Helmuth Schönauer
Lachen auf Staatskosten
Stichpunkt

Hoffentlich dauert die Pandemie noch lange, denn allmählich läuft das öffentliche Leben zur Höchstform auf. Jahrzehntelang haben wir gesellschaftlichen Kleinlebewesen darum gekämpft, dass man uns Kohle gibt für den Konsum. Und wenn sich das schon nicht mit dem Leistungsprinzip verträgt, so sollte der Konsum wenigstens billiger oder „gratiser“ werden.

Durch den heruntergefahrenen Wirtschaftsmodus werden jetzt anstandslos Entschädigungen, Überbrückungshilfen und Stipendien ohne Gegenleistung vergeben. Dabei stellt sich heraus, dass das eigentlich immer schon eine recht kostengünstige Variante gewesen wäre, um die Menschen, wenn schon nicht bei Laune, so doch am Leben zu erhalten. Die beinahe schon religiös argumentierte schwarze Null erweist sich, jetzt hintennach gesehen, als Fehl-Leitbild, wie es übrigens alle religiösen Leitbilder sind.

Das Grundeinkommen wird kommen. Aber man wird es eben noch mit einem anderen Kunstbegriff ausstatten müssen. Wie schon der Name Kunstbegriff sagt, handelt es sich dabei um etwas, das vor allem in der Kunst stattfindet.

So werden in Zukunft allerhand Preise und Stipendien ausgelobt werden. Die Vorgangsweise hat den Vorteil, dass es gleich für drei Berufsgruppen etwas zu holen gibt.

Einmal für die Jury, die ein Drittel der ausgelobten Summe als Sitzungsgelder kassiert. Zum zweiten schneidet das heimische Catering mit einem Drittel mit, wobei die Währung in Snack-Schnitzel gemessen wird. Und ein Drittel geht schließlich an die Stipendiaten, die in der neuen Zeit nichts mehr abliefern müssen, sondern das Stipendium als auffrisierte Variante des Kur-Tourismus absitzen dürfen. Schlimmstenfalls muss das Stipendium mit Fußfessel zu Hause abgelebt werden.

Natürlich gibt es auch ein Ranking innerhalb dieser Stipendien. Als geilstes von allen gilt das Kabarett-Stipendium. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Der Staat fördert Künstler, die Witze produzieren, damit das depressive Publikum etwas zum Lachen hat.

Dieses Lachen auf Staatskosten entspricht der österreichischen Mentalität. Ein Witz gilt in diesem Land erst als zulässig, wenn der zuvor von einer Jury als solcher anerkannt wurde. Abweichler der Staatskunst wurden bislang entweder ignoriert oder vor Gericht gestellt. Ein danebengegangener Witz kann durchaus mit dem Strafrecht verfolgt werden. Das nennt sich dann Herabwürdigung von irgendwelchen Insignien, Lehren oder Vogeldarstellungen.

In den Lebensläufen der Künstler wird jetzt überall die Zeile aufpoppen: Staatlich geförderter Kabarettist!

Wenn wir schon beim Wortdesign für das Grundeinkommen sind: Es wird demnächst auch eine Trinkgeldentschädigung geben. Der Staat zahlt jenen, die mittlerweile kein Trinkgeld bekommen, anstandslos das Trinkgeld aus der öffentlichen Schatulle weiter.

Der psycho-hygienische Faktor dieser Maßnahmen ist enorm. Während man früher herumdrucksen musste, mit Fügungen wie: „Ich bin auf Hartz vier! Ich bin am AMS!“, lässt es sich jetzt mit offener Brust herumschreien: „ Ich bin Kabarett-Stipendiat und kassiere staatliches Trinkgeld!“

Es ist wirklich eine witzige Republik, in die wir fröhlichen Menschen da eingebettet sind.

Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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