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Helmuth Schönauer
Bleiben Sie dran! Es wird spannend!
Stichpunkt

„Die Mutter war Bibliothekarin, da mussten ja die Buben erfolgreich und die Lieblinge der Nation werden! Bleiben Sie dran. Es wird spannend!“

Wer diese Art des Journalismus auf Anhieb erkennt, ist verlässlich ein Konsument der Fellner-Brothers. Dieses tatsächlich aufregende Brüderpaar aus Salzburg mischt seit Jahrzehnten die österreichische Presselandschaft auf. Ihr erstes Produkt, der sogenannte „Rennbahn-Express“, gilt längst als Kulturgut und liegt in den meisten Museen auf, die sich mit gedruckter Zeitgeschichte beschäftigen.

„So einen Orgasmus beim Interview haben Sie noch nicht gesehen. Bleiben Sie dran. Es wird spannend.“

Das Programm besteht aus einem einzigen Wort und heißt „spannend“. Daher wird es alle paar Sätze eingestreut, was ein ungeahntes Erlebnisfeld aufmacht, da alles mit diesem Prädikat versehen werden kann. Nicht nur Handlungen können spannend sein, und werden es auch, sobald sie die Kimme des Bildfeldrandes erreicht haben, auch bloße Personen, Orte und Jahreszeiten können aufregend sein, wenn man sie nur richtig in Szene setzt.

„Knittelfeld ist eine spannende Stadt, wie Sie gleich sehen werden. Und der Bürgermeister ist eine spannende Ortsgröße, vor allem, wenn er zu diesem spannenden Herbst Stellung nimmt. Bleiben Sie dran. Es wird spannend.“

Beim Rezensieren von Büchern gibt es ein paar unausgesprochene Regeln, so etwa sollte man nie ein Buch als spannend bezeichnen, denn wenn man das extra betonen muss, ist es mit Sicherheit fad.

Eine ähnlich formulierte Faustregel sollte in der Politik gelten, möchte man meinen, aber da wimmelt es nur so vom Füllwort „klar“. Jeder Satz wird noch einmal klar betont, weil alle wissen, dass es sich um Notlügen und notdürftig getarnte Schummeleien handelt.

„Wer die Klarheit extra betont, ist ein trüber Typ!“ heißt es daher folgerichtig im Coaching von diffusen Charakteren, die unbedingt in die Politik wollen.

Aber die Fellner-Kultur beweist das genaue Gegenteil. Wenn du ein halbes Jahr lang von etwas als spannend sprichst, horcht mit der Zeit keiner mehr auf den Inhalt der Sätze, sondern konzentriert sich voll darauf, wie oft dieser magische Ausdruck fällt.

„Wir sprengen alle Konventionen. Bleiben Sie dran. Es wird spannend.“

An dieser Stelle ist ein großes Lob an die Fellners fällig. Was immer sie angepackt haben, begann mit einem Tabu-Bruch. Jahrzehntelang haben sie den Journalismus mit beinahe Trump´scher Frechheit aufgemischt. Mit dieser permanenten Stichelei gegen den behäbig-präpotenten Journalismus, wie er vor allem im öffentlich rechtlichen Segment betrieben wird, konnte die politische Alltagskruste tatsächlich aufgeweicht werden. Die fast schon perverse Form des lustvollen Hineinstichelns in moralisch geglättetes Oberflächenwasser gibt dem Stillleben oft Farbe und Kontur. Hingegen besteht die Arbeit des ORF-Journalismus mittlerweile darin, wochenlang die Wunden zu bepflastern, die der journalistische Frontangriff des Fellner-Imperiums gerissen hat.

„Die überrumpelten Kollegen lecken ihre Wunden und wissen nicht, wie ihnen geschieht. Wir werden sie im Auge behalten. Bleiben Sie dran. Es wird spannend.“

Die Faustregel für die legendären Fellner-Interviews lautet: Das Einladen eines Verstoßenen ist Tabu-Bruch genug. Ich muss ihn nicht auch noch vor der Kamera fertig machen. So kommen oft groteske Interview-Gegenüber auf den Bildschirm. Sie werden alle höflich behandelt, manchmal fährt der Alte auch mit einem Lacher dazwischen, wie man im Kaffeehaus noch einen Doppelten bestellt.

Aber die Eingeladenen können sagen, was sie wollen. Zwischendurch ruft jemand das Wort „Unschuldsvermutung“ in die Sendung, manchmal gibt es auch später eine Verurteilung auf gerichtlicher Ebene.

„Wir holen die auf die Bühne, die andernorts nichts sagen dürfen. Bleiben Sie dran. Es wird spannend.“

Das Publikum goutiert diese Interviewführung, weil es endlich einmal einen moralfreien Sendeabend zu Gesicht bekommt. Nicht dass das Dargebotene nicht zwischendurch moralisch verwerflich wäre, aber es spielt sich kein Inquisitor auf, der die Öffentlich-Rechtliche Staatsdoktrin wie ein Generalstaatsanwalt jeden Abend durch die ZIB plärrt.

Das Erfolgsgeheimnis der Fellners mündet freilich auch in etwas, was wir kulturell verbrannte Erde nennen können. Wenn alle Tabus gebrochen sind, und letztlich alles gesagt werden konnte, gibt es auch keinen Raum mehr für Alternativen und Gegenpositionen. Entweder jemand macht bei diesem Spiel mit, oder er fällt hinten aus dem Bildschirm hinaus.

„Bleiben Sie dran. Es wird spannend.“

Diese abgehackte Sendemethode verhindert zudem die Entwicklung eines längeren Gedankenganges. Was nicht zwischen den Wörtern spannend und dranbleiben Platz hat, kann auch nicht gesendet werden.

In allen Kulturen muss es jemanden geben, der die scheinbar gültige offizielle Darstellungsform hinterfragt, indem er sie sprengt.

So sind die Fellners reif für irgendein österreichisches Verdienstkreuz in irgendeiner Form. Manche sagen, die Presseförderung sei ja schon das Verdienstkreuz. Aber man sollte ihnen dennoch was Handfestes umhängen. Es wird spannend, was für ein Keks es wird. Bleiben Sie dran!

Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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