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Helmuth Schönauer
(S)KI-Stams
Stichpunkt

Das ist kein Wunschkonzert, das ist ein zähes Business, und es hat heute fast jeder schon die gleichen Möglichkeiten. – Marco Schwarz zur ÖSV-Medaillenausbeute

Für intellektuelle Geister dient eine Schiweltmeisterschaft nicht so sehr dem Aufpolieren eines Medaillenspiegels als vielmehr der rhetorischen Herausforderung, Nieten und Niederlagen mit möglichst bravourösen Sagern abzuhaken.

Im Februar haben wieder einmal alpine Weltmeisterschaften stattgefunden. Da es kaum Medaillen für Österreich zu gewinnen gab, hat die patriotische KRONE gleich einmal damit begonnen, die besten Ausreden zu jedem Rennen zu sammeln.

Für das Slalom-As Katharina Truppe gab es eine semantische Goldmedaille für den Spruch: Der Start war ganz gut, aber dann hat die Schlaftablette zu wirken begonnen.

Mit großer Enttäuschung zieht also die Schi-Truppe wieder ab, niemanden interessiert es. Ein paar Verdienstausfälle durch schlechte Platzierungen sind zu befürchten, aber auch das ist egal, weil ja das ganze Volk schlecht in der Inflation platziert ist und dementsprechend Ausfälle hat.

Angesichts des messbaren Dämpfers bei Weltmeisterschaften sollte man sich vielleicht wieder einmal die Frage stellen, ob das Rekrutierungs- und Ausbildungsprogramm noch zeitgemäß ist, wie es auf der Homepage des Schigymnasiums Stams angeboten wird.

Die Gründung dieser Body-Bildungs-Einrichtung geht auf die 1970er Jahre zurück, in denen die DDR und Österreich sportliches Aufsehen erregten, weil sie alle Sportlerinnen dem Bundesheer oder der Nationalen Volksarmee eingliederten. Als Munition gab es angeblich allerhand Pülverchen, die bei Wettbewerben dann in Muskelexplosionen verschossen wurden.

Um den unguten Militär-Touch während der nachfolgenden Friedensbewegungen abzumildern, schickte man die Sportler künftig in Internate statt Kasernen. Und weil Klöster traditionellerweise ohnehin Sex and Sport im Programm führen, stand auch einer Ausweitung des Klosterbetriebs in Stams nichts im Wege.

Das Gute an der Einrichtung: Vielen, die sonst im Casino gelandet wären, blieb der soziale Abstieg einer Skifahrerkarriere erspart, indem sie sich wenigstens auf das Matura-Podest stellen konnten. Andererseits: Der Anteil an Ausschussware ist beängstigend. Auf eine Profi-Karriere kommen im Schnitt hundert Ausgemusterte.

Bald schon musste deshalb die psychologische Abteilung ausgebaut werden, denn nicht wenige der ausgeschiedenen Sportler spielten ungeschützt mit Suizidgedanken, andere bauten den Pülverchen-Konsum aus, dritte wiederum taten sich fleißig gastronomisch hervor, indem sie sich selbst bewirteten.

Solange das Schifahren noch halbwegs mit der gutgläubigen Stimmung verbunden war, dass es sich dabei um etwas Gesundes handle, blieb auch das Verständnis für das Gymnasium intakt. Mittlerweile wird sich jeder Elternteil einzeln davor hüten, das Kind zu einer solchen Loser-Truppe zu schicken.

Nur mehr Schischuhe glauben daran, dass Schifahren gesund ist. Daher gilt es, einen sogenannten Relaunch durchzuführen. Die Idee, neben der Schule etwas Gescheites zu machen, könnte ja beibehalten werden. Vielleicht sollte man einfach einen Buchstaben aus dem Ski weglassen und schon wäre man auf der Höhe der Zeit. Statt SKI mach einfach KI.

Die Kids könnten, statt die Gletscher kaputtzufahren, in Simulationen analoger und digitaler Art ausprobieren, wo ihre Fähigkeiten liegen. Im besten Fall würde eine Stamser Absolventin die Matura absolvieren und gleichzeitig das Material für ein Startup beisammenhaben Und eine Profikarriere in der KI wäre mindestens so gemeinnützlich wie das Hinunterbrettern auf sterbenden Bio-Flächen in Hockestellung.

Vielleicht sollte man das Hirn der nächsten Generation überrhaupt als Maus über dem Pad ausrollen statt den Körper auf der Suche nach dem Hirn in eine Schranz-Hocke zu zwängen.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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