeschrieben worden. Österreich will es abermals versuchen, Putin bei einer Hochzeit zu verhaften. Zu diesem Zweck ist die FPÖ abermals in eine Regierung eingetreten, diesmal in Niederösterreich mit der sagenhaften Hochzeitsvorbereiterin Mikl-Leitner.

Es soll wieder jemand aus der Regierung heiraten, und selbstverständlich soll Putin wieder mit seinen Don-Kosaken kommen. Jetzt wird freilich die Falle zuschnappen.Österreichische Beamte mit Spezialverträgen (sie sollen nach dem Operettenkomponisten Lehar-Truppe heißen) werden die Kosaken überwältigen und Putin festsetzen.

Bis dahin ist alles minutiös durchgeplant. Wie beim Einsatz österreichischer Beamter üblich hat man allerdings noch nicht darüber nachgedacht, wie es dann weitergehen soll. Wohin mit ihm? Die Frage wird man zeitnah klären.

Eines steht fest:
Auch wenn Putin bei uns partout kein Asyl will, so kann man ihn nicht nach Moskau abschieben. Dort herrscht nämlich Krieg.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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